Wir haben eindeutig zu wenig Gesetze in Deutschland, zu wenig Verbote, zu wenig Ämter und Behörden, die deren Einhaltung überwachen, zu wenig Kontrollmeldeverfahren, zu wenig Ausweispapiere, Berechtigungsscheine und Feinstaubplaketten. Daher sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, möglichst abwegige und unpraktikable Vorschläge zu machen, wie man sich das Leben hierzulande noch weiter und noch mehr vergällen und verunmöglichen kann. Hier zum Beispiel ist einer: der Elternführerschein – ein salopper Ausdruck für staatliche Genehmigung zum Kinderkriegen und -haben.
Der Elternführerschein soll Leute, die nicht fähig sind, Kinder zu versorgen und zu erziehen, daran hindern, es trotzdem zu probieren. Denn wenn sie es trotzdem probieren, dann bekommen sie für jedes mißhandelte Kind einen Punkt im Schlechte-Eltern-Zentralregister, und ab einer gewissen Punktezahl wird man ihnen untersagen, ihre Kinder weiter zu mißhandeln, und wenn sie nun trotzdem weitere Kinder mißhandeln oder gar umbringen, dann ist das voll illegal.
Darauf hätte man schon früher kommen können: Die ganzen Mißstände, von denen die Zeitungen so voll sind, das ganze Elend, das in irgendwelchen Wohnungen herrscht – man muß es nur verbieten. Der Elternführerschein ist eine Erlaubnis, und wer Erlaubnis sagt, meint eigentlich Verbot. Warum wird nicht auch die zwischenmenschliche Misere, der Geschlechterkampf, die Mißachtung zwischen Mann und Frau, schlicht und einfach verboten? Wie wär’s mit einem Beziehungsführerschein?
Überhaupt könnte das Lizenzwesen auf etliche Bereiche, die sich bis jetzt noch nicht einmal Politiker haben träumen lassen, ausgeweitet werden: Am Horizont der Denkbarkeit erscheinen Führerscheine fürs Fernsehen, fürs Telefonieren und überhaupt fürs Reden – vom Glossenschreiben ganz zu schweigen. Doch die längsten Warteschlangen werden sich ohne Zweifel vor der Elternzulassungsstelle bilden, denn im Unterschied zu irgendwelchen kulturellen Äußerungsformen ist das Kinderhaben eine aller Staatlichkeit prinzipiell entzogene Lebenstatsache. Und im Unterschied zu Autoführerscheinen gilt beim Leben: die Prüfung ist bereits der Ernstfall. Oder noch präziser: nur der Ernstfall ist die Prüfung.