Eran Yardeni, Gastautor / 13.07.2013 / 23:31 / 4 / Seite ausdrucken

Im Namen der deutsch-amerikanischen Freundschaft!

Die Vermenschlichung des aktuellen politischen Diskurses - als wären die USA und Deutschland Klassenkameraden, die täglich ihre Freizeit auf dem nächsten Spielplatz verbringen und nicht zwei politische Mächte, die ihren eigenen Interessen kalkuliert folgen - darf nicht auf die ästhetische Ebene reduziert werden.

Hier geht es nicht um ein rhetorisches Stilmittel, welches das Entsetzen Deutschlands angesichts der amerikanischen Schnüffelei zum Ausdruck bringen sollte, sondern eher um eine alberne und infantile Einstellung vieler Deutschen bezüglich der Kunst der Politik auf der internationalen Ebene.

Denn was man in der politischen Sphäre unter „Freundschaft“ verstehen darf, ist nicht mehr und nicht minder als eine politische Konstellation, in deren Rahmen die jeweiligen politischen Akteure denselben oder wenigstens ähnlichen Interessen folgen, was sie wiederum motiviert, eher miteinander zu kooperieren als alleine zu handeln. Dadurch hoffen sie, ihre Vorteile zu maximieren. Die politische Freundschaft ist deshalb niemals „unbedingt“ und zu keiner Zeit „unmittelbar“. Mit Liebe und Freundschaft im konventionellen Sinn des Wortes hat es so viel zu tun wie Facebook mit einer Eckkneipe.

Deutsche Politiker müssen diesen Unterschied kennen, denn Deutschland hat sich gegenüber Israel nicht anders gemacht. Als Adenauer 1952 das Entschädigungsabkommen mit Israel unterschrieb, wusste er ganz genau, was er macht und warum. Deutschland suchte damals den Weg zurück in die internationale Gemeinschaft, was nach den Gräueltaten des Nationalsozialismus, nach Auschwitz und Treblinka, nicht ganz einfach sein sollte. Um dieses Ziel trotzdem zu erreichen, brauchte Adenauer eine moralische Anerkennung und vor allem - eine politische Unterstützung.

In einem Gespräch mit Günter Gaus (29.12.1965) hat der deutsche Bundeskanzler das Kind beim Namen genannt: Es ging damals unter anderem „um die Macht der Juden, auch heute noch, insbesonders in Amerika, die man nicht unterschätzen solle“. Und diese “Macht der Juden” wollte Adenauer an seiner Seite wissen. Unter solchen Umständen konnte gar nichts besser zum Ziel führen als eine inszenierte Verständigung mit dem “Staat der Juden”.

Ben Gurion kalkulierte auch. Rezession auf der einen Seite und eine politische Orientierung Richtung Westen auf der anderen, haben ihn motiviert, dieses Abkommen zu unterschreiben.
   
Aus diesem Deal wurde in bestimmten politischen Kreisen ein Märchen geformt, das Märchen über eine jüdisch-israelisch-deutsche Freundschaft.

Wie stark und authentisch diese „Freundschaft“ war, zeigte sich, als Israel 1973, weniger als 30 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, deutsche Hilfe brauchte und leider nicht bekam. Es war Willy Brandt, der die Verschiffung amerikanischen Nachschubs für Israel über deutsche Häfen verbot.

Wenn die deutsche Politik sich im Namen der Freundschaft mit Amerika beleidigt und betrogen fühlt, als wusste sie nicht, wie politische Freundschaften funktionieren, wenn sie immer wieder betont, dass so etwas „unter Freunden“ nicht geschehen dürfte, muss man sich überlegen, worum es hier eigentlich geht. Denn entweder ist die deutsche Politik infantil genug, um an solchen Märchen zu glauben und dementsprechend auch kindisch darauf zu reagieren, oder es macht hier jemand der Bevölkerung mit seinen angeblich verletzten Gefühlen etwas vor, was mir wahrscheinlicher vorkommt.

Es mag sein, dass es gute Gründen gibt, bestimmte Aspekte der amerikanischen Sicherheitspolitik zu kritisieren. Aber bitte nicht im Namen der „deutsch-amerikanischen Freundschaft“.

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Leserpost

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Werner Lange / 16.07.2013

Es geht hier doch nicht um irgendeine “Freundschaft” - es geht darum einer infantilisierten Wählerschaft mal wieder diverse “Xe” für ebensoviele “U’s” vorzumachen. Jeder der auch nur einen winzigen kleinen Schimmer von der Arbeit der “Dienste” hat weiß dass es darum geht Informationen zu sammeln, zu bewerten und die Ergebnisse der Regierung so aufzubereiten dass diese ihr Handeln entsprechend erfolgversprechend ausrichten kann. Aber da sich der größte Teil des Wahlvolks in Deutschland “wohlfühlen” will, darf man halt nicht mit Tatsachen aufwarten, da wird “alternativlose” Politik goutiert, und jetzt punkten eben Trittin und C. Roth - schließlich haben die ihre “staatstragend-empörte Mine” nebst Tonfall lange genug vor dem Spiegel geübt, so dass diese sie jetzt eben erfolgreich einsetzen. Das Traurige ist nur, dass wir von solchen Leuten regiert wurden, gerade regiert werden und auch künftig regiert werden werden. Die einzigen, die mich derzeit amüsieren sind “die Linke” - bereiten die doch einen Untersuchungsausschuss vor, der das Regierungsunwesen der letzten 15 Jahre beleuchten soll - ob die da nicht am geballten Nein von schwarz/gelb/rot/grün scheitern werden?

Doderich von Schwarzen / 14.07.2013

Einer der letzten großen Staatsmänner der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war neben Adenauer, Thatcher (!!!) und Brzezinzki auch der ehemalige französische General De Gaulle. Allen diesen Staatsmännern ist die messerscharfe Analyse der Ist-Situation gemein - und die rigide Ablehnung von infantilen und romantischen Politikbildern. Charles De Gaulle formulierte pointiert: “Zwischen Staaten gibt es keine Freundschaft, sondern nur Allianzen!” Leider würde Charles De Gaulle heutzutage in seiner berühmten Rede an die jungen Deutschen nach all den durch die meisten Medien applizierten bewußtseinsverändernden Drogen des “Dummschwatzes” nur noch Mitleid mit dem Großteil der Jugend Deutschlands empfinden. Vielleicht würde er auch auf seine Rede aus dem Jahr 1962 eingehen und bedauern, daß er damals zu wenig junge Deutsche erreicht habe. Es ist beschämend zu sehen, wie - in Politik und Medien - der Infantilismus und die pseudoreligiöse Verehrung der “Heiligen Einfalt” nun ihre Wirkung auch in der Bevölkerung verbreiten.

Thomas Rießinger / 14.07.2013

Die deutsche Politik hat längst den Bereich der Rationalität verlassen. Wenn man hierzulande den Kinderglauben an politische Freundschaften beschwört, dann hat das den gleichen Hintergrund wie alternativlose Formulierungen der Art “Scheitert der Euro, dann scheitert auch Europa”: die Hauptdarsteller des Dramas glauben an ihre eigenen hohlen Phrasen.

Wolfgang Mann / 14.07.2013

Versteh ich nicht. Die deutsch-sowjetische Freundschaft hat doch immer so wunderbar funktioniert.

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