Wolfgang Röhl / 16.02.2009 / 10:12 / 0 / Seite ausdrucken

Gudrun Eussner: Ein “Tatort” vom Öko-Hof

Ich wollte ja nie mehr nix verlauten lassen und einfach das Programm wechseln oder den Ferni ausschalten, auch meinem Schaf habe ich verboten, dazu ein Geblöke abzugeben, aber mein Ärger ist doch zu groß. Schon wieder gibt´s einen Krimi, der sich um den Kommissar dreht und nicht um ´ne spannende Jagd eben dieses Gesetzeshüters und seines Teams nach dem Mörder. Ein Musterbeispiel solcher verfehlten Story ist beispielsweise der Tatort Die Blume des Bösen, mit Max Ballauf und Freddy Schenk.

Diesmal ist der Tatort vom Hessischen Rundfunk, wie Hohn ist sein Titel Neuland, das Buch ist von Bernd Lange. Charlotte Sänger, die Kollegin des Fritz Dellwo, ist “auf Weiterbildung”, so fällt ein Schauspielerhonorar weg, und die Geschichte wird überhaupt erst möglich. Es geht um Beziehungskisten des Kommissars Fritz Dellwo zu seiner alten Liebschaft Katrin und dieser zu ihrem Ehemann Jens. Vor Jahren waren Katrin und Dellwo ein Paar, und Dellwo ist Jakobs Patenonkel. Jakob ist der 14-jährige Sohn, es gibt noch die sechsjährige Frieda, für traurige Kinderaugen ist gesorgt, ein Blick in die Bildergalerie gibt den Vorgeschmack. Kommissar Fritz Dellwo hat auch Händel mit den Bauern des Ortes, die Bauern Martin, Gerti Plauer, Lenne und Stefan Kruppka meinen es nicht gut mit dem Kommissar. Der ist gleichzeitig Ermittler, Beteiligter, Opfer.

Ikke ha de Neese pleng!

Anders Christian Buss, von der TAZ, der sich vor Begeisterung nicht einkriegt, ein kleines Wunder ist dieser “Tatort”, und der allen Ernstes meint, die Struktur eines klassischen Western zu erkennen. Besonders aber gefällt ihm die Kapitalismuskritik: Der Kommissar aus Frankfurt leistet Amtshilfe und wird bei seinen Untersuchungen mit dem mächtigen Expansionstrieb des Schweine- und Rinder-Tycoons Plauer konfrontiert, der den Bauern der Gegend ihre Höfe abzuluchsen versucht. Diesmal ist es nicht eine Firma wie der Agrarkonzern Monsanto, der in einer Wiederholung vom Sommer 2004 in Münster seine häßliche Fratze hinter dem genveränderten Mais zeigt, auch keine Pharmaindustrie, die schnöde des Gewinnes wegen Sicherheitsbedenken über Bord wirft und Menschenleben zu verantworten hat, Hauptsache die Kasse klingelt, sondern der Buhmann ist ein Schweine- und Rinder-Tycoon, gegen den es anzukämpfen heißt.

Grausam genau werden die Macht- und Aggressionsströme im sommerlich aufgeheizten Mini-Kosmos nachgezeichnet - und ganz unaufdringlich mit aktueller globaler Politik verbunden. Dass Großunternehmer Plauer den Bauern so leicht ihre Grundstücke abnehmen kann, hat einen simplen Grund: Die meisten verschuldeten sich heillos, als sie ihre Höfe nach EU-Norm in Ökobetriebe verwandeln wollten.

Dem Publikum ist die Indoktrination der öffentlich-rechtlichen Anstalt einmal mehr auch im Tatort sicher, außer um- oder ausschalten gibt es kein Entrinnen. Anschließend waltet die Sozialkundelehrerin der Nation Anne Will - politisch denken, persönlich fragen, zum Thema Pflegenotstand - Angehörige überfordert, Politik machtlos?

Im ZDF gibt es derweil Die Hochzeitsreise nach Florida, Kreuzfahrt ins Glück, ´ne Sendung für Senioren, oder sollte solche Schnulze wirklich von unserer hoffnungsvollen Jugend konsumiert werden? Der nächste vielversprechende Tatort im Ersten, mit Frank Thiel und Prof. Karl-Friedrich Boerne aus Münster, ist weit, erst am 22. März 2009 fahren welche zur Hölle, ein Bankier ist ermordet worden, Prof. Boerne muß sein Golfturnier abbrechen, obgleich er im Begriff ist zu gewinnen, ruft Kommissar Frank Thiel, und “Alberich” ist auch wieder mit von der Partie.

Der ZDF-Familienfilm ungesehen verstrichen, die Geschichten des heute-Journals von Marietta Slomka mit den im Internet verfügbaren Informationen abgeglichen, könnte frau sich auf den Krimi Das Mordkomplott, aus Großbritannien freuen, es beginnt um 22 Uhr, aber es endet um 23:35 Uhr und überschneidet sich um fünf Minuten mit dem Beginn der 37. Folge der Fernsehkrimiserie Der Kommissar, im 3sat.

Solches interessiert die Programmverantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht die Bohne. Was hat die ARD mit dem ZDF zu schaffen? Entweder diese oder jene! Es könnte ja jeder kommen und Ansprüche stellen. Neulich hat mir ein Leserbriefbeantworter der ARD auf meinen Vorwurf, die Wiederholungen guter alter Filme wären erstens immer dieselben, und zweitens überschnitten sich die Tatort-Wiederholungen, entweder käme keiner und am anderen Abend auf zwei oder drei Regionalsendern verschiedene, daß die ARD dazu gar nicht könne, eine Abstimmung fände nicht statt, die Regionalsender planten ihre Programme selbständig, und da könnte ja jeder kommen, die Gartenliebhaber müßten mit sich überschneidenden Gartensendungen leben und mancher andere mit seinen jeweiligen Lieblingssendungen.

Die mit Milliarden Euro finanzierten Sender sind nicht in der Lage und nicht willens, miteinander zu vereinbaren, daß jeweils an einem Abend der Woche die Wiederholung eines Tatortes oder Polizeirufs 110 gesendet wird, und was die Wiederholungen angeht, so sind es bei mehr als 700 Tatort-Krimis doch immer dieselben, die wiederholt werden. Die Einfallslosigkeit der Programmplaner wird von unseren Gebühren bezahlt.

Wer dennoch nicht frustriert zurückbleiben will, hofft auf Wilsberg, es dürfen gern auch Wiederholungen sein, hofft auf alte und uralte Alte, hofft auf Derrick, von Folge 1 bis zur letzten Folge, auf Stahlnetz, so wie es jetzt mit Kommissar Keller, dem Kommsissar, im 3sat läuft. Seit Wochen freue ich mich auf Sonntagabend, immer so um 23 Uhr herum, letzte Woche gab´s den Tod eines Ladenbesitzers, heute läuft Folge 37 von 97 der längst zum Kult gewordenen Fernsehkrimiserie, sie befaßt sich mit einer Tat auf der anderen Seite der Straße.

Es versteht sich, daß niemand in den Rundfunkanstalten hinterfragt, warum die Krimiserien Stahlnetz, Der Kommissar, Derrick, Der Alte, zu Kultfilmen geworden sind. Ein Blick auf die Drehbuchautoren und die Regisseure, und frau platzt vor Neid. Die nächsten Stahlnetz-Krimis werden am 14. März 2009 auf RBB ausgestrahlt.

Diese gut gemachte, spannende Unterhaltung, von der auf der österreichischen Krimi Homepage noch mehr dokumentiert ist, entschädigt einen für den Schrott, der heutzutage produziert wird. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine dieser Ausnahmen ist der Fall für zwei, mit Dr. Markus Lessing und Josef Matula, der heißt Pißpott, ist aber im Gegensatz zu den meisten heutigen Krimis keiner.

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