Fred Viebahn / 08.05.2010 / 14:54 / 0 / Seite ausdrucken

Den Bock zum Gärtner machen…

Der Vorteil, eine Tochter zu haben, die neuerdings für die feministische amerikanische Zeitschrift “Ms. Magazine” schreibt, ist, daß mir plötzlich alle möglichen hauptsächlich Frauen betreffenden Ungeheuerlichkeiten auf den Bildschirm flattern, die von den “Mainstream”-Medien nicht oder wenig beachtet werden. Dabei sollte es einen kaum wundern, daß die frischbackensten maskulinen Frechheiten mal wieder vom iranischen Mullahregime und seinem weltlichen Mordbuben Ahmadineschad kommen, nur daß es diesmal keine “inneren Angelegenheiten” wie Steinigungen verliebter Teenager oder die Erdbebenwichserei eines durchgeknallten Ajatollah sind.

Die Vereinten Nationen haben schon öfters kollektives Talent bewiesen, den Bock zum Gärtner zu machen, und so kam’s, daß am 23. April der Iran in die UN-Kommission zum Status der Frauen gewählt wurde. Verständlicherweise löste diese atemberaubende Sensibilitätsleistung meist männlicher Völkerverbindungsmimen unter Feministinnen weltweit—jedenfalls in Gesellschaften, wo sie sich offen äußern dürfen—einen Sturm der Entrüstung aus. In den Wind geschlagen hatten die UN einen offenen Brief iranischer und anderer Frauenrechtlerinnen, in dem sie gegen die Kandidatur eines Staates protestierten, wo ihre Geschlechtsgenossinnen “verhaftet, geschlagen und dafür eingesperrt werden, daß sie sich friedlich für die Änderung diskriminierender Gesetze einsetzen”, in den Wind geschlagen auch die Warnung, daß die iranische Regierung die Mitgliedschaft in der Frauenrechtskommission sicherlich dazu mißbrauchen werde, Fortschritte in der Gleichberechtigung von Frauen zu hintertreiben, in den Wind geschlagen eine separate Petition der feministischen Organisation Gender Equality, die darauf hinwies, iranische Regimekritiker hätten physische und psychische Gewalt durch Verhaftungen, Folter, Vergewaltigungen, Gefängnis und Hinrichtungen zu erleiden.

Ach, wie unrecht sie dem Allahstaat doch tun, diese verderbten Verkennerinnen der iranischen Reinheit—da konnte der oberste Holocaustleugner und Atomrüstungstreiber natürlich nicht lange schweigen. So verkündete er vergangenen Mittwoch laut der indischen Zeitschrift “The Hindu”, Frauen und Mädchen im Westen, vor allem in Europa, besäßen “keine Würde”, wohingegen Frauenrechte in seinem Lande hohen Respekt genössen. Die Frau sei ein Symbol der Schönheit Gottes auf Erden, sagte der bärtige A. mit Ohren, und gerade deshalb würde das persische Gottesreich niemals dem 1979 von der UNO-Vollversammlung verabschiedeten und seitdem von 185 Staaten ratifizierten “Abkommen zur Eliminierung jedweder Frauendiskriminierung” (CEDAW—Convention to Eliminate All Discrimination Against Women) zustimmen, einem, wie Achmadingsbums meint, “Basiskriterium, das zur Zerstörung der Frauen führt”. (Am Rande: Warum die USA als einziges westliches Industrieland dieser internationalen Absichtserklärung ebenfalls nicht zugestimmt hat—denn mehr als eine Absichtserklärung kann trotz “Bindungskraft”-Getöne so eine Vereinbarung ja nicht sein—ist allerdings verwunderlicher als der wenig überraschende islamistische Chauvinismus des Iran.)

Der Iran hatte sich zunächst um einen Sitz beim UN Human Rights Council beworben, die Bewerbung jedoch zurückgezogen (vielleicht, weil der Menschenrechterat bereits von genügend Menschenrechtsverletzern unterwandert ist?), um sich stattdessen in die Frauenrechtekommission wählen zu lassen, wo’s noch mit einigem westlichen Feministinnenunfug aufzuräumen gilt, wie vorige Woche mal wieder ein oberster Stiefellecker des Regimes klarstellte, der Teheraner Polizeichef Hossein Sajedinia, als er ein scharfes Durchgreifen gegen iranische Frauen ankündigte, die sich von der Sonne haben bräunen lassen. Laut der Londoner Tageszeitung Telegraph schnauzte er: “Die Öffentlichkeit erwartet von uns, daß wir hart und schnell agieren, wenn wir soziales Fehlverhalten bei Frauen und Männern sehen, die sich unseren islamischen Werten widersetzen. In einigen Gegenden von Nordteheran kann man viele sonnengebräunte Frauen und junge Mädchen sehen, die wie Mannequins daherlaufen. Wir werden diese Situation nicht mehr tolerieren und diejenigen, die sich so verhalten, zuerst warnen und dann verhaften und ins Gefängnis stecken.” Und schon vor der Gärtnerwahl des Bocks hatte der Direktor des iranischen Staatsfernsehens,  Ezatollah Zarghami, markig erklärt, daß Frauen vor der Kamera kein Make-up mehr tragen dürften. In einem Zeitungsinterview behauptete der Mann: “Make-up bei Frauen ist illegal und verstößt gegen Sharia-Gesetze.”

Jetzt müssen wir nur noch gespannt sein, wie weit verhüllt die UN-Frauendelegierte aus Teheran sein wird, wenn sie bei ihrer ersten Kommissionssitzung auftaucht. Sicherlich ein ungeschminktes “Symbol der Schönheit Gottes auf Erden”, bis oben zugeknöpft, doch das Kopftuch, wette ich, nur so tief, daß sie den Gleichberechtigungsschlampen des Westens genügend Stirn bieten kann, sollten die sich unterstehen, Auspeitschungen,  Verstümmelungen und Steinigungen in den fundamentalistischen Imperien des Koran zu bekritteln.

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