Die SPD steht vor einer offenen Tür, weiss aber nicht, ob sie es wagen soll, guten, alten Boden wiederzubetreten: Mit einer sozial- und wirtschaftspolitisch begründeten Abkehr vom grün-populistischen Atomausstieg (einer Politik, die der SPD heute mehr Stimmen kostet als gewinnt), könnte die SPD nicht nur beweisen, dass sie noch zum rationalen Umlenken fähig ist. Noch wichtiger: ein solcher Strategiewandel könnte vor allem dazu beitragen, ein strategisch zentrales und sozial immer bedeutenderes Thema neu zu besetzen, dass sowohl die Linke alsauch die Grüne Partei in die Defensive zwingen könnte. Denn die sozialistische Konkurrenz hält offenbar unbeirrt am links-ökologischen anti-Atom-Kurs fest; und das, obwohl das sture Festhalten am Atomausstieg zur wachsenden Energiearmut beiträgt und von der Hälfte der Links-Wähler abgelehnt wird. Das Tor steht also weit offen; fragt sich nur, ob die SPD ihre Torschusshemmung überwinden kann. Zu ähnlichen Überlegung gelangt übrigens auch Stefan Dietrich in der FAZ von heute: Wenn sich die Sozialdemokraten nicht aus der Anti-Atomkraft-Ecke herausbewegen, könnten sie bald zu Gefangenen eines energiepolitischen Konzepts werden, das ihnen niemand mehr abkauft: zuerst wegen seiner sozialen Härten, dann weil es die Versorgungssicherheit gefährdet und zuletzt weil es nicht einmal klimapolitisch aufgeht. In der Energiepolitik droht die SPD Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden. Rot-Grün setzte die vorzeitige Abschaltung der Kernkraftwerke durch und machte Deutschland zum Vorreiter im Kyoto-Prozess. Nun aber könnte die Ökorevolution ihre Kinder fressen…. Dieser Diskussion wird sich die SPD stellen müssen, wenn sie der Falle entkommen will, die sie sich selbst gestellt hat. Die britische Labour Party hat es ihr vorgemacht. Sie benutzt den Klimaschutz als Hebel, um die Erneuerung ihres nuklearen Kraftwerksparks durchzusetzen. In Deutschland könnten die sozialen Folgen der Energieverknappung die Sozialdemokraten zum Einlenken zwingen.