Maxeiner & Miersch / 14.07.2013 / 10:22 / 4 / Seite ausdrucken

Dodo-Ökonomie

Die Dronte, bekannter unter der englischen Bezeichnung Dodo, war ein stattlicher Vogel von etwa 20 Kilogramm Gewicht, der ausschließlich auf den Inseln Mauritius und Réunion im indischen Ozean vorkam. Dort ging es ihm so gut, dass er mit der Zeit das Fliegen verlerne. Warum sollte er sich noch in die Lüfte erheben? Er hatte keine Feinde und konnte sich bequem mit Früchten versorgen.

Doch dann passierte etwas, womit der friedliche Vogel nicht gerechnet hatte. Seefahrer landeten und betrachteten den Dodo als willkommenes Proviant.  Obendrein brachten die Schiffe Ratten und Schweine mit, welche sich über die Dodo-Eier hermachten. Ende des 17. Jahrhunderts starb der Vogel aus. In der Sprache der Ökonomen könnte man sagen, dass er unfähig war, sich auf plötzlich veränderte Rahmenbedingungen einzustellen.

Und damit kommen wir vom Dodo zu Deutschland. Auch uns geht es gut, sehr gut sogar. Und auch wir glauben offensichtlich, dass wir auf einer sicheren Insel leben. Das erklärt zum Beispiel die luxuriöse „Energiewende“. Gleichsam im Alleingang wollen die Deutschen auf erneuerbare Energien umstellen, koste es was es wolle. Milliarden werden dem Bürger dafür aus der Tasche gezogen und anschließend verbrannt, ohne dass auch nur ansatzweise erkennbar ist, dass die Sache nachhaltig funktionieren könnte.

Der neuste Hit ist die Idee, Bürgern ihren Widerstand gegen neue Stromleitungen abzukaufen, indem man ihnen für eine Beteiligung am Stromnetz Traumrenditen bietet. Bezahlt wird das Ganze wie immer von anderen Bürgern, die im Übrigen jetzt schon unter explodierenden Strompreisen leiden. Von der Industrie ganz zu schweigen, energieintensive Branchen investieren lieber woanders.

Und jetzt auch noch das: Wie einst der Dodo werden die energiegewendeten Deutschen von einer Änderung der Rahmenbedingungen kalt erwischt: Überall auf der Welt werden riesige Schiefergas- und Ölschiefervorräte entdeckt, in USA liegt der Gaspreis inzwischen um zwei Drittel unter dem hiesigen. Dumm gelaufen, denn die ohnehin umstrittenen Wirtschaftlichkeits-Berechnungen für die Energiewende basierten auf der felsenfesten Annahme, dass fossile Energien immer knapper und immer teurer würden. Nun ist das Gegenteil der Fall. Und Deutschland muss sich entscheiden: Zum Dodo werden oder wieder Fliegen lernen.

Erschienen in DIE WELT am 12.07.2013

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Leserpost

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Andreas Bickel / 15.07.2013

Selbst wenn die Klimapropheten recht behalten, ist nur unsere Energiewende Unfug. Mit mangelhafter Kosten-Nutzen-Effizienz ist die noch euphemistisch beschrieben. Falls sich das Klima tatsächlich zu unserem Nachteil verändern sollte (was wir mit der Energiewende wohl kaum aufhalten werden), werden wir uns wünschen, wir könnten die in der Energiewende versenkten Mittel für Anpassungsmaßnahmen ausgeben.

Helmut Erb / 14.07.2013

Der Prototyp der neuen Höchstspannungsleitung, die unter Bürgerbeteiligung gebaut und als „Bürgerleitung“ verniedlicht werden soll, ist an der Westküste Schleswig-Holsteins geplant. Ministerpräsident, Bundesumweltminister und Landesenergiewendeminister haben öffentlich erklärt, dass es bei der Bürgerbeteiligung nicht darum geht, die Bürger zu kaufen. Vielmehr sollte das Einverständnis dadurch erreicht werden, dass den individuellen Nachteilen ein individueller Vorteil, nämlich Rendite, zur Seite gestellt würde.  Der Netzbetreiber Tennet hat mehrfach betont, dass es nicht um Kapitalbeschaffung geht. Die paar Kröten beschafft man sich locker auf dem Markt. Inzwischen melden die Regionalzeitungen, dass die Bürger sich gar nicht über den Tisch ziehen lassen wollen. Und Tennet hat festgestellt, dass das Zusammenkratzen von Kleckerbeträgen hohe Mehrkosten verursachen wird, die selbstverständlich auch den Stromkunden in Rechnung gestellt werden sollen. So segelt das Narrenschiff weiter. Bei der nächsten Wahl könnten die Bürger entscheiden. Pech nur, dass ausschließlich Dodos im Angebot sind.

Helmut Driesel / 14.07.2013

Wenn wir jetzt am Beginn der nächsten Eiszeit stehen, ist diese Polemik richtig. Wenn dagegen die Klimapropheten recht behalten, ist es der blanke Unfug. Und wenn die Wahrheit dazwischen liegt, dann müsste man sich fragen, welchen Sinn Texte haben, die zur Hälfte aus Unfug und Angstmache bestehen?

Thomas Rießinger / 14.07.2013

“Und Deutschland muss sich entscheiden: Zum Dodo werden oder wieder Fliegen lernen.” Es ist ziemlich klar, was passieren wird. Wir werden zum Dodo und machen die böse Welt dafür verantwortlich, dass sie unserem Vorbild nicht gefolgt ist. Wieder fliegen lernen dürfen wir nicht - vermutlich wegen unserer besonderen Vergangenheit oder wegen der Klimarettung oder wegen der europäischen Integration.

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