Es gibt einen beliebten Witz unter Bauchtänzerinnen: Wie heißt Kuhstall auf Arabisch? Mubarak!
Es ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, seit ich mit meiner Bauchtanzlehrerin nach Ägypten reiste. Den Tahrir-Platz, den man im chaotischen Zentrum von Kairo immer als Orientierungshilfe nehmen musste, wenn man sich nicht verlaufen wollte, erkenne ich im TV jedenfalls noch mühelos wieder. Seitdem hat sich viel verändert. Im schönen Land am Nil gelten Bauchtänzerinnen zwar immer noch als Huren; noch immer sind etwa neunzig Prozent der Ägypterinnen genital verstümmelt, aber damals gab es kaum Kopftuchträgerinnen in Kairo. Vom Niqab, der schwarzen Ganzkörperverhüllung, die nur noch einen Schlitz für die Augen frei lässt, ganz zu schweigen. Und der Mubarakwitz wird demnächst seine Aktualität einbüßen.
Unsere ägyptische Tanzgroßmeisterin ist im Kairo der Sechziger Jahren aufgewachsen, als die Ägypterinnen noch Miniröcke trugen und Kopftücher höchstens bei den Fellachinnen zu finden waren. Daher beschimpfte sie ständig auf offener Straße Kopftuchmädchen und rannte für morgenländische Verhältnisse fast nackt herum – in Shorts und Trägertop. Da sie eine sehr schöne Frau war, fielen ihr die ägyptischen Männer beinahe ohnmächtig in den Ausschnitt. Das war 1988.
Heute werden Diskussionen darüber geführt, ob an deutschen Behörden Burkas getragen werden dürfen und in der Hamburger Morgenpost waren letzte Woche vier voll verschleierte Figuren zu sehen mit der Überschrift: Ägyptische Studentinnen – ganz modern und dennoch tief religiös. Wie beliebt? Woher wissen die Morgenpost-Redakteure, dass unter den schwarzen Säcken wirklich ägyptische Studentinnen stecken und nicht etwa pakistanische Briefträger oder holländische Prostituierte? Und, noch wunderlicher, woher wissen sie, dass diese obendrein ganz modern sind? Weil sie Handy und I-Pad bedienen können und auf ihrer Facebookseite zu lesen ist, dass ihre größten Vorbilder Hassan Al Banna und Sayid Qutb sind?
Auch Amira El Ahl weiß in der Welt am Sonntag zu berichten, dass der Schleier nicht so schlimm und auch irgendwie keine Form der Unterdrückung ist, denn in der großen Mehrheit trügen Ägypterinnen ihn ja freiwillig als Ausdruck ihrer Religion. Nun könnten wir natürlich alle erleichtert aufatmen, wenn die Religiosität der Ägypter sich nicht auch noch anderweitig ausdrücken würde: Die überwältigende Mehrheit befürwortet laut Pew-Research-Center Steinigungen für Ehebruch, Amputationen für Diebstahl und Todesstrafe bei Apostasie.
Sogar zum Karrierevehikel kann der Schleier werden - vorausgesetzt, Frau entscheidet sich für eine Karriere bei den Moslemschwestern: „Es gibt eine große Anzahl an Frauen in der Muslimbruderschaft, die politisch und sozial sehr engagiert sind. Ihre Religion hindert diese Frauen nicht daran, sich zum Beispiel bei Parlamentswahlen als Kandidatinnen aufstellen zu lassen.“ Das lässt das Herz einer jeden aufrechten Feministin höher schlagen.
Zu guter Letzt aber erwähnt Amira El Ahl auch die Ägypterin, die als erste wagte den Schleier abzulegen, die berühmte Frauenrechtlerin Hoda Shaarawi. Das läßt die interessierte Leserin doch etwas ratlos zurück. Also, wie jetzt? Ablegen oder anlegen, oder was? Falls es doch das Ablegen sein soll, fürchte ich, dass die Ägypterinnen wieder ganz von vorn anfangen können …