Ich habe auch ein Gefühl. Mein persönlicher bullshit-detector sagt mir, dass das Offenlegen des Spiegels mit vollster Absicht in die Vorweihnachtszeit gelegt worden ist. Plasberg, Illner, Will und co im Urlaub, der Durchschnittsmensch mit den Vorbereitungen für die Feiertage beschäftigt. Nach ca. einem Jahr ist die Sache eh‘ vergessen und Relotius schreibt ein Buch das den Platz 2589 der Amazon Hitliste erklimmt, macht eine „Mea culpa“ Tour bei den obengenannten und am Schluss liegen sich alle weinend in den Armen über das Glück ein Übergutmensch zu sein.
Wenn ich behaupte, 10 Jahre “nichts mitbekommen zu haben”, stellt mir vielleicht niemand unangenehme Fragen, warum ich 10 Jahre lang wider besseres Wissen und Gewissen profitabel im “Haltungssystem” mitgespielt habe?
Morenos Beitrag zur gemeinsamen Reportage mit Relotius ist kaum glaubwürdiger, zielt auf Gefühle ab und bringt keine Information, die wesentlich wäre. Aus den Massen greift Moreno ein Beispiel heraus, eine Frau, die mit Kinderwagen angeblich 3000 km überwindet um einem prügelnden Ehemann in die USA zu entrinnen. Sie landet in einem Auffanglager. Keinerlei Aufklärung über wie und warum der “Flüchtlings"ströme wird geboten. Wer steckt dahinter, wer organisiert, wie werden die Menschen, die sich auf den unsicheren Weg machen, von wem beeinflusst? Dies alles und mehr bleibt unklar. Solche “Reportagen” zu lesen, ergibt keinen Sinn.
Das ist halt das offizielle “Narrativ” der Spiegel-Spitze mit den Hauptdarstellern Moreno als Guten und Relotius als Bösen. Eine Geschichte mehr, diesmal eine Art Journalismus-Western. Dass das letztlich nur eine weitere Relotiade ist und Außenstehende dies auch sofort merken, dringt nicht in die Spiegel-Blase durch. Ja, die konstruieren sich ihre eigene Realität und ich frage mich zunehmend, wer das noch liest und glaubt. Aber, das ist ja das Problem, es lesen und glauben immer noch zu viele Leute.
Ich entsinne den zeitlichen Ablauf ebenfalls so, wie Herr Markwardt: zuerst kamen die Mails aus den USA und erst dann kam Moreno. Insofern kann Herr Moreno sonstwelche Vibrations entwickelt haben, entweder wurde er von seinen Vorgesetzten vorsätzlich geblockt oder er hat den Fake Artikel mit Relotius durchgezogen und erst reagiert, als die Sache nicht mehr haltbar war. Beides wirft kein gutes Licht auf die Affäre. Der Spiegel befindet sich jetzt in der Phase der “gnadenlosen Aufklärung”, man fragt sich unwillkürlich “und was war vorher?”, Betriebsblindes journalistisches Herumstolpern?
@ Sehr geehrter Herr Marcel Seiler: ++ Angst, gemischt mit Ärger und Wut, gelegentlich Verzweiflung, ....++ Das sind Gefühle, Reaktionen die Sie und ich und manche andere mit uns tragen, die wir erleben. Nun allerdings frage ich Sie und ich frage mich noch vielmehr, was sollen wir tun? Im stillen Kämmerlein Angst, gemischt mit Ärger und Wut, gelegentlich Verzweiflung erleben, was allerdings diejenigen in der Politik und in den Medien keineswegs stört, solange nur jeder für sich meint diesen Irrsinn nicht mehr ertragen zu können. Wohin, an wen soll ich mich wenden, um mich aktiv von Angst, gemischt mit Ärger und Wut, gelegentlich Verzweiflung zu befreien? Um meine Peiniger so zu bekämpfen, dass diese mit ihrer Vergiftung unserer Gehirne und unsere Seelen aufhören? Ich weiß es nicht. Sagen Sie es mir, bitte.
Die sog. interne Aufklärung des ganzen SPIEGEL-Skandals wird immer verlogener. Jetzt soll es also der neue Star Moreno sein, der die journalistischen Qualitäten hochhält (investigativ!) und im eigenen Laden aufräumt. Wer’s glaubt. Es ist ein Skandal, der die ganze Branche und ihr Selbstverständnis trifft. Die PRESSE aus Wien schrieb treffend: “In den vergangenen Jahren verschwand die Grenze zwischen Belletristik und Journalismus.” Die Süddeutsche klagte in ihrer letzten Ausgabe 2018 ganz furchtbar darüber, dass jetzt die eigenen Leute in der Branche wegen dieses einzigen Falls (!) den ganzen tollen westdeutschen Journalismus niedermachen würden.
Danke für diese Analyse.Die Unfähigkeit und Verblendung , letztere vielleicht sogar in besonderem Masse, der Kollegen und Vorgesetzten widerlegt m.e auch deutlich das gängige Narrativ nur Dummköpfe gingen Ideologien auf den Leim.
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