So kassierte der Deutsche Bundestag die Grundrechte

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic postete in den sozialen Medien, dass der Bundestag “am 24.06.2021 etwas nach 23h beschlossen hat”, dass Grundrechte “nach der Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite” ein weiteres Jahr lang eingeschränkt werden könnnen”. Dafür stimmten 212 CDU-MdBs, 133 SPD-MdBs und 62 Bundestagsabgeordnete von Bündnis90/die Grünen.

Die Fraktionen von AfD, FDP und der Linken stimmten geschlossen dagegen.  

Bereits am Freitag, den 11. Juni, hatte der Bundestag die “epidemische Lage nationaler Tragweite” bis Anfang September verlängert. Sie erlaubt, ebenso wie der Beschluss vom 24.06.2022, dass die Bundesregierung auf dem Wege der Verordnung weiter bestimmen kann, ob und wohin wir reisen, wer uns besuchen darf, wie viele Menschen sich in einer Wohnung treffen dürfen, mit wie vielen Menschen aus wie vielen Haushalten wir uns im “Freien” treffen dürfen und und und. Das Robert-Koch-Institut hatte bereits am 1. Juni die Gefahr, die durch die Corona-Epedimie entstehe, von sehr hoch auf hoch herabgestuft. 

Grundrechte können vom Bundestag mit einfacher Mehrheit beschränkt werden

Grundrechtsbeschränkungen können mit einfacher Mehrheit vom Bundestag beschlossen werden. Schon das ist im Grunde ein Skandal. Denn zur Änderung des Grundgesetzes braucht es nicht umsonst eine Zweidrittel-Mehrheit, damit es nicht mit einfacher Mehrheit beliebig geändert werden kann. 

Dass aber das “heiligste” der Verfassung mit einfacher Mehrheit negiert werden kann, ist im Grunde ein Skandal. Denn Grundrechte heißen ja deshalb so, weil sie den freiheitlichen Rechtsstaat begründen. Und eine einfache Mehrheit heißt auch immer, dass eine einfache Minderheit dagegen ist. Und genau genommen hat jeder einzelne Mensch Anspruch darauf, dass seine Menschenrechte und seine Würde nicht durch einfachen Parlamentsbeschluss negiert werden dürfen. 

Kontrollinstanz Verfassungsgericht

Wenn ein Gesetz vom Bundestag beschlossen wird, darf es aber nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. In Bezug auf die Grundrechte muss also die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Die ist aber kein objektiver Maßstab, sondern Ermessenssache. Was der eine Richter als angemessen hält, mag die andere Richtern für überzogen halten. 

Hinzu kommt die Verfahrensdauer, ein grundsätzliches Problem der Gerichtsbarkeit. Während die Welt im Sekundentakt entscheidet, arbeiten nicht nur die Gesundheitsämter mit dem Fax-Gerät. Die Gerichte tun das auch.

Natürlich gibt es auch Eilverfahren und einstweilige Verfügungen, die Eilbedürftigkeit muss aber begründet sein. Und Richter arbeiten gerne nach dem Dreiklang: “Sind die Fristen eingehalten worden”, “Bin ich zuständig” und “Muss ich auch noch ein Urteil schreiben? Ach nee.“

Zwar haben sich die Verwaltungsgerichte anfangs der Sache angenommen, doch dem hat das Parlament mit einer Gesetzesänderung den Riegel vorgeschoben. Und dieser Riegel wurde am 24. Juni gegen 23.00 Uhr um ein Jahr verlängert. 

Wer nicht vor dem Verfassungsgericht klagen will, dem bleibt juristisch nur der Verstoß. Er hält eine der Grundrechtseinschränkungen nicht ein. Mit viel Glück wird er von den Ordnungskräften erwischt und es wird ein Bußgeld verhängt. Wenn man das nicht zahlt, landet man vor dem Verwaltungsgericht. Dort kann man die Zahlungsverweigerung wegen der mangelnden Verhältnismäßigkeit einklagen. 

Pandemie entkernt weltweit Grundrechte

Weltweit haben die Regierungen mit Blick auf die CORONA-Pandemie die Grundrechte massiv entzogen. Ernsthafter Protest regte sich nirgends. Und wer den wagte, wurde nicht mehr nur als “-Phobiker” “-Leugner” oder ”-Skeptiker” gebrandmarkt, die Kritiker selbst erfanden das neue Etikett “Querdenker”, das mittlerweile als Denunziation eingesetzt wird. Außerdem wurde dem Kritiker mit der Moralkeule begegnet: “Willst du, dass noch mehr Menschen sterben”. Die Bilder von wenigen Intensivstationen im italienischen Bergamo verbreiteten sich schneller als das Virus. Und mit ihnen die Angst. 

So wurden die parlamentarischen Kontrollmechanismen mit dem Schüren von Angst außer Kraft gesetzt, und die Medien übten sich weltweit im vorauseilendem Gehorsam in der Verbreitung derselben. 

Grundrechtseinschränkungen auf dem Verordnungswege durch die Exekutive

Durch die Feststellung der “Pandemischen Lage von nationaler Tragweite” hat sich das Parlament entrechtet. In diesem Fall kann die Bundesregierung und insbesondere der Bundesgesundheitsminister Grundrechte ohne jede parlamentarische Kontrolle einschränken. 

Die parlamentarische Kontrolle an sich mag nicht besonders wirksam sein, weil die Regierung ja zumeist die Mehrheit im Parlament hat. Aber es entsteht ein öffentlicher Diskurs durch die parlamentarische Debatte. 

Nun hat der Bundestag seine Entrechtung von der Pandemie entkoppelt und den Bundesgesundheitsminister befugt, unabhängig davon alle Grundrechte einschränken zu können. 

Dem kommt durch die bevorstehenden Wahlen eine besondere Bedeutung vor. Der 24. Juni, der Tag, an dem die “Kompetenzerweiterung” beschlossen wurde, war der letzte Tag der Sitzungswoche, und die Sitzungswoche die letzte der Legislaturperiode. Bis zum 26. September üben die Abgeordneten sich im Wahlkampf, und im Oktober konstituiert sich irgendwann der neu gewählte Bundestag. Und bis eine neue Regierung gewählt ist, bleibt die alte im Amt. Und das kann dauern. 

Denn Koalitionsverhandlungen sind langwierige Veranstaltungen. Anders als früher haben die Koalitionsverträge nämlich den Umfang von Fünf-Jahresplänen des zentralen Plankomitees der Deutschen Demokratischen Republik und legen auf die Zahl hinter dem Komma fest, was der deutsche Bundestag in der kommenden Legislatur zu beschließen hat. Wie wir aus der letzten Periode wissen, geht da schon mal fast ein Dreivierteljahr ins Land. 

So lange bleibt uns Angela Merkel als geschäftsführende Bundeskanzlerin erhalten und Jens Spahn als Gesundheitsminister auch. Da aber die Mehrheitsverhältnisse im neu gewählten und frisch konstitutierten Bundestag ungewiss sind und die Abgeordneten ohne Koalitionsbildung frei entscheiden könnten, ist nicht sicher, ob die nicht plötzlich anders entscheiden als von der geschäftsführenden Regierung gewünscht. 

Es handelt sich auch um ein demokratisches Problem. Wenn die Bürger mehrheitlich Parteien wählen, die der Ermächtigung Spahns nicht zugestimmt haben, bleibt das folgenlos. Das sind zwar nur kleine Parteien, also FDP, Linkspartei und AfD. Aber was praktisch nicht vorstellbar ist, wäre theoretisch möglich, weil Spahn Befugnisse erteilt werden, die über seine eigene demokratische Legitimation hinausgehen.

Kein Einzelfall

Es ist richtig, dass die eingefahrenen Verfahren des demokratischen Prozesses mit der Geschwindigkeit des Informationszeitalters nicht Schritt halten. Aber solange wir keine anderen praktikablen Mechanismen entwickelt haben, was wir dringend sollten, bringt uns die Missachtung der alten in eine gefährliche, ungeordnete Lage. Wenn Regeln nicht mehr funktionieren, muss man sie ändern und nicht ignorieren. 

Im Eilverfahren hat die Regierung die “Novelle” des Klimaschutzgesetzes durchgeprügelt, damit es nicht zum Gegenstand des Wahlkampfes würde. Dabei werden Rechtsnormen und Kennziffern festgeschrieben, die den Zeitrahmen jedes sozialistischen Fünf-Jahres-Planes sprengen. Ohne jede ernsthafte öffentliche Debatte. Da verkommt Demokratie zur Simulation. 

Das Schweigen der Lämmer

Früher nannte man die Hauptstadtpresse “Meute”. Heute ist sie lammfromm. Der Tabubruch aus der Nacht des 24. Juni ist bis heute keinem Medium eine Notiz wert. Hat die Journaille die neue Freiheit im Biergarten genossen? Dann wäre doch tags darauf wenigstens das Studium der Protokolle hilfreich gewesen. Auch Luksic’s Social Media Statement fand keinen Niederschlag in der Berichterstattung. Dabei ging es doch um mehr als die Verschärfung des Bußgeldkatalogs. 

Einschränkungen der Grundrechte sind Einschränkungen individueller Freiheit. Freiheit ist die Basis des Fortschritts und des Wohlstandes. Wer das nicht versteht, dem sollte bewusst sein, dass nur Wettbewerb in Freiheit neue Erkenntnisse befördert und so neue Lösungen für althergebrachte Probleme. Weil nicht nur das Wissen von wenigen am grünen Tisch, in der Regierung oder dem Parlament genutzt wird. Sondern das Wissen von jedermann steht im Wettbewerb mit dem der anderen. 

Es ist atemberaubend, wie schnell sich das Bürgertum weltweit von den Regierungen hat übertölpeln lassen und wie wenig Widerspruch sich gegen den Entzug der Eigenverantwortlichkeit und die Negierung der Aufklärung regt. Eigentlich gar keiner. Die Aushöhlung der Grundrechte auf dem Wege der Rechtsverordnung unterhöhlt unseren freiheitlichen Rechtsstaat. Es wird Zeit, sich zu wehren. 

Foto: Christian Demiegeville CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Pia Schubert / 28.06.2021

@ Herr Klaus Müller! Hier ist Delta angeblich angekommen und viele sind geimpft!!!! Die Engländer sind es auch, weil die sollen ja das Virus mitgebracht haben. Also warum nun die Delta?? Ich höre auch nichts von Ungarn, dass die so viel Covid hätten? Richtig toll was man so alles als Wahrheit verkauft bekommt. Nur leider stimmen diese Wahrheiten oft nicht. Die Deutschen müssen heute das Land verlassen, wegen dem DeltaSchei….und ich kenne welche, die haben die Spritze. Selbst diese müssen nach Hause. Warum? Ab Dienstag gibts dann wieder Gefängnis für zwei Wochen. Also können Sie sich das Zeug spritzen lassen. Sie werden nicht Frei durch die Spritze. Sie werden immer mehr Unfrei. Wirkt alles, nur den Virus den bekommen wir nicht los! Nur so zum Nachdenken!

Peter Sticherling / 28.06.2021

„Es wird Zeit, sich zu wehren“!, volle Zustimmung. Aber wie? Wie soll denn das Wehren aussehen? Ich mach da nicht mehr mit. Schön und gut. Aber alle Machtmittel befinden sich bei dem immer mehr pervertierten Staat.

Karsten Paulsen / 28.06.2021

Dazu las ich gestern ein aktuelles und sehr passendes Büchlein aus dem Verlag Antaios: Die Allianz, von Leon Wilhelm Plöcks. Meine Empfehlung.

Andreas Adler / 28.06.2021

Im Text wird gleich zweimal behauptet, es habe gegen den im Corona-Regime stattfindenden Entzug von Menschenrechten (und: das sind nicht nur “GG-Grundrechte”, das sind “Menschenrechte”!) kein ernsthafter Protest stattgefunden. Ich darf anmerken, dass ich, 54, vor 2020 an genau 1 Demonstration teilgenommen habe: 2014 gegen TTIP - seit 2020 aber an etwa 1 Dutzend Protestdemos gegen das Corona-Regime, darunter in Berlin an zwei der größten Demonstrationen seit Bestehen der BRD. Hat der Autor Kenntnis davon? Weiß der Autor, dass z.B. am 29.08. in Berlin ein Neffe von JFK eine von geschätzt Hunderttausenden bejubelte Rede gehalten hat? Kennt der Autor den von Rechtsanwälten gegründeten Corona-Ausschuss, der seit einem Jahr mithilfe internationaler Koryphäen eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführt, die den Rädelsführern und Agenten der Plandemie hoffentlich in naher Zukunft um die satanistischen Ohren fliegt? Weiß der Autor, dass regimekritische evidenzbasierte Ärzte und Wissenschaftler zunehmend medialer, staatlicher und polizeilicher Schikane und Verfolgung ausgesetzt sind? Als Beispiel seien hier nur Leute wie Schiffmann und Hockertz genannt. Die Rufschädigungskampagne gegen Wodarg und Bhakdi dürfte Ihnen aber schon bekannt sein? Immerhin. Sie sprechen von nicht wahrnehmbarem Protest? Das ist ignorant bzw. beleidigend.

Peer Munk / 28.06.2021

Es ist seit einem Jahr Zeit, sich zu wehren. Allerdings gilt “Freiheit” offenbar nicht mehr als etwas, das es lohnt, zu verteidigen. In früheren Heldengeschichten setzte der Held mutig sein Leben aufs Spiel im Kampf für die Freiheit. Im Heldenepos neuen Typs wird der Held kühn auf die Freiheit verzichten, um für die Gesundheit zu kämpfen. Wie kann man da erwarten, dass irgendwer aufsteht, nur weil sowas läppisches wie irgendein “Grundrecht” eingeschränkt wird?...

j. heini / 28.06.2021

Und die Meisten halten das für echte Sorge und machen sich keine Gedanken darüber, dass auch eine Grippe die Pandemie-Gesetze in Kraft treten lassen kann.  Über den Begriff Pandemie sind Tür und Tor recht weit geöffnet. Sie machen sich auch keine Gedanken, dass Klima die nächste Rechtfertigung für Gesetzgebung in die gleiche Richtung auslöst, wenn die Wahl erstmal durch ist. Da braucht es noch nichtmal Politiker-Sorge, denn das Bundesverfassungsgericht hat die Sorge übernommen.

Ralf.Michael / 28.06.2021

Ich habe dieser ” Demokratie ” nie getraut. Parteien . die (angeblich) den demokratischen Willen der Bürger abbilden, vielzuviele Politiker und Abgeordnete ihre Finger in allen Kassen haben und man noch nicht mal den eigenen Präsidenten wählen darf ?? Das soll eine Demokratie sen?? F**k Off !! , Das können Sie Denen erzählen, die ihre Schuhe mit Draht zugebunden haben.

lutzgerke / 28.06.2021

Ich erinnere mich sehr gut an die Jahre nach der Verfassungsänderung (Präambel, Art. 23). Die hat niemanden interessiert. Schengen hat niemanden interessiert, Maastricht hat niemanden interessiert. Auch die Vordenker konnten damit nichts anfangen. Die ganze Welt lag im Tiefschlaf bis 2004 oder 5. Und die AfD tat, wie die Tagesschau ihr sagt, werft den beliebten Chef raus und holt euch Rechtsradikale ins Boot. Damit ihr gleich wieder kentert. Hier spielt sich alles im Zwielicht ab wie beim NSU: denn mitten im Bild stehen V-Leute.

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