Wie China Japans Militär ausspäht

Japan hat zwar bei der Gefahrenabwehr im Cyberkrieg gegen China versagt, aber vielleicht hatte Chinas Spionage sogar einen positiven Nebeneffekt, denn offenbar wurde den Chinesen klar, dass zwischen den Vorstellungen der USA und Japans bezüglich der Unterstützung Taiwans kein Dissens herrscht.

Wie unlängst berichtet ist Japan bei der digitalen Entwicklung im internationalen Vergleich in Rückstand geraten. In meinem letzten Artikel (Digitale Identitäten: Scheitern in Japan – DIE ACHSE DES GUTEN. ACHGUT.COM) ging ich auf die Probleme bei der Einführung der digitalen My Number ID Card ein, die aufgrund von haarsträubendem Missmanagement in einem Chaos endete. Inzwischen wurde zwar der eng gesteckte Zeitrahmen aufgegeben, in dem die Bürger gezwungen werden sollten, so eine ID-Card zu beantragen, stattdessen wurde eine fünfjährige Übergangsfrist verkündet. Es bleibt jedoch die Frage, ob der Imageschaden und Vertrauensverlust in dieser Zeit wieder ausgeräumt werden kann. 

Diese Woche offenbarte sich nun an einem weiteren Beispiel, dass Japan auf dem Gebiet der IT-Sicherheit sehr schwach aufgestellt ist, denn es wurde aufgedeckt, dass die militärische Sicherheit Japans seit Jahren durch Hackerangriffe aus China bedroht ist.

Wie die Washington Post berichtete, hatten amerikanische Stellen bereits im Herbst 2020 (damals noch unter der Präsidentschaft Trumps) die Japaner vor chinesischen Cyberangriffen gewarnt. Die NSA hatte damals entdeckt, dass chinesische Hacker in japanischen Netzwerke eingedrungen waren und Daten über die japanische Verteidigungsbereitschaft abgriffen, Es wurden geheime Informationen über Pläne aber auch über das militärische Potential sowie über Schwachstellen der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte ausspioniert. 

Das Material, das den Chinesen dabei in die Hände fiel, soll so umfassend gewesen sein, dass die Amerikaner ernstlich besorgt waren. Der Chef der NSA flog persönlich in Begleitung eines Sicherheitsberaters aus dem Weißen Haus nach Japan, um unter größter Geheimhaltung das japanische Verteidigungsministerium zu informieren.

Die japanische Regierung, die bis dahin keine Ahnung von den Vorgängen hatte, versprach, die Sache zu prüfen und das Sicherheitsleck zu schließen. Doch in den Monaten danach geschah so gut wie nichts, die chinesischen Hacker gelangten weiter an sensible Daten.

Heruntergespieltes Sicherheitsproblem?

Davon alarmiert flog ein Jahr später neuerlich eine US-Delegation nach Japan (diesmal schon unter Bidens Präsidentschaft). Dabei stellte sich heraus, dass die Japaner den Angaben der NSA misstraut hatten, weil die Amerikaner nicht offenlegen wollten, woher sie Kenntnis von der chinesischen Spionagetätigkeit hatten, Die Japaner glaubten, die Amerikaner verfügten ebenfalls über Zugänge zu ihren Netzwerken, deshalb wollten sie nicht die Hilfe der NSA in Anspruch nehmen, sondern beauftragten ihre eigene Cybersecurityindustrie, herauszufinden, was an der chinesischen Spionage dran war. 

Schließlich nahm die japanische Regierung die Sache aber doch ernst, verzehnfachte das Budget für Cybersicherheit und schuf im Rahmen ihrer Streitkräfte 4000 neue Stellen, um die Hackerangriffe aus China zu bekämpfen. Wie weit diese Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, darüber hüllt sich die japanische Regierung bis heute in Schweigen. Am liebsten hätte sie das Sicherheitsleck weiterhin totgeschwiegen und so getan, als wäre nichts gewesen. Es war darum auch bezeichnend, dass ein amerikanisches Medium darüber erstmals berichtete und kein japanisches.

So fühlte sich der japanische Verteidigungsminister dann doch veranlasst, auf den Artikel in der Washington Post zu reagieren. Seine Stellungnahme blieb jedoch schwammig und inhaltsleer. Er bestätigte zwar die Cyberangriffe von 2020 und 2021, behauptete aber, es hätte sich nicht feststellen lassen, ob die Chinesen tatsächlich an geheime Informationen gelangt wären. Darüber, ob es Japan seitdem gelungen war, die Hackerangriffe zu unterbinden, sagte er überhaupt nichts. 

Sein Statement klang so, als ginge es ihm in erster Linie darum, den Fall zu verharmlosen und der Öffentlichkeit vorzugaukeln, ein digitales Sicherheitsleck an sich wäre noch kein Problem, eine Gefahr ginge erst davon aus, wenn nachgewiesen werden könnte, dass den Chinesen relevantes Material in die Hände gefallen wäre. Tatsächlich hätten die Amerikaner aber kaum Fachleute für Cybersecurity nach Japan geschickt, wenn es nur um ein vermutetes und nicht um ein tatsächliches Datenleck gegangen wäre. 

Im Rückblick gesehen hatte auch der japanische Premierminister Kishida schon Anfang 2023 auf verklausulierte Weise das Sicherheitsproblem bestätigt. In der Begrüßungsansprache bei einem bilateralen Treffen mit Biden hatte er geäußert: Japan und die Vereinigten Staaten wären derzeit hinsichtlich ihrer Sicherheit mit der größten Herausforderung in der jüngeren Geschichte konfrontiert. Doch Japan wäre dabei, eine neue nationale Sicherheitsstrategie zu entwickeln, um Frieden und Wohlstand zu sichern. 

Mischung aus Inkompetenz und Intransparenz

Die real existierende Gefahr einer Bedrohung durch die chinesischen Cyberangriffe hatte er damit in die Watte floskelhaften Diplomatenvokabulars verpackt. Tatsächlich wollte er damit rechtfertigen, warum er kurz vorher auf Zuruf Bidens eine militärische Aufrüstung Japans in die Wege geleitet hatte. Eine Entscheidung, die bei einem Großteil seiner Landsleute nicht gut ankam, weil sie die tatsächlichen Hintergründe nicht kannten. Kishidas Gerede von der veränderten Weltlage seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine diente nur zur Ablenkung, in Wahrheit wollte er sich das Eingeständnis sparen, dass Japan bei der Gefahrenabwehr im Cyberkrieg gegen China versagt hatte. 

Kishidas Regierung hat durch ihre Mischung aus Inkompetenz und Intransparenz in den letzten beiden Jahren sehr viel Vertrauen verspielt. Man hat den Eindruck, dass die gesamte Regierungsmannschaft vom Premierminister abwärts nur aus Schwätzern besteht, die groß in der Ankündigung von Zielen, aber unfähig in ihrer Umsetzung sind. Kein Wunder, dass die Unterstützungswerte für Kishida seit dem Debakel mit der My Number ID Card mittlerweile unter 30 Prozent gesunken sind.

Andererseits könnte es sein, dass Chinas Spionage doch einen positiven Nebeneffekt zeitigte, denn offenbar wurde den Chinesen klar, dass zwischen den Vorstellungen Amerikas und Japans bezüglich der Unterstützung Taiwans kein Dissens herrscht. Chinas Provokationen gegenüber Taiwan haben deshalb in den letzten Monaten spürbar nachgelassen. Es ging den Chinesen bei ihrer Spionagetätigkeit wohl gar nicht in erster Linie darum, die militärischen Möglichkeiten Japans für den Fall einer direkten Konfrontation auszuloten, sondern sie wollten in Erfahrung bringen, wie sich Japan an der Seite Amerikas positionieren würde, falls China tatsächlich eine Invasion in Taiwan wagen würde. 

Die Erfolgsaussichten würden davon abhängen, was Amerika unternehmen würde. Und dabei käme es wieder darauf an, wie weit es sich dabei auf das Bündnis mit Japan verlassen könnte. Würden die USA im Fall des Falles militärisch in den Konflikt eingreifen, oder Taiwan nur mit Waffenlieferungen unterstützen? In beiden Fällen wäre eine enge Kooperation mit Japan unabdingbar. 

Kishida sonderte zum Thema Taiwan nur die übliche Floskel ab, dass ein chinesischer Angriff nicht hinnehmbar wäre. Doch was Japan im Ernstfall unternehmen würde, darüber schwieg er sich aus. Man kann zwar annehmen, dass sich Japan nicht direkt militärisch engagieren, aber wirtschaftliche Sanktionen gegen China mittragen würde. Ob es bereit wäre, Taiwan unter Umständen auch Waffen zu liefern, bleibt fraglich.

Chinas Erkenntnisgewinn

Ein wichtiger Politiker der LDP (Kishidas Partei) äußerte sich vor einem halben Jahr aber konkreter zum Thema Taiwan und nahm dabei einen überraschenden Standpunkt ein. Er war der Meinung, dass in der chinesischen Argumentation einerseits hauptsächlich Propaganda stecke, die auf die eigenen Bürger wirken solle. Andererseits versuche China mit seinem Säbelrasseln auch seine Gegner zu Stellungnahmen zu nötigen. Die aufgebaute Drohkulisse diene dem Zweck, auszutesten, wie weit China gehen könnte. Ein konkreter Einmarschplan würde derzeit aber nicht verfolgt. 

Eine Einnahme Taiwans brächte China zwar große Vorteile, da die Insel in chinesischer Hand eine starke Bastion im Pazifik bilden könnte. Aber die Schwierigkeit, dieses Ziel zu erreichen, wäre größer als allgemein angenommen. Kein Vergleich mit der Situation zwischen Russland und Ukraine, wo nur eine leicht zu überschreitende Landesgrenze die beiden Staaten trennt. Als Chiang Kai-shek mit seiner Armee 1949 nach Taiwan übersetzte, wusste er, warum. Die Kommunisten würden es nicht wagen, ihn dorthin zu verfolgen. Daher müsste die Drohung, dass China tatsächlich in Taiwan einmarschieren könnte, auch heute nicht allzu ernst genommen werden. 

Die militärischen Fähigkeiten der USA hätten zwar in den letzten Jahren abgenommen, doch solange es über einen verlässlichen Bündnispartner wie Japan verfüge, würde China keine Invasion auf Taiwan wagen. Die unerwarteten Probleme der russischen Armee in der Ukraine, hätten die Gefahr eines chinesischen Angriffs auf Taiwan zusätzlich reduziert. Das Argument: „Heute die Ukraine, morgen Taiwan“, wäre nichts anderes als ein Schlagwort, die Politiker sollten lieber einen kühlen Kopf bewahren, anstatt in Hysterie zu verfallen. 

Die Gefahr eines chinesischen Scheiterns in Taiwans wäre größer als ein russisches Scheitern in der Ukraine. Da Taiwan eine sehr gebirgige Insel ist, hätte das chinesische Militär bei seinen Anlandemöglichkeiten nur eingeschränkte Optionen, gerade einmal zehn Prozent der Landesfläche wären dafür geeignet. Die Verteidigung könnte sich auf diese Küstenabschnitte konzentrieren. Taiwans Küsten sind außerdem großteils felsig, der Wellengang oft hoch und das Meer tief, was die Chancen eines Angreifers zusätzlich einschränkt.

Das positive Fazit der Spionageaffäre könnte also sein, dass es China einen Erkenntnisgewinn verschaffte, der es seine Pläne überdenken und vorläufig zurückstellen ließ. Die schwierigen geographischen Gegebenheiten sowie die Tatsache, dass die USA und Japan doch enger zusammenstehen, als es den Chinesen lieb ist, könnte China auf absehbare Zeit von einem militärischen Wagnis in Taiwan abhalten.

Foto: U.S. Department of Defense via Wikimedia Commons

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Thomin Weller / 15.08.2023

Warum sollte es in Japan anders als in Deutschland sein? Die deutsche Inkompetenz und Intransparenz, “Laut einem Discord-Leaks-Dokument, das die Washington Post von einem Freund von Jack Teixeira erhalten hat, hätte die CIA im Juni 2022 Wind von einem ukrainischen Plan gehört, Nord Stream zu sabotieren. Die CIA soll diese Informationen vor der Sabotage am 26. September 2022 an den deutschen BND weitergegeben haben, was Geheimdienstoffiziere Berichten zufolge bestätigt hätten.”

A.Schröder / 15.08.2023

Kann Deutschland nicht einfach ein Gesetz erlassen, das China das Ausspähen verbietet? Der Bundestag beschließt doch so etwas wichtiges in drei Tagen. Solange stellt sich Bärböck und Co. mit ausgestrecktem Armen* vor die Chinesen.              *ähnlich wie eine Vogelscheuche

Talman Rahmenschneider / 15.08.2023

Dr. Ralph Buitoni: Suezkrise. Kein Verlass auf Uncle Sam. Daher haben die Japaner nicht geplaudert. Sie wussten das am ehesten schon.

Talman Rahmenschneider / 15.08.2023

@ Gerd Maar: Da müssten sie aber ein Pearl Harbour in Wladiwostok veranstalten. Das werden sie kaum wagen. Außerdem würden sie rechtzeitig gesehen.

Klaus Keller / 15.08.2023

... könnte China auf absehbare Zeit von einem militärischen Wagnis in Taiwan abhalten…. Ich glaube nicht das die USA wegen Taiwan einen Krieg gegen China führen würden. Ein Szenario wie in der Ukraine ist eher wahrscheinlich. China sollte, wenn es denn Taiwan besetzen will, es eher heute als morgen tun. Die aktuellen Schwächen der NATO und damit der USA sind unverkennbar und die Zeit könnte Taiwan in die Hände spielen.

Gerd Maar / 15.08.2023

China sollte sich lieber auf die Rückforderung des Amurgebietes konzentrieren, welches ihm im 19. Jahrhundert von Russland geraubt worden ist. Dann läge China auch viel näher an Japan.

Jörg Themlitz / 15.08.2023

“Die militärischen Fähigkeiten der USA hätten zwar in den letzten Jahren abgenommen, doch solange es über einen verlässlichen Bündnispartner wie Japan verfüge, würde China keine Invasion auf Taiwan wagen.” Mit den verlässlichen Bündnispartner ist das so eine Sache und aus wessen Sicht bzw. wer darf das Prädikat verlässlich vergeben? Ein paar Stichpunkte. 1898 verpachtet China im Angesicht deutscher Kanonenboote für 99 Jahre die Provinz Schantung an das deutsche Kaiserreich. Im Versailler Vertrag, Völkerbund und so weiter, erhält nicht der kleine Bundesgenosse der USA, China, Schantung zurück, sondern Japan. Einer der 5 großen Siegermächte bei den Versailler Verhandlungen. Anfang 1930ger Japan dringt in China ein. Fordert unter anderen Dingen die USA auf Chiang Kai-shek nicht mehr zu unterstützen. Die USA unterstützt Chiang Kai-shek jahrelang (1975 gestorben), sogar noch als er in Taiwan seine Diktatur errichtet hatte, als USA unterstützter Gegenpol gegen das kommunistische China. Japan verliert im Verlauf des Krieges (Kapitulation) seinen gesamten Einfluss, Stützpunkte etc., im Pacifik. inklusive zwei Atombomben auf die japanische Zivilbevölkerung. Militärisch und für den Kriegsverlauf völlig sinnbefreit. Darüber hinaus bekommt Japan jede Menge US Stützpunkte auf sein Territorium. Wir befinden uns in einem asiatischen Jahrhundert. Die neuen “verlässlichen” Bündnisse werden interessant. Wie heißt es so schön: ´Das Haus Savoyen beendete nie einen Krieg mit dem Bündnispartner, mit dem es den Krieg begonnen hatte. Es sei denn der Krieg dauerte lange genug, um zweimal die Front zu wechseln.`

Wolfgang Schönfeldt / 15.08.2023

Die Japaner machen uns Deutschen aber auch alles nach, oder? ;-) Tauscht man in dem Artikel Japan gegen Deutschland, China gegen Russland und Taiwan gegen Ukraine aus, schon könnte das von unserer aktuelle Situation hier handeln, nicht wahr?

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