Peter Grimm / 22.05.2019 / 15:00 / Foto: Flickr / 29 / Seite ausdrucken

Spekulieren bevor der Skandal schrumpft?

Auch wenn man sich sonst von Verschwörungstheorien gern fernhält, verführt die österreichische Ibiza-Affäre wahrscheinlich jeden, der sich zu den politischen Zeitläuften äußert, zu Spekulationen. Und da es sich hier ja – das geben die bekannten Tatsachen schon her – um ein filmreifes Drehbuch handelt, will man sich beim Spekulieren auch nicht lumpen lassen. Der „Cicero“ war an dieser Stelle mit seinem Orakeln über den Mossad eher einfallslos. Aber die jüdische Weltverschwörung ist in Deutschland eben nach wie vor ein Klassiker. Nur die Herleitung eines möglichen israelischen Motivs war doch sehr holzschnittartig und viel zu billig. Der Mossad hätte viel zu tun, wenn er Aktionen gegen solche europäischen Politiker in Regierungsämtern plante, die immer mal wieder mit depperten antisemitischen Ausfällen auffällig werden. Aber halten wir uns nicht damit auf, es gibt ja genug näherliegende Motive.

So viele europäische Politiker wollen gerade ganz unverhohlen ihren politischen Profit aus der Affäre um zwei österreichische FPÖ-Spitzenpolitiker und aus dem Zerbrechen der Wiener Regierung schlagen. Da ist es schwer, nicht dem Drang nachzugeben, in dem einen oder anderen Affären-Gewinnler auch den Auftraggeber zu entdecken. Gerade in Deutschland, wo viele Spitzenpolitiker und Meinungsbildner in den Medien ihre Geschütze gegen „Rechtspopulisten“ im Allgemeinen und die AfD im Besonderen derzeit fast nur noch mit Munition füttern, die sie aus den Entgleisungen von Heinz-Christian Strache und Johannes Gudenus beim Besäufnis mit der Oligarchen-Nichte-Darstellerin gewinnen. Man bekommt beim Konsumieren etlicher Medienprodukte beinahe den Eindruck, als hätten Meuthen, Salvini, Wilders oder Orban mit am Tisch in Ibiza gesessen und die ganze EU im Suff an eine zwielichtige russische Blondine verkaufen wollen.

Nun wollten sich ja etliche dieser Parteien – insbesondere die daheim fest auf Opposition abonnierte AfD – gern auch ein wenig in den Erfolgen ihres Bündnispartners FPÖ beziehungsweise der von ihr mitgetragenen Wiener Regierung sonnen. Ein Schatten fällt jetzt nun also unweigerlich auf sie. Dass das alle freut, deren einziger konkreter Programmpunkt zur Europawahl der Kampf gegen einen Wahlerfolg der Rechten ist, verwundert kaum. Aber muss man deshalb den Auftraggeber auch in deren Reihen vermuten?

Müssen immer Deutsche die Täter sein?

In alter Gewohnheit waren es ja vor allem die deutschen Politiker, die schnell wussten, was der Kanzler in Wien jetzt zu tun hätte, nämlich sofort zurücktreten und einer Regierung weichen, die der Berliner Regierung genehmer wäre. Doch kamen deshalb auch die Drahtzieher aus Deutschland? Mancher mutmaßte gar, das sogenannte „Zentrum für politische Schönheit“ könnte hinter der Aktion stecken. Dass die Aktivisten dieser „Künstlergruppe“ zu böswilliger Denunziation und Rufschädigung bereit sind, wenn es um das geht, was sie für das Gute halten, haben sie hinlänglich bewiesen. Beispielsweise als sie nach den Auseinandersetzungen in Chemnitz eine Pranger- und Denunziations-Seite eingerichtet hatten, um vermeintliche Rechte öffentlich bloßzustellen und damit de facto als Angriffsziele für gewaltbereite Linksextremisten zu markieren.

Doch klingt dieser Verdacht dennoch höchst unwahrscheinlich, denn das Zentrum hat sich zu seinen Aktionen letztlich immer bekannt. Die Eigeninszenierung war ein wichtiger Teil ihres jeweiligen Stücks. Zudem: Warum hätten die Aktivisten fast zwei Jahre mit der Veröffentlichung warten sollen? Aber immerhin soll ja mindestens ein Deutscher in der bösen Inszenierung mitspielen: Der Begleiter der Oligarchen-Nichte-Darstellerin, der sich Julian Thaler nannte, soll Deutscher gewesen sein.

Gerade der Umstand, dass die Falle für Strache und Gudenus schon 2017 gestellt wurde, spricht zudem dafür, dass das Material eigentlich zur österreichischen Nationalratswahl im Herbst des Jahres eingesetzt werden sollte. Deshalb fiel ja der erste Verdacht auch auf Tal Silberstein, der in jenem Jahr im Auftrag der SPÖ eine verdeckte schmutzige Kampagne gegen Sebastian Kurz organisiert hatte. Die flog allerdings auf, Silberstein entschwand und in der SPÖ rollten Köpfe. Silberstein dementiert allerdings jegliche Mitarbeit am Ibiza-Video. Dabei wären sozialdemokratische Urheber eines Skandals, der erst andere treffen sollte und traf, bis er auf die Urheber zurückfällt, auch eine reizvolle Spekulationsvariante.

Was machen wir am Montag?

Wollen wir also unterhaltsam weiter spekulieren? Vielleicht sollte man in den letzten Tagen vor der Europawahl doch eher auf die inhaltliche Armseligkeit und Dürftigkeit der programmatischen Angebote verweisen, mit denen die meisten Parteien ihre Wähler abspeisen wollen, und sich über jeden Anlass freuen, dies hinter nichtssagenden Sprechblasen verstecken zu können.

Aber dennoch zum Schluss hier vielleicht noch ein Verweis auf einen Artikel mit interessanten Fakten zum Beginn der Ibiza-Affäre. Die Seite eu-infothek.com beschreibt recht detailliert, wie und über welchen Anwalt der erste Kontakt von Johann Gudenus zu der vermeintlichen Oligarchen-Nichte zustande kam.

Darüber ist in vielen Medien zwar schon berichtet worden, auch, dass der Kontakt vorgeblich wegen eines angestrebten Grundstücksgeschäfts der Russin mit angeblich lettischem Pass eingefädelt wurde. Doch in der detaillierteren Darstellung zeigt sich zumindest eine längerfristige Planung und ein nicht unerheblicher Geld-Einsatz. Die EU-Infothek erwähnt, im Unterschied zu anderen Medien, nicht, dass jener Anwalt schon früher versucht haben soll, skandalträchtige Geschichten oder Bilder von FPÖ-Politikern in Redaktionen anzubieten. Vielleicht war das den Kollegen zu spekulativ. Dafür verraten sie am Schluss den Namen des iranischstämmigen Rechtsanwalts. Aber dessen Herkunft sollte jetzt auch kein Grund zu neuen Spekulations-Spielchen sein.

Schauen wir ein paar Tage voraus: Was machen eigentlich die etablierten Politiker in Europa am Montag, wenn sie trotz der Ibiza-Affäre einen schmerzhaften Wahldenkzettel zu verdauen haben? Schauen sie zuerst nach Wien, weil dort im Nationalrat vielleicht ein Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz verhandelt wird oder lecken sie eigene Wunden? Wahrscheinlich wird ihnen der Skandal um den Auftritt der zwei FPÖ-Größen kaum genutzt haben. Die Stärke der geschmähten Rechtspopulisten resultiert ja zu einem Großteil aus dem Zuspruch von Protestwählern. Protestwähler setzen aber in die Partei, die sie wählen, keine allzu große positive Erwartung und können deshalb von Skandalen nicht so leicht erschüttert und enttäuscht werden. Sie wollen ja vor allem den Etablierten durch diese Stimmabgabe etwas von ihren Wünschen und Bedürfnissen mitteilen, was diese auf anderen Kommunikationswegen bislang nicht hören wollten.

Und wenn die Etablierten das nach dem nächsten Sonntag wieder nicht verstehen wollen und als Rezept gegen rechte Wahlerfolge auf noch mehr Volkserziehung setzen, etabliert sich dieses Wahlverhalten mehr und mehr. Dieser Prozess ist auf Dauer auch mit perfekten und schmutzigsten Kampagnen nicht aufzuhalten, egal von wem sie initiiert sind. Es sei denn, die politischen Verantwortungsträger stellen sich ganz pragmatisch auch jenen Begehren ihrer Bürger, die ihnen ideologisch nicht passen.

Nach der Wahl am Sonntag wird das Interesse an dem Video und seiner Entstehung hierzulande ohnehin nachlassen und die Strache-Affäre wird zu einem österreichischen Skandal schrumpfen. Oder kann sich jemand in Deutschland an eine breite Debatte über die erwähnte Silberstein-Affäre im Jahr 2017 erinnern? Eben!

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Leserpost

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M. Haumann / 22.05.2019

Na ja, zumindest über eine Mittäterschaft deutscher Medien wird schon recht erhitzt diskutiert und wenn hier dann noch linke Politiker Österreich Anweisungen zu Neuwahlen erteilen wie einer unbedeutenden deutschen Provinz, kann man den Nachbarn Vermutungen über eine deutsche Beteiligung am Sturz ihrer Regierung kaum verdenken. Ich halte die erzeugte Riesenwelle an Verschwörungstheorien ja für schädlicher, als es die Wahrheit vermutlich sein könnte. Aber das werden sich alle Beteiligten an der Intrige inklusive Spiegel und SZ ja vorher genau überlegt haben und sind deshalb mit allen Konsequenzen ihrer Taten vermutlich einverstanden.

Jens Keller / 22.05.2019

Zur Frage des Beitrags: Ja, warum auch nicht? Die Personen und Teilnehmer sind ja bekannt, was erste Folgerungen ermöglicht. So könnte im Folgenden auch noch richtig journalistisch unter den Beteiligten ermittelt werden, wer diese Aktion und die Aufenthalte der Darsteller finanziert und geplant hat um etwas damit zu erreichen. Von übermotivierten „Kämpfern“ gegen Raaechttz, die sich damit um Etats und Positionen in der zukünftigen Volksrepublik bewerben bis zu einem kriminellen Hintergrund mit Erpressung durch maflöse Strukturen inner- oder ausserhalb des politischen Betriebes ist vieles denkbar. Natürlich auch die Beteiligung durch fremde Dienste. Vorläufer wie den Pseudoskandal um den österreichischen Journalisten Wolf zeigen den Kampagnencharakter solcher Aktionen von links. Ich vermute, es handelt sich um eine klassische Zersetzungsmassnahme durch den politischen Gegner ähnlich den Winkelzügen, die seinerzeit von der Kieler Opposition im Vorfeld des Bekanntwerdens der Engholm-Barschel-Affäre angestrengt wurden. Sollten hier Mittel ausländischer, staatlich geförderter und ausgestatteter NGOs genutzt worden sein, würde sich das Ganze zu einem Diplomatieskandal ersten Ranges ausweiten. Die vermeintlich konservativen Kräfte sollten dort ganz genau hinschauen. Erst die Arbeit, dann der Schnaps. Und nicht mit jedem saufen.

Anders Dairie / 22.05.2019

Da der Hauptgrund für eine solide Rechtsentwicklung in der Politik, die Flutung mit kulturfremden Kostgängern, weiter geht, wird auch die Reibung zwischen den Steuerzahlern und den vom übrigen Volk gewählten verstärkt.  Eine Erruption findet statt,  wenn der Euro erst kränkelt ( Inflation, Arbeitslosigkeit)  und die Zei-chen, dass er zum Teufel geht, unübersehbar sind.  Wie sagte Napoleon I. angesichts der wütenden,  unerbittlichen Spanier:  “...der hungrige Magen fürchtet keine Kugel!”  Dasselbe gilt auch für die Kulturfremden, wenn der deutsche Trottel seinen sozialen Pflichten nicht mehr nachkommen kann.  Die Verantwortlichen sind dann erstmal von der Bildfläche weg.  Es fängt an mit der Ausreise der Familien.

Hubert Bauer / 22.05.2019

Meine erste Vermutung ist immer noch, dass es Reste der Silbersteinaffaire sind. Aber auch der iranische Geheimdienst könnte in Frage kommen. Die EU ist ja derzeit extrem islamfreundlich eingestellt. Dass die EU antisemitische Schulbücher für die Palästinenser zahlt und bedingungslos am Atomabkommen mit dem Iran festhält, gefällt den Mullahs natürlich. Würden die “Blauen” in der EU an die Macht kommen (mit Liberalen und Konservativen) wäre wohl ziemlich schnell Schluss damit und die EU würde sich (wieder) den USA anschließen. Das wäre extrem ungünstig für die Mullahs.

A. Thalmann / 22.05.2019

Die ganze Sache ist zu durchsichtig und der Wähler wird das bei den Wahlen entsprechend äußern. Natürlich werden die “bösen Rechten” Abstriche hinnehmen müssen aber es wird einen nicht unerheblichen und verständlichen Rechtsruck geben. Wenn ein Schiff linksseitig Schlagseite bekommt muss man zwangsläufig seine Aufmerksamkeit der rechten Seite widmen um wieder ins Lot und somit kontrollierbar zu werden.

Marc Blenk / 22.05.2019

Lieber Herr Grimm, helfen wird es den Etablierten Parteien kaum. Und bis zur nächsten Österreich Wahl könnten ja recht unappetitliche Dinge ans Licht kommen. Da kann der Kurz ziemlich gelassen sein.

U. Unger / 22.05.2019

Fast soweit Herr Grimm, war ich heute auch schon bei 2 Kommentaren zu Frau Lengsfeld. Freue mich, dass Sie offensichtlich auch schon genüsslich an stammelnde Fernsehhofberichterstatter, samt ratloser SPD / CDU &&&?  Funktionäre denken.  Sie gehen auch davon aus, dass sich Montag die Ereignisse überschlagen könnten, mit vollem Recht! Ist es zu viel spekuliert, dass das FPÖ Affärchen ab Dienstag schon weitgehend vergessen sein könnte? Ich rechne damit, dass so überraschend, wie die Filme auftauchten der nächste Hammer kommt. Erinnern Sie sich? Es gab mal politische Halbwertzeiten, was steht ab Sonntag im Nenner, von 2 bis Brexit? Einige Ihrer Erkenntnisse hatte ich heute morgen nicht. Vor allem trifft Ihre Einschätzung jeglicher Protestwähler, beweisbar und genau.  Kann mir vorstellen, dass der Mossad erst aufgrund gewisser Spekulationen, auf besonders aktiv umstellt, ohne dass gewonnene Erkenntnisse dann in der Tonne landen. Mal sehen unter welchem Scheibenwischer letztendlich ein Pickerl klemmt. Spannender als James Bond, absolut filmreif!

Stefan Lanz / 22.05.2019

Ich glaube, dass das Video, gerade in Deutschland, die beabsichtigte Wirkung zeigen wird. Und ich glaube, dass die “Rechten” nicht bei dieser Wahl auftrumpfen werden. Und damit wird alles nur noch schlimmer werden, vor allem weil die Linken die Medien beherrschen und die verbliebenen Konservativen sich von diesen immer noch von diesen beeindrucken lassen. Genauso wie die Linken die sozialen Medien beherrschen, wer am lautesten und hysterischten schreit, bekommt immer Recht heutzutage. Erst wenn die Wirtschaft am Boden liegt, kann und wird sich was ändern, aber bis dahin dauert es noch ein wenig…

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