Bernd Zeller / 19.12.2011 / 08:18 / 0 / Seite ausdrucken

Vorurteile, Intoleranz und Ausgrenzung in der Herrschaftsrhetorik

Der gefühlt oder gemessen am häufigsten von einer moralischen Instanz erteilte Vorwurf lautet derzeit: Vorurteil! Intoleranz! Ausgrenzung! Auch wenn erst durch diesen Vorwurf der Vorwerfende zur moralischen Instanz wird, man hält ihm doch üblicherweise zugute, es zumindest gut zu meinen, irgendwie im Sinne der Gerechtigkeit und Gleichheit, das Gegenteil von Hitler eben.
Zwei Dinge empfindet man dabei als störend. Diejenigen, die Toleranz & Co. predigen, sind selbst unterdurchschnittlich bis gar nicht tolerant. Und die Toleranzkeule wird sehr einseitig geschwungen. Nein, nicht sehr einseitig; einseitig.
Trotz dieser Auffälligkeiten werden die Werte der politischen Korrektheit gemeinhin akzeptiert. Nun, wenn einzelne mit dem Finger auf andere zeigen und von sich selbst ablenken, ist das eben so, das stellt die Werte nicht in Frage, genausowenig eine vielleicht manchmal überzogene und parteiliche Anwendung, das hat Gründe und Ursachen, aber unser Kurs ist richtig; selbst wenn man die Bestrebungen dem Reich der Wünsche zurechnet, so sind es doch die guten Wünsche.
Nicht ganz. Es bleibt zu fragen, warum gerade die Ächtung von Vorurteilen, Intoleranz und Ausgrenzung trotz allgemeiner Zustimmung so offensichtlich nicht wirkt und sich nicht durch Erfolg überflüssig macht.
Darauf gibt es eine weiche und eine harte Antwort.
Die Rhetorik bleibt in sich selbst stecken. Das heißt, sie betrifft nur den virtuellen Raum, das, was man sich gegenseitig erzählt. So wie Kampf gegen rechts, man macht es sich bequem mit einem gutgemeinten Zirkus, dessen Bedeutung in ausgegebenem Geld gemessen wird und überdies keine Auswirkung hat. Das war die weiche Antwort. Sie ist falsch.
Die richtige Antwort ist wie angekündigt etwas härter. Vorurteile, Intoleranz und Ausgrenzung sind die neuen Sünden im repressiven Gewaltsystem, aus einem einzigen Grund: jeder Mensch trägt sie in sich, jeder praktiziert sie täglich und immer und überall. Sie gehören, sofern sie sich nicht neurotisch verselbständigen, nicht nur zum evolutionären Erbe, sondern zu den Bedingungen der Existenz von Individuum und Gemeinschaft. Damit eignen sie sich bestens zu dem Propagandatrick, dem Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen. Jeder befindet sich in Diskrepanz zu dem vorgegebenen Anspruch. Man ist ins Unrecht gesetzt und kommt da nur wieder heraus, wenn man der Ersatzreligion folgt. Am besten, indem man andere findet, die noch mehr ausgrenzen, noch intoleranter sind und noch vorurteilsvoller. So sei es und so ist es.
Früher wurde so was mit der Sexualität erreicht. Jeder hatte zumindest sündige Gedanken im damaligen Sinne und ließ sich daran packen, um Herrschaft über sich abzugeben.
Das Attraktive an der inquisitorischen Methode ist, dass sie jedem zur Verfügung steht. Das repressive System bietet Macht über andere als Ersatz für Kompetenz über sich.
Vorurteile, Intoleranz und Ausgrenzung sind der neue Sex.

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