Wolfram Weimer / 02.09.2012 / 10:54 / 0 / Seite ausdrucken

Gipfeltreffen der Geldbeschaffer

Die Chefs der Notenbanken treffen sich in Jackson Hole. Was früher ein Treffen solider Stabilitätsexperten war ist heute ein Gipfeltreffen der Geldbeschaffer. Die Zentralbanker sollen den Schuldenrausch der Politik finanzieren und gehen immer größere Risiken ein.

Jackson Hole ist ein entlegenes Tal in den hohen Bergen Wyomings. Bisons, Elche, Wapiti-Hirsche und auch Grizzlybären fühlen sich da noch wohl wie in guten alten Zeiten. Notenbanker ebenfalls. Alljährlich treffen sie sich am Fuße der Rocky Mountains, um über die globale Geldpolitik zu beraten. Doch wie in guten alten Zeiten ist bei ihnen gar nichts mehr. Denn seit dem Ausbruch der Schuldenkrise stolpern die Zentralbanken von einer Krisenpanikrettungsaktion zur nächsten. Weil die Politik der westlichen Staaten nicht in der Lage ist, endlich solide Staatsfinanzen zu organisieren, geraten die Notenbanken in die Rolle der Geldfeuerwehr. Die Regierungen zwingen sie zusehends dazu, die Geldspritzen einfach laufen zu lassen - und immer größere Schläuche herbeizuschaffen. Mit jedem Monat gehen die Geldhüter dabei höhere Risiken ein und geben ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit nach dem anderen auf.

Jackson Hole wirkt darum diesmal wie das Gipfeltreffen der Sünder. Vor zwei Jahren hatte just dort der US-Zentralbankpräsident, Ben Bernanke, einen berüchtigten Auftritt. Er kündigte mit technokratischen Worten das zweite, milliardenschwere Anleihekaufprogramm an, das Amerikas schwächelnde Konjunktur retten sollte. Die Bernanke-Rede gilt seither als Blaupause für alle Verfechter einer enthemmten Politik des leichten Geldes. Mit insgesamt zwei Billionen Dollar flutete die Fed schließlich die Kapitalmärkte, die Notenbank kaufte – entgegen aller Grundsätze einer soliden, unabhängigen Zentralbank – gigantische Summen der Staatsschulden einfach selber auf. “Quantitative Easing” nannten sie dieses Prinzip, was eine verniedlichende Umschreibung der Tatsache ist, das fehlende Staatsgeld einfach selbst zu drucken. Vor allem in Europa wollen sich nun auch viele nach dem Jackson-Hole-Modell raus “easen”.

Nun wird erwartet, dass Jackson Hole die dritte Runde der “Lockerungsübungen” einläutet. Denn selbst die zwei Billionen haben die amerikanische Wirtschaft kaum ins Laufen gebracht. Dabei sind die Risiken dieser Geldschwemmenstrategie unübersehbar: Die Staatsverschuldung steigt unaufhörlich weiter, das Vertrauen in das Geldsystem wankt und die neuen Geldmengen bauen ein gewaltiges Inflationsrisiko für die Zukunft auf. Zugleich führen sie zu wilden Verwerfungen an Rohstoff- und Geldmärkten – und trotzdem wird die Sünde von Jackson Hole munter wiederholt.

Die Notenbanker machen sich mit dieser Politik zusehends zu willfährigen Handlangern der Politik. Es ist wie in Faust II beim Befehl des Kaisers: “Ich habe satt das ewige Wie und Wenn. Es fehlt an Geld: nun gut, so schaff es denn!” Und so beschaffen sie der Politik das Geld, das nicht mehr da ist. In immer hastigeren, immer gewaltigeren “Programmen”. Kurzum: Die globale Geldschöpfung eskaliert.
 
Da die bisherigen Programme der “quantitativen Lockerung” keine größere Inflation ausgelöst hat, werden die Notenbanken verführt, sich immer weiter locker vorzuwagen. Das Problem mit der aufgestauten Inflation aber ist das der Ketchup-Flasche. Man kann lange schütteln, und nichts passiert. Doch irgendwann kommt alles auf einmal. Deutschland hat das 1922/23 durchgemacht. Anfangs druckte die Reichsbank massiv Geld, doch es tat sich nichts. Dann kam es zu einem schlagartigen Vertrauensverlust, der in Hyperinflation und Währungsreform endete. Weite Teile der Bevölkerung verarmten. In Jackson Hole hantieren sie nun mit den größten Ketchupflaschen der Geschichte. Und sie schütteln nach Kräften.

Zuerst erschienen auf Handelsblatt-Online

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