Manfred Haferburg / 15.02.2017 / 10:44 / Foto: Kuli / 24 / Seite ausdrucken

Ein Risikoforscher erfindet die Relativitätstheorie neu

Relativieren war gestern. Wenn Sie mal einen Tsunami von  Relativierung und von Küchenpsychologie vermischt mit Fake-News lesen wollen, dann finden Sie das hier. Der Risikoforscher Professor Ortwin Renn bindet uns darin mehrere Eisbären auf, zum Beispiel, dass im Märkischen Wald seit hundert Jahren niemand mehr umgekommen ist - weil es dort keine Bären mehr gibt. Überhaupt wird, anders als im Märchen, in Deutschland niemand mehr im tiefen Wald umgebracht. Wie aber ist es im nahen Stadtpark?

Und vom tiefen Wald geht’s direkt über in die irrationale Flüchtlingsangst der Deutschen. Da weiß Ortwin Renn zu berichten:

Hinzu kommt, dass Dinge wie Übergriffe sehr stark in den Medien herausgestellt werden. Auf dem Oktoberfest gibt es seit Jahren genauso viele Übergriffe wie beim Kölner Neujahrsfest. Aber weil das dann plötzlich arabische Ausländer waren, ist es ein großes Thema geworden“.

Das wusste ich auch noch nicht, dass die Bayern die alte Tradition des „Taharrush Gamea“ pflegen. Beim Oktoberfest feiern mehr als fünf Millionen Menschen 15 Tage lang. Hier die Zahlen aus dem Oktoberfest 2015: Es wurden 31 Sexualstraftaten angezeigt, 18 Tatverdächtige konnten ermittelt werden, davon 2 mit deutscher Staatsangehörigkeit und 18 Ausländer (davon sechs Asylbewerber). Silvester 2015 waren auf Domplatte in Köln schätzungsweise 10.000 Besucher, davon über 1.000 Nordafrikaner. Die Straftaten: 1.276 mutmaßliche Opfer, 497 davon Opfer von Sexualdelikten. Und weiter geht’s mit dem flottem Relativieren:

„In Deutschland gibt es 4300 Weihnachtsmärkte. Die Wahrscheinlichkeit, auf dem Weg dorthin von einem Auto überfahren zu werden, ist zehn Mal so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlags zu werden“.

Die Statistik, dass der Weg zum Weihnachtsmarkt mit Verkehrstoten gepflastert ist, kannte ich auch noch nicht. Fazit der Aussage des Risikoforschers: Ihr Weihnachtsmarktopfer, nun habt Euch mal nicht so. Alles ist relativ, in Nizza war es noch viel schlimmer mit den Verkehrstoten, und das war nicht mal beim Weihnachtsmarkt.

Und wie soll der deutsche Angstbürger jetzt seine irrationalen Ängste überwinden und wieder zum freudigen Willkommensbürger werden? Professor Ortwin Renn weiß Rat:

Es hilft zum Beispiel, sich die Kriminalstatistik anzuschauen. Es gibt zwar bestimmte Delikte, bei denen vermehrt Ausländer beteiligt sind, aber das sind häufig Dinge wie Bandenkriminalität“. Bandenkriminalität ist ja nun wirklich banal, da braucht man keine Angst zu haben.

„Auch kann ich, wenn ich beispielsweise alleine nachts Angst habe, eine Taschenlampe mitnehmen oder eine Alarmsirene in die Tasche packen. Beides gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich kann zudem bestimmte Plätze meiden – aber man sollte sich immer fragen, ob es das wert ist“.

Ich würde hinzufügen, dass neben der Taschenlampe auch immer eine Blockflöte und eine Kopie des Weihnachtsliedes „Schneeglöckchen, Weissröckchen“ mitgeführt werden sollte. Und Plätze wie Bahnhöfe, U-Bahnen, Stadtparks oder ganze Stadtteile kann man ja ohne Probleme meiden - wenn es das wert ist.

Und jetzt kommt das epochemachende Tier- und menschen-psychologische Manifest des FOCUS-Online-Experten Ortwin Renn:

Wenn in der freien Wildbahn drei Mal eine Hyäne eines meiner Familienmitglieder getötet hat, ist es durchaus sinnvoll, Angst vor Hyänen zu haben. Aber Menschen funktionieren eben anders als Tiere. Tierisches Verhalten wird überwiegend von angeborenen Instinkten gesteuert und die Variationsbreite an individuellen Verhaltensweisen ist klein. Eisbären fressen nun mal Menschen, wenn sie ihnen habhaft werden können, so putzig sie auch aussehen mögen. Das tun mehr oder weniger alle hungrigen Eisbären. Da reicht die Erfahrung mit zwei Eisbären aus, um Aussagen über ihr kollektives Verhalten machen zu können. Das ist bei Menschen völlig anders: hier sind biologische Merkmale keine guten Indikatoren für Verhalten und die Bandbreite individuellen Verhaltens streut erheblich zwischen den Menschen“.

Wow, wer hätte das gedacht? Wie jetzt? Zwei Eisbären fressen putzige Menschen, wenn sie „ihnen“ habhaft werden können, aber bei Menschen ist das völlig anders?

„Viele fragen sich: „Wie kann ich nur so böse Vorurteile haben? … Ich kann mich aber über diese sich mir aufdrängenden Assoziationen hinwegsetzen. Wenn ich weiß, dass meine Gedanken natürlicher, biologischer Herkunft sind, ist es leichter, damit umzugehen. Wir müssen uns nicht kasteien, aber wir müssen die Gedanken auch nicht ausleben, sondern können uns aktiv dagegen einsetzen, sie sinnvoll neu auslegen“.

Woher weiß Ortwin Renn denn, was sich „Viele fragen“. Waren die alle bei ihm, ihre gedanklichen Sünden beichten? Und nach der Absolution durch Ortwin legen sie ihre Gedanken sinnvoll neu aus wie ein Tarot Spiel, nur ohne Vorurteile?

Und dann folgt eine Breitseite gegen die flüchtlingsfeindliche Berichterstattung der deutschen Medien:

Medien haben durchaus die Aufgabe über Ungewöhnliches zu berichten. 'Hund beißt Briefträger' interessiert niemanden. Aber 'Briefträger beißt Hund' ist eine spannende Meldung, auch wenn es umgekehrt tausende Mal geschehen ist. Man muss die Menschen darauf hinweisen, dass singuläre Ereignisse in Zeitungen kein Indiz dafür sind, dass sie häufig geschehen. Eigentlich ganz im Gegenteil. Medien können hier helfen, dass die Menschen Dinge richtig einordnen können. Wir sollten alle kritischer gegenüber Wahrnehmungsschwächen werden“.

Hier zeigt sich eine mir bisher völlig entgangene Schwäche der medialen Berichterstattung, die ein wahrnehmungsstarker Professor natürlich sofort bemerkt. Die Medien berichten nicht, wenn ein Deutscher einen Flüchtling beißt, weil das niemanden interessiert obwohl es tausende Male geschieht. Aber wenn ein Flüchtling einen Deutschen beißt, wird breit berichtet - nur vergessen die Medien immer darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Einzelfall - oder wie es im vornehmen Risikoforscher-Deutsch heißt: „ein singuläres Ereignis“ – handelt? Der depperte Angstbürger mit seiner Wahrnehmungsschwäche kann das nach der professoralen Meinung nicht einordnen. Das können nämlich nur ausgebildete Risikoforscher.

Irgendwie kommt mir der Name Professor Ortwin Renn bekannt vor. Ach ja, er war Mitglied der von Frau Merkel eingesetzten Ethikkommission zur „Zukunft der Energieversorgung“ und somit einer der Urväter unserer tollen Energiewende. Na dann verstehe ich auch die Argumentation eines Professors auf Claudia Roth Niveau.

Manfred Haferburg schrieb den Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

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Leserpost

netiquette:

MATTHIAS Haus / 15.02.2017

Danke Herr Haferburg ,wie immer toll geschrieben. Traurig für dieses Land so einen Schwachkopf als Professor zu bezeichnen. Man kann nur staunen und so Menschen ignorieren.

Udo Kemmerling / 15.02.2017

Ich muß das mal so ausdrücken, denn es geht nicht anders: Wie wird so ein Schwachkopf Professor?

Patrik Zimmer / 15.02.2017

Der Anstand verbietet es mir, meine Gedanken gehenüber Herrn Professor Renn hier niederzuschreiben. Aber: Wie kann ein normal denkender Mensch solch abstruse Thesen und Behauptungen aufstellen? Was motiviert einen Menschen die Wahrheit in einer solchen Art und Weise zu ignorieren? Was bewegt jemanden dazu, Fakten zu verleugnen? Was will dieser Mann damit erreichen? ICH VERSTEHE ES NICHT! Diese Fragen damit zu beantworten, dass es Herrn Renn an Informationen über die aktuelle Lage in unserem Land fehlt oder das es sich um eine ideologische Verblendung handelt, denke ich, das greift zu kurz. Meiner Meinung nach ist es pure Dummheit in Verbindung mit der Leugnung von Tatsachen. Hartes Urteil meinerseits,  aber ich versuche nur die Welt zu verstehen und Dinge einzuordnen.

H.Baumann / 67 / Rentner / 15.02.2017

Wo hat sich der Mann promoviert, wer hat ihn zum Prof. gemacht ? Das ist ein echter Renner.

Bertram Scharpf / 15.02.2017

Mit dem IQ hätte er auch Justizminister werden können.

Karl Renz / 15.02.2017

Das Beispiel mit den Bären im Wald ist allerdings gut. Denn es macht einen grundsätzlichen Unterschied ob es da Bären gibt, auch sehr wenige, oder gar nicht. Genau das ist hier passiert, plötzlich gibt es wieder die Räuber und Vergewaltiger die aus dem Busch springen, es ist egal wie wahrscheinlich das ist. Vorher gab es das eben nicht mehr. In Spitzbergen muss jeder ein Gewehr bedienen können und führen, obwohl es da auch sehr wenige Angriffe gibt. Aber das Risiko schwebt im Raum und verändert grundsätzlich das Leben. Scheinbar kann man heute gut davon leben diese ignoranten, überheblichen Phrasen abzusondern, wenn sie politisch genehm sind. Die Risiken haben sich in bestimmten Gegenden real erhöht. Wenn man alles in eine Topf schmeißt und ein bisschen die Statistik frisiert sieht das natürlich anders aus.  

Rainer Wittmann / 15.02.2017

Der Artikel zeigt in hervorragender Weise die Richtigkeit der These von Noam Chomsky - Buch: “Media Control - auf: Die Intellektuellen einer Gesellschaft sollten die “Verantwortung” haben, die Wahrheit zu ergründen, zu sagen und Lügen aufzudecken. Für die Intellektuellen in unserem gesellschaftlichen Umfeld ist das jedoch nicht mehr gültig. Denn - so Chomsky - die historische Erfahrung zeigt, daß Intellektuelle ihren privilegierten Status nicht für das Sagen der Wahrheit nutzen, sondern vielmehr ihre Fähigkeiten in den Dienst für die Interessen und die Privilegien der Machtelite stellen. Man kann das auch einfach mit der Erkenntnis eines - ich weiß nicht, wie lange schon - bekannten, deutschen Sprichwortes illustrieren: “Wes Brot ich eß, des Lied ich sing!”

Wolfgang R. Weichselgärtner / 15.02.2017

Aber Herr Haferburg, wer Wissenschaftlicher Direktor eines Institutes mit der Bezeichnung “IASS Potsdam Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. ” der darf nicht nur so reden, der muss das wohl. Vielleicht sind Advanced Sustainability Studies auch mehr etwas künstlerisch (oder eher künstlich)  Kreatives und damit methodisch völlig anders als “normale Wissenschaft”. Einfach nur peinlich!!!

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