Den NDR-„Tatort“ vom letzten Sonntag, in dem zwei Frauen in ein und dieselbe Badewanne pinkeln (darunter leider auch die von mir sehr geschätzte Maria Furtwängler), habe ich mir nicht angetan. Es hat vielleicht mit zunehmendem Alter zu tun, aber mein Geschmack an „Feuchtgebieten“ und „Bitterfotzen“ ist nicht sehr ausgeprägt. Hätte den Krimi aber vielleicht doch gucken sollen, denn er hat jetzt ein interessantes Nachspiel. Der niedersächsische Verfassungsschutz-Chef Günther Heiß hat heute einen Brief an Frau Furtwängler geschrieben, in dem er sich über die „völlig unrealistische Darstellung des Verfassungsschutzes“ in der Tatort-Folge beklagt…
Dort entließe ein Verfassungsschützer eigenmächtig eine Mörderin in die Freiheit und ließe Polizeitelefone abhören. Dadurch entstünde ein völlig falsches Bild von der Arbeit des Verfassungsschutzes in der Öffentlichkeit. Heiß hat die Schauspielerin und den Drehbuchautor eingeladen, sich mal in seiner Behörde ein realistisches Bild zu machen. Die werden begeistert sein.
Nun ja. Man könnte sagen, ein Krimi ist ein Krimi ist ein Krimi, was soll´s? Dass bestimmte Gruppen im Fernsehen fast immer grotesk verzerrt dargestellt werden, hat Tradition. Es juckt auch keinen Polizisten, Arzt oder Pharmaforscher mehr sonderlich, wenn er in TV-Filmen als Krimineller, Betrüger oder über Leichen marschierender Wissenschaftsirrer dargestellt wird. Wer hat je einen sympathischen Unternehmer auf dem Schirm gesehen? Journalisten sind durchweg eine dämlich-kreischende Meute, die anständigen Menschen zwecks Rufmord auflauert, oder die Schreiberlinge nutzen die Ergebnisse ihrer Recherchen für Erpressungen. Nebbich.
Es ist aber doch aufschlussreich für den Zustand der Krimifiktion, wie feige und opportunistisch mit Stoffen umgegangen wird. Die gängigen Bösewichte entstammen ja nahezu sämtlich bestimmten Milieus, die sowieso in Generalverschiss sind. Menschen vom Dorf sind wahlweise debil oder verschlagen, hinter der suburbanen Heile-Welt-Fassade lauert stets häusliche Gewalt, wer eine Firma betreibt, ist bestimmt auf dem Rutsch in die Pleite, weshalb er sich das Sanierungsgeld mit der Knarre verschafft. Und Schlapphüte jedweder Couleurs sind immer in finstere Machenschaften verstrickt.
Noch nie aber habe ich einen Krimi aus dem Milieu profitgieriger Windkraftindustrieller gesehen, obwohl die Realität dafür die schönsten Vorgaben liefert. Großbetreiber von subventionierten Kindertagesstätten, die unter dem sozialen Mäntelchen einen dicken Reibach machen, schaffen es nie in den deutschen Fernsehkrimi, höchstens ins „Hamburger Abendblatt“. Die illegalen Methoden eines GEZ-Eintreibers (dargestellt von Claude Oliver Rudolph): ein chancenloser Stoff. Und auf eine richtig ätzende Satire – Unterhaltung muss ja nicht immer Krimi heißen – darüber, was hinter den Kulissen von Polit-Talkshows so abgeht, werden wir lange warten müssen. Erst recht auf eine darüber, wie im Staatsfernsehen Politik mit Personalien gemacht wird.
Was den „Tatort“ betrifft, so meldete das „Hamburger Abendblatt“ heute online: „Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) als verantwortlicher ARD-Sender wehrte sich gegen die Kritik mit dem Hinweis, der „Tatort“ habe fast neun Millionen Zuschauer gehabt.“
Hätte auch von „Bild“ kommen können.