Die Deutschen müssen sich eigentlich keine Sorgen um den Nachwuchs machen. Zumindest nicht, wenn man die Anzahl der Haustiere betrachtet: In zwölf Millionen deutschen Haushalten leben insgesamt rund 23 Millionen Heimtiere, davon gut acht Millionen Katzen und weit über fünf Millionen Hunde. Die Anzahl der Kinder unter 14 Jahren erscheint mit elf Millionen dagegen gering, die unter sechs Jahren mit vier Millionen sogar verschwindend. Auf ein Kind im Vorschulalter kommen somit gut fünf Haustiere.
Hund, Katz & Co feiern diese Erfolge, obwohl eigentlich alles gegen sie spricht: Keine Tagesmütter, keine Krippenplätze, keine Anspruch auf einen Platz im Hunde- und Katzengarten, keine Vereinbarkeit mit der Berufstätigkeit, keine Ganztagsschule, keine Hunde- oder Katzengeld. Ja überhaupt keinerlei politische Flankierung, ganz im Gegenteil: Der Hund kostet sogar Steuern.
Und nicht nur das: Die Deutschen geben jährlich freiwillig etwa fünf Milliarden Euro für tierischen Bedarf aus. Da erhebt sich die Frage: Was machen Kinder bloß falsch? Sie sind verständiger (außer in der Pubertät) und nach einer gewissen Zeit auch pflegeleichter als die meisten Haustiere. Man muss ihnen keine Plastiktüte hinterher tragen, sie dürfen ohne Leine frei laufen und können in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Maulkorb mitgeführt werden. Außerdem werden sie auf breiter Front staatlich bezuschusst. Familienministerin Kristina Schröder und Sozialministerin von der Leyen denken Tag und Nacht über neue Zeugungsprämien nach – aber die Geburtenraten bleiben trotzdem im Keller.
Also irgendwas stimmt da nicht. Aber jetzt bitte keine voreiligen Schlüsse, denn die Sachlage ist unübersichtlich und hält manche Pointe bereit: Haustiere gibt es nämlich überdurchschnittlich häufig bei Familien mit Schulkindern. Wobei nicht klar ist, ob die Haustiere wegen der Kinder oder die Kinder wegen der Haustiere angeschafft wurden. Ist ja auch egal. Man leistet sich sozusagen beides. Es handelt sich offenbar um ein verstecktes Erziehungs- und Beschäftigungsprogramm, das der staatlichen Fürsorge bislang verborgen geblieben ist. Es wird also Zeit, dass die ums Kind besorgte Familienpolitik auf den Plan tritt: Weg mit der Hundesteuer und Zuschuss fürs Katzenfutter!
Erschienen in DIE WELT am 25.01.2013