Stefan Frank
Dass eine Kacke am Dampfen ist, lässt sich nicht mehr leugnen, wenn auch Elmar Brok sie riecht. Der CDU-Europaabgeordnete, bekannt dafür, immer der Letzte zu sein, der etwas merkt, sagt jetzt im Hinblick auf die fehlende Sicherung der EU-Außengrenze: “Mazedonien macht den Job, den eigentlich Griechenland machen sollte. Dies ist nicht akzeptabel, und Griechenland könnte bald innerhalb des Schengenraums isoliert werden, wenn es so weitermacht.”
Innerhalb! Nach dem Willen Broks soll Griechenland also nicht raus – wie die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner noch vor ein paar Tagen vorgeschlagen hatte –, sondern sich innerhalb des Schengenraums in eine Ecke zurückziehen. Die Idee muss Brok beim Essen in Straßburg gekommen sein, denn so verfahren die Austern: Kommt ein Stück Dreck in das Innere des Klappgehäuses, wird dieses in einer Art Wundheilungsprogramm mit Perlmutt ummantelt, so dass es dem restlichen Schengenraum nicht mehr schaden kann. Die Auster treibt einen wahnwitzigen Aufwand, der an EU-Rettungsprogramme erinnert. Eine Perle kommt bei diesen aber nie heraus.
Athen: „Werden Europa mit Flüchtlingen überfluten“
Muss man sich über die Berufseuropäer nicht wundern, dass sie jetzt anfangen, Griechenlands Shuttleservice für Migranten „nicht akzeptabel“ zu finden? Auf einmal? Es war im Februar 2015, also vor einem Jahr, dass die griechische Regierung ankündigte, Europa mit „Flüchtlingen“ „überfluten“ zu wollen.
Ja: überfluten. Der griechische Vizeinnenminister Giannis Panousis sagte: „Wir werden 300.000 Immigranten Reisepapiere ausstellen und damit Europa überfluten.“ (1) Und Verteidigungsminister Panos Kammenos drohte, wie Zeitungen seinerzeit berichteten (2), damit, „Zehntausende Flüchtlinge in andere EU-Staaten weiterzuschicken, darunter eventuell auch Mitglieder der IS-Terrormiliz, wenn Europa Athen in der Schuldenfrage nicht entgegenkomme“.
Das sorgte im Februar 2015 für Empörung. Doch als die griechische Regierung dann ihren Worten Taten folgen ließ und Hunderttausende von muslimischen Migranten Richtung Deutschland schickte – unter ihnen, wie von Athen angekündigt, auch Terroristen des Islamischen Staates, wie wir seit den Pariser Anschlägen vom 13. November wissen –, war in den deutschen Medien plötzlich von der griechischen Regierung und ihrem vorab verkündeten Plan keine Rede mehr. Man hofft, scheint es, dass er in Vergessenheit geraten ist.
Das Fass ohne Boden
Timeo Danaos et dona ferentes: Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen, heißt es bei Vergil. Ja, es stimmt, den Griechen verdanken wir Geschenke wie die Demokratie, die Philosophie, die Mathematik und den Ouzo. Aber sie haben eben auch Dinge erfunden, die Geißeln des heutigen Europa sind: das Chaos, das Labyrinth, den Zirkelschluss, die Tragödie, die Furien, die Ideologie, die niemals endende Irrfahrt (Odyssee) und die Idiotie, um nur einige zu nennen.
Vor allem aber hätten die Europäer es als Warnung auffassen sollen, wie verbreitet in der griechischen Mythologie ein bestimmtes Motiv ist: das der vergeblichen Mühe, des nutzlosen Aufwands, der sinnlosen Aufgabe, die bis in alle Ewigkeit fortgesetzt werden muss, obwohl man dem Ziel, wie jeder sehen kann, niemals näher kommt. Heute arbeitet die ganze EU nach diesem Prinzip, aber es waren die Griechen, die sich das ausgedacht haben.
Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet in der griechischen Mythologie das Danaidenfass auftaucht, besser bekannt als das Fass ohne Boden. Die Danaiden waren die 50 Töchter des Königs Danaos, von denen 49 auf Befehl ihres Vaters in der Brautnacht ihre Männer ermordeten. In der Unterwelt mussten sie zur Strafe Wasser in ein durchlöchertes Fass füllen. Durchlöchertes Fass, Griechenland, na, fällt der Groschen? Ähnlich ergeht es Sisyphos, einem typisch griechischen Unternehmer, und von den Tantalosqualen wollen wir gar nicht erst reden.
Das trojanische Pferd
Doch nicht nur für absurden Zeitvertreib sind die Griechen bekannt, sondern auch für ihre List. Nachdem sie die Mauern Trojas zehn Jahre lang nicht überwinden konnten, hat Odysseus eine Idee: Die Griechen bauen ein hölzernes Pferd, in dem sich einige ihrer Kämpfer verstecken. Die Trojaner sind so dumm und rollen es in die Stadt. Laokoon erkennt als einziger den Betrug. Damit er seine naiven Mitbürger nicht warnen kann, schickt Athene zwei Schlangen, die ihn erwürgen – das antike Pendant zu ARD und ZDF. Nachts steigen die Kämpfer aus ihrem Pferd aus und öffnen Trojas Stadttor für das Heer der illegalen Einwanderer. Trojas Schicksal ist besiegelt.
Was lehrt uns die griechische Klassik? Man hätte die Rachedrohungen aus Athen ernst nehmen müssen; stattdessen verhallten sie ungehört wie Cassandrarufe. Jetzt steht Europa vor einem Scherbenhaufen – noch so einer griechischen Erfindung.
(1) http://www.sueddeutsche.de/politik/medienbericht-griechischer-regierungspolitiker-droht-europa-mit-fluechtlingswelle-1.2370297
(2) http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/thema_nt/article138218357/Griechische-Drohung-mit-Fluechtlingen-sorgt-fuer-Empoerung.html