Wahied Wahdat-Hagh / 30.08.2013 / 09:02 / 2 / Seite ausdrucken

Iran: Das Maul und alle Optionen offen

Die „Einmischung der überregionalen und ausländischen Mächte“ werde „in der Region nur das Feuer entfachen“, droht der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei anlässlich der Debatte über einen Militärschlag gegen das syrische Regime auf seiner offiziellen Website. Dies sagte Khamenei am 28. August bei einem Treffen mit der neuen iranischen Regierung, in Anwesenheit des Präsidenten Hassan Rohani.
Khamenei sagte ferner: „Amerika hat ja in Bezug auf Syrien gedroht. Sie wollen sich einmischen. Dies wird mit Sicherheit eine Katastrophe für die Region mit sich bringen.“

Die Amerikaner hätten schon in Irak und in Afghanistan große Verluste erlitten. Die Einmischung der „überregionalen“ Mächte würde nur den „Hass der Völker“ gegen die Angreifer verstärken. Außerdem seien keine eindeutigen Vorhersagen für die Zukunft möglich. Die Region sei ein „Pulverfass“, sagt Ali Khamenei. Er hofft, dass die Region von der „Bosheit Amerikas und des Zionismus und all denjenigen, die das Übel wollen, verschont“ bleibe.

Mashreghnews propagiert am 29. August auch den möglichen Krieg und zitiert Khamenei, der gesagt habe, dass „alle Optionen für den Iran offen seien“, in Bezug eines Krieges gegen Israel.

Ähnlich argumentierte Hussein Schariatmadari, Herausgeber der Zeitung „Kayhan“, die als Sprachrohr Khameneis gilt. Schariatmadari schrieb am 28. August 2013 in der im Iran erscheinenden Kayhan und bezog sich zunächst auf einen Artikel, der in der amerikanischen Zeitschrift Forbes erschienen ist, wonach die USA im Irak mehr als 2500 Soldaten verloren haben. Der Krieg habe die USA 5000 Milliarden US-Dollar gekostet. Dabei habe man obendrein den Hauptfeind Irans, Saddam Hussein, beseitigt.

Natürlich freut sich Schariatmadari darüber und zitiert daher den saudischen Außenminister, der davon sprach, dass die USA den Irak „auf einem Silbertablett dem Iran überlassen haben“. Zudem sei sogar die CIA zu dem Ergebnis gekommen, dass der Krieg gegen den Irak „gegenteilige Effekte“ mit sich gebracht habe.

Schariatmadari schrieb, dass trotz des Stellvertreterkriegs, der von der Türkei, Katar, Jordanien und später sogar von Ägypten unter Mursi im Auftrag der USA gegen Syrien geführt werde, existiere die syrische Regierung immer noch. Zudem habe bisher der Krieg gegen Syrien den Effekt gehabt, dass neue Kräfte, die vergleichbar seien mit den iranischen Bassij-Kräften, ins Feld gezogen seien. Er nennt die Gruppe der „Defa al-Watani“, die als quasi freiwillige Einheiten die syrische Regierung verteidigen würden. Diese Gruppe habe Tausende Kämpfer.
Die Frage ist, ob diese Jihadisten tatsächlich vom Iran ausgebildet werden. Denn es ist bewiesen, dass die iranischen Revolutionsgardisten in Syrien sehr aktiv sind.

Indessen wolle „Amerika mit seinen Verbündeten die syrische Achse des Widerstands“ brechen, heißt es in dem Artikel. Schariatmadari, der persönliche Propagandist des Revolutionsführers, behauptet, dass die chemischen Waffen in Syrien von „Terroristen“ eingesetzt worden seien.
Schariatmadari setzt sich dann mit den Folgen eines Krieges gegen Syrien auseinander:

„Amerika kann einen Krieg anfangen, aber die Beendigung des Krieges ist nicht in den Händen Amerikas und seiner Verbündeten.“

Schariatmadari findet auch Gleichgesinnte bei der Zeitung „Neues Deutschland“. Diese Zeitung habe erkannt, dass Amerika nach dem Abzug aus dem Irak und Israel nach seinen Erfahrungen in Libanon gesehen haben, dass man einen Krieg nicht einfach gewinnen könne.

Schariatmadari warnt, dass im Falle eines Krieges „täglich Tausende von Raketen“ gegen Israel eingesetzt werden würden. Dann könnten auch die israelischen Abwehrsysteme nicht verhindern, dass Raketen durchkämen und Tel Aviv treffen würden.

Dies muss als Drohung verstanden werden, dass im Fall eines westlichen Militärschlags gegen das syrische Regime die Hizbollah mit ihrem vom Iran gelieferten Arsenal Israel angreift, auch wenn dieses Land sich nicht an einer Intervention beteiligt.

Propagandistisch schreibt Schariatmadari, dass die „islamische Welt endlich direkt gegen die Zionisten kämpfen wolle“. Zwar ist das Gegenteil der Fall, aber das interessiert den Demagogen nicht. Er schreibt, dass ein Angriff gegen Syrien „die goldene Chance für die muslimischen Völker ist, Israel zu umzingeln“. Allerdings muss Schariatmadari einräumen, dass Jordanien und die Türkei sich am Krieg gegen Syrien beteiligen würden. Er glaubt, dass das „islamische Erwachen“ dazu führe, dass die muslimischen Völker solche Regierungen stürzen würden.

Auch die Salafisten und andere sunnitische Gruppierungen, die er als falsche Muslime bezeichnet, müssten letztendlich ihre Waffen gegen die USA und Israel richten, sonst würden auch sie von den Massen besiegt werden. Verblendet von seiner totalitären Ideologie oder im propagandistischen Größenwahn behauptet Schariatmadari, dass das „gemeinsame amerikanisch-israelische Projekt zusammenstürzen wird.“ Daher könne man einen möglichen Angriff Amerikas und seiner Verbündeten auf Syrien als ein „gutes Omen“ sehen. Denn dann sei „das jahrlange Abwarten vorbei, um Rache zu üben“.

In einem weiteren Leitartikel, den Hussein Schariatmadari am 29. August 2013 in „Kayhan“ geschrieben hat, geht er auf die militärischen Ziele der USA in Syrien ein. Syrien habe daraufhin deutlich gemacht, dass Israel sich auf einen syrischen Angriff gefasst machen müsse.

Schariatmadari fügt hinzu, dass ein solcher Angriff gegen Israel in jedem Fall erfolgen müsse. Interessanterweise beruft sich ausgerechnet der Sprecher des Führers Khamenei auf das Kapitel 7 der UN-Charta und schreibt, dass eine militärische Antwort der syrischen Regierung als eine „legitime Verteidigung“ zu sehen sei. Für ihn sind alle Staaten, die auf der Seite der USA einen Krieg gegen Syrien unterstützen, als „bellizistisch“ einzustufen.

Somit sei eine „legitime Verteidigung“ gegen diese Staaten, d.h. ein Krieg gerechtfertigt. Eine Ausweitung des Krieges sei unabdingbar, da „legitim“. Explizit werden auch Staaten wie Saudi-Arabien, Türkei, Jordanien und Katar genannt, die Ziele eines syrischen Angriffs werden. Und natürlich würde auch „das Jerusalem besetzende Regime“, d.h. Israel, das nur eine „Militärbasis“ der USA sei, angegriffen werden.

Beispielsweise werden explizit der Flughafen von Tel Aviv und das Atomzentrum Dimona genannt. Schariatmadari meint, dass auch strategische Ziele Saudi-Arabiens wie Öltanker und die Ölindustrie angegriffen werden müssen.

Auch die libanesische Hizbollah solle aktiv werden und ihre Raketen gezielt einsetzen, schlägt Schariatmadari vor, um beispielsweise israelische Kriegsschiffe im Mittelmeer zu zerstören. Natürlich sind auch militärische Ziele in Jordanien aus der Sicht Schariatmadaris angriffswürdig, ebenso wie die US-amerikanische Marine.

Schariatmadari meint, dass Amerika eigentlich finanziell nicht in der Lage sei, einen solchen Krieg zu führen. Er schließt mit einem Zitat des verstorbenen Ayatollah Khomeini: „Starrt mit offenen Augen den Feind an und lass ihn nicht in Ruhe, denn wenn ihr ihn in Ruhe lasst, werden sie euch keinen Moment in Ruhe lassen.“

Auch andere iranische Medien rührten kräftig die Kriegstrommel mit an. Wie Bassijnews am 28. August berichtete, warnte General Hassan Firusabadi, dass im Fall eines Angriffs auf Syrien die „Zionisten vom Feuer erfasst werden“.

Der Iran verrät seine Militärstrategie für den Ernstfall nicht. Bekannt ist, dass der Iran Militärhilfe für Syrien und terroristische Organisationen wie die Hizbollah liefert. Es ist auch richtig, dass es Fraktionen und Personen in der islamistischen Diktatur des Iran gibt, die seit langer Zeit gegen eine Unterstützung des Assad-Regimes sind. Rafsanjani ist einer von ihnen. Aber die Unterstützung Assads und der libanesischen Hizbollah sowie anderer Terrororganisationen ist machtpolitisch rational, wenn auch im Fall des syrischen Regimes ideologisch inkonsequent, da die Ba’ath-Partei eigentlich antiislamistisch ist.

Möglicherweise sollen die Drohungen nur abschrecken. Doch niemand kann gegenwärtig mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Iran, dessen Truppen bereits in Syrien kämpfen, auf eine westliche Intervention nicht mit dem Versuch reagieren wird, die Lage durch Angriffe auf Staaten der Region zu eskalieren. Die iranischen Hilfstruppen der Hizbollah stehen wohl bereit, auch wenn sie viel zu verlieren haben.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.

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Leserpost

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Hans Gruner / 30.08.2013

Wer Israel wohlgesonnen ist und derzeit (aber m.E. zu Recht nur derzeit) den Iran und seine nahöstlichen Verbündeten in Gaza (und im Westjordanland?) als den Hauptfeind ansieht, und damit nach der Logik “meines Feindes Feind ist mein Freund” nun wie US Präsident Obama die Sunnitischen Widersacher des Alewitisch-Shiitischen Bündnisses unterstützt, begibt sich auf ein gefährliches Terrain. Nach einer Machtergreifung eines radikalislamischen “revolutionären” - Regimes in Syrien und dessen Sieg über ein - zwar wenig demokratisches aber für Minderheiten relativ tolerantes - System- Assad wir sich zeigen, dass es keine nennenswerte Strömung in islamischen Systemen gibt die nicht judenfeindlich wären. Besonders schlimm ist: da auch hier die primitive Regel gilt (meines Feindes Feind ist ... s.o.) haben die mit Al Kaida operierenden sog. revolutionären Kräfte sogar klammheimliche oder mehr oder weniger “offene” Verbündete unter Europas Linken.

Alexander Bertram / 30.08.2013

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