Boris Palmer, Gastautor / 12.11.2020 / 06:15 / Foto: Superbass / 143 / Seite ausdrucken

Wenn Polizisten berichten: Wie wäre es mal mit Zuhören?

Von Boris Palmer.

Die Polizei ist im Zentrum eines gesellschaftlichen Großkonflikts angekommen: Wie halten wir Sicherheit und Ordnung in einer Einwanderungsgesellschaft aufrecht? Schon die Frage wird einen Einwand provozieren: Was hat das miteinander zu tun? Das ist doch rassistisch! 

Ich rate dazu, es sich nicht so einfach zu machen. Wenn Menschen mit völlig verschiedenen Prägungen zusammenleben müssen, dann hat das ein Potenzial zur gegenseitigen Befruchtung. Viele Hochkulturen sind so entstanden. Aber es entsteht auch neue Reibung. Verschiedene Vorstellungen vom guten Leben müssen in Beziehung gesetzt und in einen minimalen Konsens eingeordnet werden. 

In unserer Gesellschaft ist das Gewaltmonopol des Staates ebenso unbestritten wie der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. In vielen Ländern, aus denen sich Einwanderung in unser Land im letzten Jahrzehnt gespeist hat, sind Selbstjustiz, Gewalt und sogar physische Unrechtsstrafen nicht gebannt. Denken wir nur an die 1.000 Peitschenhiebe für den Blogger Raif Badawi, der immer noch im Gefängnis in Saudi-Arabien einsitzt. Viele, die zu uns kommen, flüchten vor solchen Verhältnissen. Aber nicht wenige sind aus anderen Gründen gekommen und halten an den Vorstellungen fest, mit denen sie aufgewachsen sind. Deshalb entstehen neue Konflikte. 

Die Polizei spürt diese Konflikte in ganz besonderem Maße, aber nicht nur sie. Auch Rettungsdienste, Feuerwehr, Sanitäter oder Bürgermeister erfahren immer öfter unfassbare respektlose und aggressive Behandlung. Junge Männer mit Migrationshintergrund oder Fluchtbezug sind dabei nicht allein, aber dominierend. Das müssen wir ansprechen, sonst ist das Problem nicht lösbar.

Es hat viel zu lange gedauert, bis die Gesellschaft die Alltagserfahrungen der Männer und Frauen an der Sicherheitsfront zur Kenntnis genommen hat. Tania Kambouris Buch Deutschland im Blaulicht wurde zwar ein Beststeller, aber geändert hat sich nicht viel. Es ist daher gut, wenn mehr Polizisten berichten, was sie erlebt haben und wie sie darüber denken. 

Übrigens auch, weil man dann umso genauer überprüfen kann, was davon nüchterne Beschreibung realer Probleme ist und was sich eher der Wahrnehmung des Polizisten zuschreiben lässt. Natürlich kann auch diese verschoben sein. Rassistische Prägungen sind in unserer Gesellschaft anders als in den USA, aber durchaus weit verbreitet. Deshalb muss man auch die Polizei dazu befragen und sie kritisch betrachten. 

Das Buch von Norbert Zerr ist für mich ein wertvoller Diskussionsbeitrag zu einem Thema, das wir dringend angehen müssen. Man muss sich den Urteilen und Wertungen nicht anschließen. Selbstverständlich kann man den Autor und seine Thesen kritisieren. Aber man sollte sie nicht ignorieren oder pauschal abwerten, sondern als Erfahrungsbericht aus der Praxis ernst nehmen.

Bei diesem Text handelt es sich um das Vorwort von Boris Palmer zu dem Buch „Polizei im Fadenkreuz. Innere Sicherheit auf Untergangskurs“ (hier bestellbar) des pensionierten Polizei-Hauptkommissars Norbert Zerr, der einige Zeit auch CDU-Bürgermeister nahe Tuttlingen war. Achgut.com wird in den nächsten Tagen einige Auszüge aus diesem Buch veröffentlichen.

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Leserpost

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J. Heini / 12.11.2020

Ja, Zuhören u nüchternes Betrachten ist wichtig. Wir brauchen unbedingt Personen, die sich beides können u sich ausserdem nicht einschüchtern lassen. Vielleicht besser, die nicht eingeschüchtert werden können.  Das aber ist schwer. Der Betreffende ist schnell “weg vom Fenster” u zwar von allen Fenstern, wenn er Pech hat: Gsellschaftlich geschnitten, kein Job, Mobbing. “Rassistische Prägungen sind in unserer Gesellschaft anders als in den USA, aber durchaus weit verbreitet.” Starker Tobak. Wie kommt P. zu dieser Auffassung?

Steffen Rascher / 12.11.2020

Kinder an die Macht und forever Young sind die Slogans der neuen Upperclass, die das selber nicht aushalten müssen. Die haben gewunken und gesungen und sich am Ziel Ihrer Träume gesehen. Man müsste denen mal einen Urlaub in Marxloh verordnen. Es sind auch auffällige viele feminine Menschen.

Peter Ackermann / 12.11.2020

Sehr geehrter Herr Palmer, ich könnte jetzt dieses Vorwort inhaltlich zerpflücken, dass nur noch ein kleines Häufchen Konjunktive übrig bliebe. Das könnten die meisten Leser hier auf der Achse (vielleicht tun es auch einige). Deshalb meine Bitte: Verschonen Sie doch bitte diejenigen mit Ihren späten und halbherzigen Einsichten, die sich schon seit Jahren intensiv damit beschäftigten. Tragen Sie doch einfach diesen Text bei jeder Ihrer nächsten politischen und parteilichen Termine vor. Von denen haben Sie ein Mandat. Stellen Sie sich also denen. So einen laschen Text hingegen hier auf der Achse zu publizieren, ist Gratismut. Mit freundlichen Grüßen  

Adam West / 12.11.2020

Lieber Herr Palmer, vielen Dank für Ihren Diskussionsbeitrag. Ich habe hier eine Zeichenbegrenzung, weshalb ich als Nichtautor der Achse nur in knapper Form antworten kann. Sie schreiben: „Viele Hochkulturen sind so entstanden.“ Dem möchte ich entgegenhalten, dass mindestens so viele Hochkulturen daran zerbrochen sind. Es geht meiner Ansicht nach in der Migrationsfrage vor allem um das Maß, um das „wer“ und das „wieviel“.  Und zwar in beide Richtungen. Verliert eine Gesellschaft zu viele wertvolle Mitglieder durch Abwanderung, wird sie ihren Standard nicht halten und schon gar nicht verbessern können. Ist sie einer zu großen Masse an Migration ausgesetzt, kann sie nicht mehr integrieren, weil die Notwendigkeit dazu, auf der Basis staatlich alimentierter Parallelgesellschaften, für den Migranten nicht mehr erkennbar wird. Das materielle Problem ist gelöst, ausreichend soziale Kontakte können in der Muttersprache wahrgenommen werden, kulturelle Bestätigung gibt es ebenfalls aus den Werten der Herkunftsgesellschaft. Das schlimmste was einer Gesellschaft passieren kann ist der Punkt, an dem beide negativen Effekte der Migration in ungünstiger Kombination aufeinandertreffen. Eine Gesellschaft, die Akademiker aus der eigenen Kultur verliert und gleichzeitig bildungsferne Migranten aus entgegengerichteten Kulturkreisen anzieht, wird automatisch an den Punkt gelangen, an dem das System kippt. Wenn dann noch innerhalb der indigenen Bevölkerung eine Gruppe die Hoheit über den Großteil der Publikationen gewinnt, die in jeder Thematisierung des Problems bereits ein Sakrileg erkennen will, wirkt das wie ein Brandbeschleuniger. Und genau in dieser Situation befinden wir uns aktuell. Was dagegen hilft? Die Steuerung von Migration. Wenn Migration ein Mittel zur Entwicklung unserer Gesellschaft sein soll, dann müssen wir solche wählen, die der Sache dann nutzt. Ich diskutiere das aber gern ausführlicher via Mail mit Ihnen. Achgut hat ja meine Adresse.

Dietmar Richard Wagner / 12.11.2020

Nun gut, der Autor Norbert Zerr ist pensioniert. Wer gibt aktiven Polizisten politische, gesellschaftliche, berufliche Rückendeckung, wenn sie von ihren Erfahrungen berichten? Wie bringt sich da Herr Palmer ein, was über das Schreiben von wohlfeilen Vorworten hinausgeht?

Kay Ströhmer / 12.11.2020

Polizisten sind die Büttel der Politik. Darüber dürfen die Damen und Herren (und natürlich auch die Unentschlossenen) nachdenken, wenn sie mal wieder losgeschickt werden, um auf mißliebige Demonstranten einzuknüppeln.  Solange die Polizei bei der Rechtsdurchsetzung mit zweierlei Maß mißt, ist es mir wumpe, ob diese Herrschaften in irgendwelchen kulturellen Konflikten verschlissen werden.

Dov Nesher / 12.11.2020

Vielleicht stecken Politiker wie Sie Herr Palmer, Sarrazin, Maaßen, Kretschmann, Lücke, einige von der AfD, die ihre Integrität noch beeahrt haben und einige anderen- die ganzen “Outlaws” in der deutschen Parteienlandschaft ihre Köpfe zusammen und gründen eine neue Partei. Jeder hat etwas gutes beizutragen. Das Experiment AfD ist imo krachend gescheitert - trotz eines sehr vielversprechenden Beginns. Immerhin hat die AfD gezeigt, dass es nicht unmöglich ist eine neue Partei zu etablieren. Wollen Sie wirklich mit Gestalten, wie Roth, KGE, Hofreiter etc. in einem Verein stecken? Sie haben (vielleicht im Gegensatz zu Lucke damals) genug Politikerfahrung um die Klippen einer Parteiengründung zu umschiffen. Viellecht die PDV (Partei der Vernunft).

Frank Holdergrün / 12.11.2020

“Wenn Menschen mit völlig verschiedenen Prägungen zusammenleben müssen, dann hat das ein Potenzial zur gegenseitigen Befruchtung. Viele Hochkulturen sind so entstanden.” >>>>>>>>>><Wenn Sie kurz erläutern könnten, welche Hochkulturen das waren oder sind!?>>>>Die grundlegende Erforschung des Problems beginnt hier mit vergleichender Religionsanalyse. Wie wäre es, wenn in Tübingen öffentliche Lesungen aus dem Koran und den Hadith stattfänden? Sehr schnell kommen Klardenkende dann an die unfasslich harte, unverbrüchliche Glaubenskraft des Islam und die Frage, ob sich dieses Konzept, das in seinen Heimatländern Christen marginalisiert, bei uns eine Zukunft haben kann. Hier eine erste, kleine Lesung - Mohammed sagte in seiner letzten Predigt: „Die Frauen sind bei Euch wie Kriegsgefangene, die über nichts aus eigener Macht verfügen. Ihr aber habt sie von Allah zu treuen Händen erhalten, dank seinem Wort verfügt ihr über ihre Scheide. Darum seid gottesfürchtig im Umgang mit Frauen und nehmt euch ihrer im Guten an.“ Heute kommen 4 von 5 Frauen, die in deutschen Frauenhäusern Zuflucht suchen, aus dem muslimischen Kulturkreis und warum das so ist, vermittelt einfaches Lesen.

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