Wahied Wahdat-Hagh / 03.04.2012 / 20:39 / 0 / Seite ausdrucken

10.000 Tage im Gefängnis

Am 1. April 2012 waren die sieben führenden Bahai insgesamt 10.000 Tage in den berüchtigten iranischen Gefängnissen Gohardascht, Qarchak und in Evin. Sie sind Bahai, Angehörige einer im Iran unterdrückten Religion, und das ist Grund genug, sie zu inhaftieren.

Aus diesem Anlass hat die Kampagne „United4Iran“ am Sonntag, dem 1. April weltweit Aktionen zur Verteidigung von Gefangenen, die aus Gewissensgründen in Haft sitzen, durchgeführt. Die Aktionen fanden in zwölf Weltstädten (Berlin, Amsterdam, Brasilia, Johannesburg, Pretoria, Cape Town, London, Paris, Sydney, Washington, Wellington und New Delhi) statt. In Berlin haben einige Menschenrechtler an einer Fahrradaktion teilgenommen. Auf einem Plakat war ein Foto von den sieben Bahai abgebildet. Darauf war zu lesen: „Freiheit für die Bahai. Gefangene aus Gewissensgründen in Iran. Wegen ihrer Religion zu 20 Jahren Haft verurteilt. 1. April 2012: 10.000 Tage unschuldig in Haft.“ In den Gesichtern der abgebildeten Bahai-Gefangenen wurden Hunderte kleine Fotos von anderen politischen Gefangenen abgebildet, Fotos von Schriftstellern, Anwälten, Gewerkschaftlern, Studenten, Frauenaktivistinnen, religiösen Persönlichkeiten und Führern der politischen Opposition des Iran.

Einige Bahai haben auch einen offenen Brief an den Bundesaußenminister Guido Westerwelle geschrieben und darin betont, dass die inhaftierte informelle Führung der über 300.000 Bahai im Iran unschuldig sei und sich lediglich um die notwendigsten religiösen und sozialen Belange ihrer Mitglieder gekümmert habe. Weiterhin heißt es in dem offenen Brief: „Selbst ihr Anwalt, der Preisträger des Nürnberger Menschenrechtspreises 2009, Abdolfattah Soltani, wurde unlängst zu einer 18-jährigen Haftstrafe verurteilt!“

Die Verfasser des Schreibens an Westerwelle sind besorgt, dass „die vielen weiteren Gefangenen aus Gewissensgründen im Iran von der internationalen Staatengemeinschaft vergessen werden“. Allzu oft sei der Iran mit seinem Nukleardossier ein Thema von Politik und Medien gewesen, die Menschenrechtsverletzungen würden aber kaum die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Die Verfasser des Briefes befürchten ferner, dass „Kritik in den Gremien der Vereinten Nationen oder in Gesprächen mit iranischen Offiziellen nicht mehr genügt“. Schon lange habe die iranische Regierung jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

In dem Schreiben wird auch an Romeo Dallaire erinnert, einen kanadischen Senator, der während des Völkermords im Jahr 1994 Kommandant der UN-Friedenstruppen in Ruanda war und von einem „ideologischen Genozid“ im Iran spricht. Dazu heißt es in dem Schreiben: „In den letzten Jahren hat die iranische Regierung hierzu systematisch alle notwendigen Vorbereitungen getroffen: enge elektronische Überwachungen, Aufstachelungen zum Hass, gezielte Schläge gegen einzelne Bahai und ihre Einrichtungen, um Angst und Schrecken zu verbreiten.“

Sarah Shourd, die gemeinsam mit zwei Freunden im Juli 2009 an der irakisch-iranischen Grenze bei einer Wanderung festgenommen wurde, gehört zu den Unterstützern der Menschenrechtskampagne. Bei ihrer Rückkehr in die USA im September 2010 entschloss sie sich, sich für die politischen Gefangenen im Iran einzusetzen. Sarah Shourd lernte im iranischen Gefängnis Fariba Kamalabadi kennen. Shourd schreibt: „Ich wurde gemeinsam mit Frau Kamalabadi mit verbundenen Augen in das Gefängnis-Krankenhaus geführt. Sie streichelte voller Liebe meine Schultern und bedauerte mit einem Lächeln, dass ich in Einzelhaft bin. Dann stellte sie sich vor.“

Als Shourd gegen eine Kaution von 500.000 US-Dollar freigelassen wurde und in die USA zurückkehrte, informierte sie sich über die Lage der Bahai in Iran. Sie beschloss, sich für alle politischen Gefangenen einzusetzen, die aus Gewissensgründen in iranischen Gefängnissen einsitzen, gleich, ob sie aus rein religiösen Überzeugungen oder anderen politischen Gründen als Andersdenkende inhaftiert wurden. Shourd fordert die Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran und sagt über die verhafteten Bahai: „Sie werden lediglich wegen ihrer religiösen Überzeugung festgehalten. Sie sind im Gefängnis, weil sie die Bürgerrechte und das Recht auf Studium der Bahai verteidigen.“

Wahied Wahdat-Hagh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der European Foundation for Democracy (EFD) in Brüssel.

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