Wolfgang Röhl / 24.10.2012 / 09:20 / 0 / Seite ausdrucken

Of Human Bondage. Eine Rückschau

Meinen ersten Bond – den ersten von allen gedrehten – sah ich in einem Flohkino meiner Kleinstadt. Es war ein sozialethisch desorientierendes Erlebnis, für einen Jungen wie mich. Bond erschießt in „Dr. No“ nämlich einen Mann, der zuvor versucht hat, Bond zu ermorden, cool aus der Lameng – obwohl der narbengesichtige Mordversucher keine Patrone mehr in der Kammer hat. Bond weiß das. Er hat die Schüsse gezählt, und er kennt die Waffe seines Gegners. Ich war damals unterhaltungsmäßig mit Karl May-Romanen und John Wayne-Western sozialisiert, da gab es so was nicht. Der Gegner musste immer eine faire Chance kriegen. Erst dann durfte man ihn – vielleicht - umlegen. Besser war noch, ihm die Knarre aus der Hand schießen und ihn dem Sheriff zu übergeben. Kurz, ich stand moralisch auf der Höhe jener guten Menschen, die heutzutage möchten, dass man somalische Piraten irgendwie einfängt und vor einen Hamburger Seegerichtshof bringt. Wo man ihnen dann einen Jahre währenden Prozess macht, welcher soviel Geld kostet, dass man damit halb Mogadischu wiederaufbauen könnte.

Trotz der anfänglichen Irritation blieb ich an Bond kleben. Zumal ich in Dr. No ein interessantes Detail an der Bikinishorts von Ursula Andress entdeckt hatte…aber das führt jetzt möglicherweise zu weit. Also, habe alle Folgen gesehen, die meisten mehrfach, beherrsche viele der berühmten schlüpfrigen oder auch eleganten Dialoge auswendig (Beispiel: Bond rettet sich in Indien vor seinen Verfolgern auf einen Ausflugsdampfer und wird von einer erstaunten englischen Lady gefragt: Sind Sie auch Tourist? Er: Nein, ich bin zum Vergnügen hier).

Um meine kindliche Freude an Action, Bummbumm und Bunga-Bunga zu kaschieren, gebe ich der Sache gern einen Überbau. Sage dann, dass es die Bond-Streifen waren, die mir Lust auf die große weite Welt gemacht haben (was stimmt, es handelte sich ja immer auch um Reisefilme). Oder, dass fünf Jahrzehnte Bond die politischen Stimmungen im Westen getreulich widerspiegeln. Was ebenfalls stimmt, man schaue sich nur den Reigen der Bond-Widersacher an. Vom sehr kalten Krieg, als die Schurken noch Mao-Anzüge trugen (gelbe Gefahr!) ging es schon bald in zarte Entspannungsgefilde. Aus dem finsteren KGB-Chef wurde ein sportlicher Gegner, der eben auch nur sein Ding abzog. Ein Hardliner auf russischer Seite, der die Welt atomisieren wollte, handelte dezidiert gegen den Willen des Kremls. And so on.

Auch die Illusionen des Westens wurden getreulich gespiegelt. Ein Bond-Film singt lustige Folklore für die wackeren Mudschaheddin im Kampf gegen die russischen Interventionstruppen in Afghanistan. Für die Vorläufer jener Leute, mit denen der Westen es bald zu tun haben würde. Später wurden verrückte Medienzaren, mörderische Weltverbesserer oder einfach bloß kriminelle Großmafiosi zu Bond-Gegnern erhoben. Immer erfand sich die Serie neu, man durfte gespannt sein.

Wer in linken Zusammenhängen unterwegs war, outete sich lange Zeit besser nicht als Bond-Fan. Obwohl ein Engländer die Bond-Figur ersonnen, ein Schotte ihr Profil gegeben hatte und der Held ein britischer Geheimdienstler war, galt die Serie als Erzprodukt des amerikanischen Lifestyle-Imperialismus. Überall verstanden, populär auf der ganzen Welt, wie McDonald´s und Coca Cola. Der in den 1970er-Jahren aufkommende Feminismus nahm Bond, James Bond, begierig als Inkarnation des gemeinen Frauenvernaschers an. Dass die Serie von Film zu Film selbstironischer und augenzwinkernder wurde, dass „starke Frauen“ darin immer mehr Raum bekamen (und zwar nicht nur als sexbesessene Badwomen, von denen nur ein rauchender Stöckelschuh übrig bleibt), dass alles konnte ein Bond-Maniac wie ich bestimmten Leuten nie vermitteln. War mir auch egal. Wer Margarethe von Trottas bleierne Produkte den bleihaltigen Bond-Episoden vorzog, besaß dafür sicher Gründe.

Seit die Serie mit dem gniefeligen, räsonnierenden Daniel Craig hauptbesetzt wurde, ist sie mir etwas fremd. Zumal mich meine Frau gegen den vorläufig letzten Bond-Darsteller aufgehetzt hat („Proll“). Da jedoch gestern der neue Bond „Skyfall“ in London Premiere hatte, ist das für mich ein klares Go-Signal. Natürlich traue ich Filmkritikern für gewöhnlich nicht. Aber jene, die Skyfall bereits sehen konnten, sind derart unisono begeistert, dass es einen doch neugierig macht. Außerdem hat der Film einen Titelsong (von Adele), der das Zeug zu einem Evergreen (wie Shirley Basseys „Goldfinger“) hat.

Hartnäckigen Bond-Verächtern empfehle ich Geduld. Christian Petzold und Dominik Graf kommen sicher schon bald mit neuen Förderkinofilmen um die Ecke. Und unsere Magarethe wird seit ihrem letzten Flop auch nicht untätig gewesen sein. Wünsche gute Unterhaltung!

 

 

 

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