Gastautor / 27.07.2012 / 00:53 / 0 / Seite ausdrucken

Kopflos in die Katastrophe

Manfred Gillner

Kaum hat der Bundestag dem ESM und der EFSF-Hilfe für Spaniens Banken zugestimmt, geht es munter weiter mit Merkels und Schäubles Plan zur Auflösung Deutschlands in einem EU-Zentralstaat. Die spanischen Regionen haben offenbar nur die Bundestagsbeschlüsse abgewartet, und nun erklärt sich eine nach der anderen für bankrott. Die spanische Regierung wünscht den Ankauf von Staatsanleihen durch den EFSF und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius fordert die Aufstockung des europäischen Rettungsschirms oder Stützungsmaßnahmen durch die Europäische Zentralbank. Italien und andere stehen in den Startlöchern, um auch noch etwas vom Geldsegen abzubekommen.

Wer genau hinhörte, konnte anhand der Äußerungen von Merkel und Schäuble in den letzten zwei Jahren sehr genau voraussehen, dass in Wirklichkeit weit mehr geplant ist als die „Eurorettung“. Über die Krise soll die Schuldenunion verwirklicht werden, und dann kann die „politische Union“ kommen. Vermutlich hat man die deutschen Bürger von Anfang an absichtlich über das wahre Ausmaß der Summen getäuscht, mit denen Deutschland für die „europäische Idee“ in die Schuldenhaftung gehen will und tut dies heute noch. Bisweilen drängt sich sogar der Verdacht auf, dass die Ausweitung der Krise womöglich gewollt ist oder zumindest gerade recht kommt. Schäubles Hinweis, man befinde sich nun „auf einem guten Weg“, den er nach jeder neuen „Rettungsaktion“ anbringt, kann man schließlich auch anders deuten, denn sein Traum ist das vereinigte Europa. Dafür geht er offenbar jedes Risiko ein und setzt bedenkenlos den in 60 Jahren erarbeiteten Wohlstand Deutschlands aufs Spiel.

Weil der EU-Bundesstaat bei keiner Volksabstimmung, weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten, eine Chance hätte, schafft man in Einzelschritten Fakten. CDU-General Gröhe sprach auf dem CDU-Parteitag im letzten November von der „Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion“ als nächstem Etappenziel. Durch sie könne man „die Verschuldungskrise bewältigen und die richtigen Lehren aus ihr ziehen“. Man will also eine europäische Wirtschaftsunion, während man gleichzeitig behauptet, die Währungsunion habe wegen des Fehlens der politischen Union nicht funktioniert. Wie soll dann erst eine Wirtschaftsunion funktionieren? Folglich geht es nur darum, mit der Wirtschaftsunion einen weiteren Schritt in Richtung EU-Zentralstaat zu machen. Er wäre genauso wie die EZB von den Südeuropäern dominiert. Sie hätten vor allem das Ziel, Deutschland wirtschaftlich zu schwächen und den europäischen Schlendrian so lange fortzusetzen, bis Europa wirtschaftlich und finanziell endgültig erledigt ist. Denn dass außer den Deutschen keiner europäisch, sondern jeder zuerst nationalistisch denkt, hat man in dieser Krise sehr gut erfahren können.

Aber die Pläne reichen noch viel weiter. Auch eine „Sozialunion“ ist geplant. Die Arbeitslosenversicherung und die Sozialpolitik sollen ebenfalls auf EU-Ebene verlagert werden. So steht es in einem Gutachten des Sachverständigenrates der Bundesregierung:

„Der erste Ansatz würde darin bestehen, zusätzliche finanzielle Mittel auf die Gemeinschaftsebene zu übertragen, um ihr damit gleichsam als Bundesstaat die Möglichkeit zu geben, Funktionen wie eine gemeinschaftliche Arbeitslosenversicherung und Bildungs- oder Sozialpolitik wahrzunehmen.“

Zwar gehen die „Wirtschaftsweisen“ davon aus, dass „in Anbetracht der äußerst schwierigen fiskalischen Situation in allen Mitgliedsländern, die sich durch die demografische Entwicklung eher noch verschärfen wird“, derzeit wohl kaum eine Bereitschaft zur Umsetzung dieses Konzepts besteht. Aber man hat inzwischen ja gelernt, wie rasch sich die Dinge plötzlich ändern können. Was man heute noch kategorisch ausschließt, ist morgen schon Realität. Die Idee von der Sozialunion existiert jedenfalls. Nicht nur die Arbeitslosenversicherung, sondern auch die Rentenversicherung würde dann wohl auf EU-Ebene verlagert werden. Man weiß, dass die demografische Entwicklung zu einem Zusammenbruch der Sozial- und Rentensysteme führen wird, und weil man nicht den Mut hat, das Problem auf nationaler Ebene anzupacken, möchte man es am liebsten der EU übergeben. Dann kann man ihr die unliebsamen Entscheidungen überlassen. Auf die Deutschen kommt also nicht nur „Solidarität“ im Sinne von Geldtransfers zu, wie sie von Bundespräsident Gauck bis zu George Soros mittlerweile alle predigen, sondern sie werden dann auch etwas von ihrer Rente und ihrem Arbeitslosengeld „solidarisch“ abgeben müssen. EZB-Chef Mario Draghi wies schon im Februar darauf hin, dass der europäische Sozialstaat ein Auslaufmodell sei, das Thema wird also nicht nur im Sachverständigenrat diskutiert.

Aber das ist immer noch nicht alles. Der Sachverständigenrat drängt beharrlich darauf, einen europäischen Schuldentilgungsfonds einzurichten, in den die Staaten ihre über 60 Prozent des BIP hinausgehenden Schulden auslagern und gemeinsam tilgen sollen. Nach Schätzungen würde der Fonds ein Volumen von etwa zwei Billionen Euro haben. Wie aber soll man diese Schulden tilgen, wenn sich doch nach Meinung des Sachverständigenrats die Finanzprobleme in Europa wegen der demografischen Entwicklung weiter verschärfen werden? Aber auch dafür hat man natürlich bereits Lösungen in der Schublade und lässt hin und wieder einen Versuchsballon steigen. Die Bürger sollen einen „Europa-Soli“ zahlen oder man nimmt ihnen ihr Geld gleich mit Zwangsanleihen ab, die man nie zurückzahlen wird.

Die Zwangsanleihe ist keine Schnapsidee des DIW. Sie ist Teil des Gesamtplans. Das DIW ist von staatlicher Förderung abhängig, es sollte also nicht verwundern, wenn es von „höherer Stelle“ den Auftrag hatte, die Idee in die Welt zu setzen und die Reaktionen abzuwarten. Das Bundesfinanzministerium war jedenfalls keinesfalls überrascht und nahm sie sofort positiv auf. Seitdem kommt ein Umverteiler nach dem anderen aus der Deckung und befürwortet sie. Gestern war DGB-Chef Sommer an der Reihe. Mal sehen, was ihm seine Gewerkschaftsmitglieder sagen, wenn sie merken, dass ihr Haus und der Barwert ihrer Rente den angedachten Freibetrag von 250.000 Euro weit übersteigen und sie ebenfalls zahlen müssten, genauso wie Beamte mit höheren Pensionsanwartschaften. Denn natürlich kann man den Rentner oder Pensionär nicht besser stellen als den Selbstständigen, der seine Altersvorsorge auf dem Bankkonto vorhält oder in zwei Mietwohnungen gesteckt hat. Es werden die kleinen Leute bluten, die ihr ganzes Leben lang den Kredit für das Eigenheim abgezahlt haben und nicht die Möglichkeit haben, der Enteignung durch Verlassen des Landes auszuweichen.

http://www.leipzig2011.cdu.de/startseite/149-groehe-qwir-wollen-keinen-schuldenklub-sondern-eine-stabilitaetsunionq.html
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/gutachten/ga11_iii.pdf
http://derstandard.at/1329870252237/Sparen-sparen-sparen-EZB-Chef-sieht-Ende-des-Sozialstaates

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