Ich fordere: Fahrrad-Yoga. Seit Jahren wundere ich mich darüber, dass es das noch nicht gibt. Die Zielgruppe ist geradezu paradiesisch groß und, glaubt man Verkehrsexperten, auch noch ständig wachsend. Praktisch unendlich. Es gibt Lach- und Mitternachts-Yoga, Yoga für Kinder, mit Hula Hoop, Yoga für nackte Männer und angezogene Frauen. Aber an die Menschen, die die indischen Verrenkungen nachweislich am nötigsten hätten, denkt niemand.
Ich strebe beim Parken immer einen 1A-Platz an: leicht zugänglich, Pole Position und möglichst nicht mehr als 15 Schritte vom Zielort entfernt. Sonst könnte ich ja gleich Auto fahren und mühsam einen Parkplatz suchen. Wenn ich versuche, mein Fahrrad bei meiner Rückkehr wiederzufinden, steht es häufig in einem verkeilten Rad-Tohuwabohu. Besonders frustrierend ist die Parksituation an Bahnhöfen, aber Park & Ride wurde ja auch für die Autos erfunden und nicht für lästige Zweiräder. Ich suche also mein bescheidenes Rad und beginne mit einem fröhlichen „Omm“. Jedes Mal bin ich dankbar, dass ich Yoga mache. Hier ein kleiner herabschauender Hund, dort ein Beinahe-Drehsitz halb stehend, noch ein bisschen Steh-Kobra (kennen die Inder gar nicht!) und alsbald erreiche ich mit einer kleinen Rest-Dehnung des linken hinteren Oberschenkels das Schloss und schließe auf. Und schon kann ich mich wieder in den Großstadtverkehr einreihen. Es ist eine Freude!
Ich weiß nicht, was Menschen sich beim Entwerfen und Aufstellen von Fahrradständern denken, aber es kann nicht viel sein. Nach jahrelanger Beobachtung der Szene bin ich davon überzeugt, dass kein einziger Designer, der sich einen Radständer ausdachte, ihn auch tatsächlich im Alltag ausprobiert haben kann. Vermutlich fahren erfolgreiche Fahrradständer-Designer, denen es gelungen ist, ihre gänzlich unbrauchbaren Ständer an offensichtlich ebenso nicht-radfahrende Kunden zu verkaufen, dann doch lieber Auto. Sie wissen ja schließlich selbst am besten, was sie erwarten würde.
„Standparker“ heißen die Ständer, die, einmal platzsparend an der Wand angebracht, jeden Radfahrer zur Weißglut bringen können. So viel Yoga kann man gar nicht machen, dass einem nicht doch einmal vor Wut die Nerven entgleisen. Ein Meter Abstand von der Hauswand und schon wären alle zufrieden. Man käme ran an den Standparker und das Schloss. Dann gibt es noch die scheußlichen Modelle, die vor Geschäften herumstehen und eine Doppelfunktion als Werbeschild und haben, also die multiplizierte Hässlichkeit verkörpern. Wenn man Glück hat, sind sie nicht zugeparkt, stehen nicht direkt neben einem öffentlichen Mülleimer und Hundebesitzer haben ihre Lieblinge freundlicherweise wo anders ihr Geschäft verrichten lassen.
Von der Optik wollen wir gar nicht reden; die meisten Fahrradständer sind so hässlich, dass man vermutlich gar keine professionellen Designer bemüht hat. Sind ja nur Fahrradständer. Die müssen nicht schön, sondern nur praktisch sein. Wenn sie es wenigstens wären.
Hausverwalter entscheiden sich gern für die „Ganz-hinten-links“-Variante, bei der der Radständer an die Hauswand verbannt wird. Ganz dicht dran, damit die Nutzer ohne Yoga-Grundkenntnisse gar nicht rankommen. Sollen sie doch Auto fahren, wenn sie nicht gelenkig sind. Die „Ganz-hinten-links“-Methode nimmt wenig Platz weg, aber leider kommt man, wenn mehr als drei Mieter ihre Räder geparkt haben, dann auch nicht mehr ran an die Abschluss-Stellen. Bei mir zu Hause habe ich es aufgegeben, es gibt mindestens doppelt so viele Räder als sichere Abschließmöglichkeiten, dazu mindestens fünf Räder, die im vergangenen Sommer niemals benutzt wurden. Ich parke deshalb jetzt immer unter der Rosenpergola und schließe mein Rad am Holzbalken an. Erstaunlicherweise habe ich noch keine Beschwerde erhalten.
Die Yoga-Branche entwickelt sich in die völlig falsche Richtung. Kein Mensch braucht Hormon-, Hula- oder Mondschein-Yoga, wenn er sich beim Versuch, radelnd ins Yogastudio zu gelangen, einen Rückenwirbel verschiebt. Wann, bitte, rechnet endlich jemand die volkswirtschaftlichen Schäden aus?
Den einzigen Fahrradständer, der wirklich praktisch war, habe ich einmal vor Jahren im Vorüberfahren von einem Bus aus in Budapest gesehen. Es handelte sich um ein rundes Gerüst, das von oben betrachtet wie eine Scheibe aussah, an deren Rand in gemütlichem Abstand rund 50 Zentimeter lange Ketten angebracht waren. Am Ende der Kette konnte man, ohne jemanden zu behindern oder selbst behindert zu werden, sein Fahrrad anschließen. Tolle Idee, dachte ich mir damals, praktisch und hübsch anzusehen, bestimmt gibt’s das bald auch bei uns. Leider hat es diese Erfindung nie zu uns geschafft. Sollte der Sozialismus doch die bessere, weil rad- und rückenfreundlichere Lebensform sein? Im Sozialismus, so hört man ja oft, war nicht alles schlecht. Nur mit Yoga hatten sie es dort nicht so. Ich gehe jetzt Krähe und Kobra üben (zuerst erschienen in RADZEIT).
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de