Maxeiner & Miersch / 25.08.2013 / 12:35 / 3 / Seite ausdrucken

Deutschlands weißer Elefant

In der Sprache der Entwicklungshelfer werden gescheiterte technische Großprojekte gerne „weiße Elefanten“ genannt. Der Name geht auf einen alten Brauch in Siam zurück. Dort galten seltene Albino-Elefanten als exquisites Geschenk, das den Beschenkten wegen der hohen Unterhaltskosten später ruinierte. Genauso wie mancher unsinnige Staudamm, Flughafen oder Brückenbau, der im Nirgendwo als Investitionsruine endeten. Es gibt ein Buch über solche weißen Elefanten, das der Historiker Dirk van Laak vor über zehn Jahren veröffentlichte. Er beschreibt darin die Charakteristik politisch gewollter Großprojekte - von der französischen Concorde bis zum schnellen Brüter in Kalkar - und warum sie so oft schief gehen.

In einem Kapitel geht es um die für solche Vorhaben typische „Rethorik der Größe“. Es würde stets „ein Zeichen gesetzt für etwas Zukünftiges und nie Dagewesenes“. Bei der Bevölkerung müsse „Begeisterung“ als „potentielle Energiequelle“ geweckt werden. Und er fragt: „Ist einmal ein solch gigantischer Plan in der Welt und scheinen maßgebliche Kräfte zu seiner Unterstützung bereit zu sein - wer mag sich einem solchen Projekt entziehen, dessen gesamte Konnotation auf ‚Gemeinschaftsdienlichkeit’ abzielt?“

Das Argument einer „Verantwortung für die Nachwelt“ wegen der Gigantisches geleistet werden müsse, sei gleichfalls charakteristisch für weiße Elefanten. Dabei werden die künftigen Generationen beschworen und behauptet, man sollte einem historischen Wandel nachhelfen, der angeblich sowieso anstehe.

Wir mussten bei der erneuten Lektüre des Buches spontan an Dutzende sich sinnlos in der Nordsee drehende Großwindräder denken, die nicht angeschlossen werden können. Als einzig potenzielle Energiequelle bleibt da die Begeisterung. Die Energiewende-Rhetorik entpuppt sich überhaupt als überaus charakteristisch für einen weißen Elefanten. Umweltminister Altmaier spricht von einer „Menschheitsaufgabe“ und einem „Generationenprojekt“. Gerne weist er seine Zuhörer auch darauf hin, die Energiewende sei „so wichtig wie der Neuaufbau nach dem Krieg.“ Das Ziehen solcher historischer Parallelen und der Verweis auf die Kosten der Weltkriege ist laut Historiker Dirk van Laak, ein sicheres Indiz dafür, dass man es mit einem weißen Elefanten zu tun hat.

Erschienen in DIE WELT am 23.08.2013

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Walter Franke / 27.08.2013

.....ein “Jahrhundertprojekt”, war der von Mappus gerne gehebelte Superlativ zur Rechtfertigung von Stuttgart 21. Jahrhundertschuldenprojekt,..... wäre sicher präziser formuliert gewesen. Um das nicht so deutlich aussprechen zu müssen hatte man ja die Kosten kleingeschummelt. Oder, ich denke an die Berliner und ihr mangelndes Bewußtsein für jüngere, lebensrettende Historie, Tempelhof. Oder war es, statt mangelndem Vorstellungsvermögen für gutes Stadtmarketing, doch nur geschürter Sozialneid via Volksabstimmung, dass der weg mußte? Wie viele bedeutende Zentren und Metropolen dieser Welt, hatte man mehr als nur einen Flughafen. Und dann beinahe überhaupt keinen mehr.

Dieter Schilling / 25.08.2013

“Verantwortung für die Nachwelt” Groucho Marx wurde bei irgendeiner Gelegenheit darauf hingewiesen,er solle doch bei seinem Tun bitteschön mal auch an die Nachwelt denken. Seine Antwort: “Wieso? Denkt die Nachwelt etwa an mich?”

Markus Freuler / 25.08.2013

Irgendwie kommt einem da auch Desertec in den Sinn. Hei was wäre das ein Spass, wenn Europas Energieversorgung darauf jetzt angewiesen wäre. Da könnten wir den arabischen Frühling tagtäglich mittels verdorbener Lebensmittel im Kühlschrank miterleben.

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