Oswald Metzger, Gastautor / 26.01.2014 / 19:36 / 5 / Seite ausdrucken

Ich bin ein Neoliberaler!

Joachim Gauck sei Dank! Man kann sich in Deutschland frank und frei dazu bekennen, ein Neolibera-ler zu sein. Denn der Bundespräsident hat mit einer bemerkenswerten Rede im Walter Eucken-Institut in Freiburg zurecht die Diskreditierung des Begriffs „neoliberal“ attackiert.

Das Wort ist zum „Gottseibeiuns“ unserer Tage in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung verkommen. Nicht nur die gesamte politische Linke stigmatisiert mit dem Begriff seit Jahr und Tag alles, was sie mit Sozialabbau verbindet: Hartz IV, höheres Renteneintrittsalter, Studiengebühren und so weiter und so fort. Auch auf christdemokratischen Parteitagen und selbst in FDP-Kreisen wirkt das Stigma, wenn es etwa Kritikern der Mütterrente entgegengeschleudert wird. Wer in diesem Land für weniger staatliche Versorgung und mehr Eigenverantwortung plädiert, gilt als „neoliberal“ und hat deshalb schon verloren.

Mir wurde die Schmähetikette „neoliberal“ bereits in den Neunziger Jahren ans Revers geheftet, als ich für die Grünen im Deutschen Bundestag saß. Ich stritt und streite für ausgeglichene Staatsbud-gets. Ich will fairen Wettbewerb - nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in den innerstaatli-chen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (einschließlich der Kommunen). Die Europäi-sche Union buchstabiert sich für mich auch langfristig nicht als europäischer Zentralstaat, sondern als Konföderation eng verflochtener, aber souveräner Mitgliedstaaten.
Freiheit und Verantwortung bedingen einander. Auf Dauer wird jede freiheitliche Gesellschaft nur dann wirtschaftlich und sozial erfolgreich sein, wenn sie ökonomische und politische Machtballung durch einen wirksamen Ordnungsrahmen verhindert. Anti-Kartellgesetze, Transparenzauflagen und demokratische Grundordnungen sind dafür konstitutionell. Gerade die Finanz- und Schuldenkrise der vergangenen Jahre zeigt, wie verheerend sich das Außerkraftsetzen eines zentralen Leitsatzes einer ordoliberalen Wirtschaftsordnung auswirkt: „Too big to fail“ ist die Konsequenz aus der Aufkündi-gung des Haftungsprinzips für die Folgen des eigenen wirtschaftlichen Handelns.

Für mich als Neoliberaler gilt das Haftungspostulat nicht nur für den Sozialhilfeempfänger, dem ich eigenes Engagement abverlange (Stichwort: aktivierender Sozialstaat!), damit er nicht in der Falle der Daueralimentation stecken bleibt. Auch Banken und Finanzmarktakteure müssen für die Folgen ihres Tuns einstehen, indem ihre Anteileigner und Gläubiger für riskante Fehlspekulationen haften - und nicht die Steuerzahler. Für Staaten gilt der gleiche neoliberale Leitsatz: „No bail out!“ Kein Staat haf-tet für die Schulden anderer Staaten. Das nennt der Neoliberale Eigenverantwortung.

Dass alle diese Prinzipien haufenweise über Bord geworfen werden - national, europäisch und global - ist eine traurige Tatsache. Der Zeitgeist weht aus einer fatalen staatsgläubigen Richtung. Mehr Staat garantiert vermeintlich mehr Sicherheit. Doch diesen gigantischen Trugschluss müssen wir Neolibera-len entlarven. Tatsache bleibt, dass ohne wirtschaftliche Prosperität auf Dauer kein Wohlstand exis-tieren kann. Denn wo nichts mehr erwirtschaftet wird, kann auch nichts mehr verteilt werden.   

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Leserpost

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Detlef Dechant / 27.01.2014

Lieber Herr Metzger, ich habe eh´nie verstanden, warum Sie zur CDU gewechselt sind, statt die FDP wieder auf den richtigen Weg zu bringen, wie es Herr Lindner nun versucht! Gruß Detlef Dechant

Rolf Krahmer / 27.01.2014

@ Haferburg es sind leider weit mehr als 20 Milliarden: Allein die Subventionen des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden dieses Jahr schon 20 Milliarden Euro betragen. In den letzten 10 Jahren installierten Solaranlagen kosteten mehr als 100 Milliarden Euro. Die Subventionen für Windenergie und Biomasse kommen noch dazu. Für den Netzausbau werden Kosten von 22 Milliarden Euro allein für die geplanten Offshore-Trassen veranschlagt. usw. Wie könnte man schöner Steuergelder ausgeben; es ist doch eine Freude wie das brennt.

Gerhard Sponsel Lemvig / 26.01.2014

Ich rede da gar nicht so drum herum: Ich bin ein Kapitalist ! Übrigens, nur bei den Kapitalisten geht es den Armen gut !

Waldemar Undig / 26.01.2014

Wie erkläre ich denn meinem Kumpel, dem es nicht gut geht, der aber seinen Lebensunterhalt mit Ach und Krach selbst verdient, der von einem Staat träumt, der den bösen Kapitalisten das Handwerk legt, der die Linke wählt und an Ufos glaubt etc., wie erkläre ich ihm denn, dass Freiheit wichtiger ist als Sicherheit? Kann man sich denn wirklich Freiheit herbeisehnen, wenn man unter so großer Existenzangst leidet? Und ich glaube, dass außer meinem Kumpel ganz viele Menschen in diesem Land unter Existenzangst leiden, vielleicht ist sie sogar unsere Nationalkrankheit.

Manfred Haferburg / 26.01.2014

Das Haftungspostulat sollte auch für die Politikerkaste gelten. Wer mutwillig für eine total verpfuschte Energiewende Zwanzigtausenhd Millionen pro Jahr! verbrennt, sollte dafür haften.

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