Jesko Matthes / 30.12.2020 / 06:00 / Foto: Imago / 72 / Seite ausdrucken

Spahn verordnet und ein Hausarzt wundert sich

Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV mitteilt, hat der Bund inzwischen geregelt, dass nur die Covid-Impflinge mit höchster Priorität unbürokratisch geimpft werden. Der Zugang zur knappen Ressource Impfstoff soll dann per (haus-)ärztlichem Attest geregelt werden und nicht mit Hilfe jener Datensätze, die bei den Krankenkassen vorhanden sind (und die jetzt zur Abgabe der maximal fünfmal drei jämmerlichen FFP2-Masken in Apotheken genutzt werden, dazu siehe weiter unten).

Die Vergütung ist gegenüber dem Einfachsatz der Gebührenordnung für Ärzte GOÄ (7,58 Euro) auf 5 Euro pro Attest begrenzt, eine weitere Vergütung der ärztlichen und personellen Arbeitszeit ist nicht vorgesehen. Portozuschlag: 90 Cent. Beratungszuschlag (denn Fragen wird es doch wohl geben, zum Beispiel: „Können Sie mir die Impfung empfehlen? Wie sicher ist die Impfung denn?“): Fehlanzeige.

Ich rechne also spätestens mit Beginn des 2. Quartals 2021 mit einer täglichen Flut von Attestanfragen, weil auch die bloße Terminierung durch die Impfzentren ansonsten verweigert werden dürfte. Daher werde ich ab etwa Ende Februar (erneut) Regeltermine streichen beziehungsweise kürzen müssen, um freie Kapazitäten für den zu erwartenden Beratungsbedarf, den Schriftverkehr und dessen Dokumentation zu schaffen. Es ist klar, was das für die Regelversorgung (und übrigens auch für den Umsatz meines unbedeutenden Kleinunternehmens mit sechs Arbeitsplätzen plus Putzfirma, der dieses Jahr um ca. 50.000,- Euro eingebrochen ist) bedeutet. Übrigens auch für mein „Fachwissen“ über die neue Impfung.

Ich stricke schon geistig an einem Formblatt, das sich wenigstens einigermaßen flott per Ankreuzen und Eintragen der ICD-Codes bearbeiten lässt. Diskussionen wird es (neben der Priorität beziehungsweise Priorisierung, die man also uns Basismedizinern mit der geringsten Datenbasis in Sachen „Corona“ überlässt) wohl auch darüber geben, wer denn die 5,90 Euronen bezahlt; der oder die Betroffene in bar, oder wird es dafür eine Abrechnungsziffer geben? Auch das scheint laut KBV ungeklärt.

Das Ende der Liquidität naht

Und wo (in drei Engels Namen…) findet Onkel Hausarzt denn den „definitiven Katalog der Risikoerkrankungen“? Im vorletzten deutschen Ärzteblatt gab es den Vorschlag eines numerischen Covid-19-Risiko-Scores, der sofort heftig angegriffen wurde, weil dazu harte Daten entweder fehlen oder sich auf andere Länder mit anderen demographischen und sozioökonomischen Bedingungen sowie teils auch anderen Therapien chronischer Erkrankungen beziehen.

Na, mit dieser Klein-Fritzchen-Pandemiestrategie nach Gutsherrenart muss ich mich hier in Bürokratistan wohl abfinden, genauso wie alle anderen. Unter denen es ja offenbar tatsächlich auch noch ärztliche Kolleginnen und Kollegen gibt, die meinen, sich dann in ihrer „Freizeit“ auch noch in die „Impfzentren“ stellen zu können, wohin sie übrigens hier – gerüchteweise – auch mit etwa 140 Euro Bruttostundenlohn gelockt werden, der natürlich in einer Hausarztpraxis sonst kaum zu erzielen ist.

Bei den Kliniken sieht es dagegen offenbar spärlicher aus; das Ende der Liquidität naht, die Einkünfte aus der Regelversorgung sind eingebrochen. Ach, wirklich, wieso das denn… Lustig fand ich neulich auch die Meldung aus dem Nachbarlandkreis im Portal der Lokalzeitung: Corona-Live-Ticker – keine freien Intensivbetten mehr in Lüchow-Dannenberg. Die Analyse (auf n-tv.de) per Mausklick auf die Covid-Intensiv-Karte (auf Grundlage der DIVI-Meldungen) ergab dann Folgendes: Anzahl Intensivbetten der Elbe-Jeetzel-Klinik: sechs. Belegte Betten: sechs. Davon Covid-19: null.

Nachricht von gestern aus der Orthoklinik Lüneburg (Belegklinik der Gesundheitsholding der Stadt, zu der auch das örtliche Klinikum gehört): Freie Reserve-Intensivbetten: vier. Belegt: null. Vorgehaltenes Personal mit Beatmungsgeräteeinweisung: null. Rückfrage Orthoklinik an Gesundheitsholding, vertreten durch einen Angehörigen der Pflegedienstleitung (Herrn X., mir persönlich bekannt): Wann denn die Geräteeinweisung erfolge? Antwort Holding: Nicht vorgesehen, dafür fehlt Zeit, Geld und Personal. Erste Berichte auch über wachsende Unzufriedenheit in den Kliniken über Risikozuschläge in Seniorenheimen, während keine Klinik diese bisher gesehen habe (so zwei Anrufe befreundeter Krankenschwestern bei mir), und über Urlaubssperren ohne gesicherte Aussicht auf Ausgleich.

Geht so Bevölkerungsschutz?

Auch ich finde es nicht lustig, dass ich für den Notdienst der KV keinen Risikozuschlag bekomme; zwei Drittel des letzten Fahrdienstes bezogen sich auf „Erkältungskrankheiten“, also jedes Mal neue Maske für deutlich mehr als zwei Euro Einkaufspreis und der angeblich „negativ“ getestete Verdachtsfall war natürlich am nächsten Tag positiv. Auch das sagte mir übrigens keiner. Ich rief vorsorglich in der Klinik an, die es mir – hinter vorgehaltener Hand – sagte. Ich hatte auch intelligent gefragt: Ich will nicht wissen, was der Mann hat, ich will nur wissen, ob ich mich in den nächsten sieben Tagen gegebenfalls testen lassen sollte. "Ja, besser ist das. Und alles Gute…!"

Noch einmal zu den Masken in den Apotheken: Es ist mitnichten so, dass die Bundesregierung die Masken „stellt“. Vielmehr werden die Apotheken gezwungen, die Masken einzukaufen (Wo? Aus dem Lager des obersten Maskenbestellers Jens Spahn?), das heißt vorzufinanzieren. Schätzpreis (Einkauf) zwei Euronen pro Stück, bei diesem Schätzpreis also sogar potentiell gewinnbringend, doch: Vorsicht. Seltsam, dass die Gelbe Liste das alles so verklausuliert schreibt, Geld wird „ausgeschüttet“, aha, und der Rest… geht dann aus dem Kleingedruckten hervor: 

Die Beträge erhalten die Apotheken aus einem Fonds zurück, wenn sie nachweisen können, dass die Abgabe der Masken normenkonform erfolgt ist; das sogenannte Retaxierungsrisiko (Retaxierung = Regress für Apotheken) liegt auf Seiten der Apotheken, und das Bundes Ministerium für Gesundheit lässt sich seine (?) Masken also unter Abwälzung des Haftungsrisikos von den Apotheken zwischenfinanzieren.

Es soll erste Apotheken gegeben haben, die mangels Liquidität nicht wussten, wie sie die Masken beziehen sollen, zu deren Abgabe sie ad hoc verpflichtet worden sind. Warum meldet sich dazu niemand vom Apothekerverband? Noch einmal: Der Gesundheitsminister darf in der Krise allein 20 Millionen Zinsverlust wegen laufender Masken-Rechtsstreitigkeiten in Milliardenhöhe machen, und von der Apotheke wird jede Zwei-Euro-Erbse vorfinanziert und gezählt? Geht so Bevölkerungsschutz?

Zeitgleich schnellt Jens Spahn auf der Beliebtheitsskala deutscher Krisenmanager – vulgo: „Politiker“ - steil nach oben, behaupten die Demoskopen.

Na ja, das ist Krise, und Meckern ist natürlich immer einfach. Dennoch: Kriegen „die da oben“ eigentlich mit, was an der Basis wirklich los ist? Zum Qualitätsmanagement gehört doch angeblich die Rückmeldung? Und wer koordiniert das Ganze vor Ort? – Ach, ja, für meine Schäflein: ich! Soll ich also nach oben buckeln und nach unten - die Schäflein - treten? Darf ich also auch einfach das Risiko nach unten delegieren? Wie? Nein? Weil ich Arzt bin und kein Krisenmanager? Aha. Wie sagte Heiner Müller: "Optimismus ist nur ein Mangel an Information"

Jesko Matthes ist Arzt und lebt in Deutsch-Evern.

Foto: Imago

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Tom Walter / 30.12.2020

Vielen Dank für den Einblick in die Praxis. Ich gehe davon aus dass es deutschlandweit die gleichen Probleme gibt. Warum halten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sowohl Ihre Kollegen, wie auch Ihre Standesvertretung, still, anstatt hier lautstark die Defizite zu offenbaren?

Gabriele Klein / 30.12.2020

“Der Zugang zur knappen Ressource Impfstoff soll dann per (haus-)ärztlichem Attest geregelt werden und nicht mit Hilfe jener Datensätze…” Verstehe den Satz nicht ganz, heißt das nun dass man ein Attest braucht um NICHT geimpft zu werden oder heißt das dass man die Impfung vorerst NUR mit Attest bekommt. Beide Auslegungen scheinen mir möglich.  Im letzteren Fall der eher suggeriert wird scheint mir Ihre Sorge völlig unbegründet. Um nun nicht zu viele gleiche Patientenfragen ohne Honorar beantworten zu müssen, könnte ein Arzt doch einfach hergehen u. an die Praxistür schreiben:  Liebe Patienten,  ich impfe mich auch bei guter Gesundheit nicht gegen COVID 19 weil mir keine Risiken und Nebenwirkungen bekannt wären.  Wenn Sie hier mehr Klarheit wünschen, sollten Sie jedoch unbedingt Ihren Arm frei machen..( Ansonsten werde ich als altes Semester das andere Zeiten kennt, den Eindruck nicht los, dass wir uns   in einem Krieg befinden der in Propaganda -und Partisanenmanier international ausgefochten wird.  Die Geschichte hindurch wurde immer wieder ohne vorherige Ankündigung Gebrauch von biologischen Waffen gemacht, Sofern die UDSSR / DDR je nicht aus politischen Gründen zur r Impfnadel griff, wären die letzten groß angelegten Impfmorde unter Hitler,  erfolgt.. Eine Vorankündigung für seine T4 Impfmorde gab es nicht und auch keinen schriftlichen Befehl. Ich gehe davon aus, dass auch der nächste biologische Waffengang in der Geschichte ohne Voranmeldung u. schriftlichen Befehl erfolgen wird.  Schon alleine wegen dem Datenschutz der Patienten sollten Massenimpfungen   eher “blind” und undokumentiert erfolgen, denn wir wollen keinen “gläsernen” Patienten…

Claudius Pappe / 30.12.2020

Schon ein Schloß gekauft Herr Spahn ?

M.-A. Schneider / 30.12.2020

Nein, Herr Matthes, die da oben kriegen überhaupt nichts mit von dem, was unten passiert, es interessiert sie auch nicht. Sie suchen nur einen Weg, aus dieser völlig verqueren und durch katastrophale Politik verursachten Situation wieder herauszukommen, ohne selber Schaden zu nehmen und ihre Macht zu behalten. Die Bilanz dieses Jahres werden sie möglichst geheim halten oder gar nicht zur Kenntnis nehmen, die zerstörten Existenzen und Leben, die gespaltene Gesellschaft, die verlorenen Grundrechte nebst Lebenszeit und Lebensfreude, der auf uns zukommende Mangel durch verfehlte Finanz- Migrations - und Energiepolitik, die damit verbundene Einschränkung der Lebensqualität, das alles perlt scheinbar völlig an ihnen ab, denn sie bereiten uns aktuell auf Verlängerung der Gefangenschaft vor, frei nach dem Motto:  es hilft nicht, aber wir ziehen es durch und verstärken die Sinnlosigkeit noch! Für diese Leistungen wird unsere Politelite von der Mehrheit der Menschen hier offensichtlich noch geliebt und bewundert, was diese sehr wohl zu nutzen weiß. Wir haben allen Anlass zur Freude auf das nächste Jahr, denn unsere Regierung meint es ja soooooo gut mit uns!

A. Ostrovsky / 30.12.2020

Ich sag mal so: Die Statistik zeigt ja eindeutig, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, stirbt auch nicht an Covid-19. Könnte man vielleicht die “vulnerablen Gruppen” einfach in ein Arbeitslager einweisen? Immerhin zeigt ja die Statistik auch, dass Lockdown, Schließung der Kindergärten und ideologisches Lobgeheul praktisch keine Wirkung auf die Corona-Todesfälle haben. Vermutlich wird auch die Impfung völlig wirkungslos bleiben. Dann muss man einfach neue und unkonventionelle Wege beschreiten. Die Erfahrungen der Genossen in China beweisen, dass Corona an ideologischer Klarheit und Reinheit einfach abprallen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wie Genossin Merkel, wo Reinheit doch nicht das Virus vollständig ... oder wie genau war das eigentlich. Eine Möglichkeit wäre es auch, die freiwillige Teilnahme der vulnerablen Gruppen in den zentralen Versorgungseinheiten jeden Mittwoch an einem halbtägigen (also 12 Stunden) Politunterricht anzuordnen. Aus Solidarität natürlich auch die Geimpften.

Hans Reinhardt / 30.12.2020

Auch wenn das für den Einen oder die Andere anscheinend ein Aufreger ist, mir ist die sexuelle Orientierung von Herrn Spahn sowas von egal, wem der was wo reinsteckt oder reinstecken lässt ist seine Sache. Ganz ehrlich? Seine Homosexualität ist noch das sympathischste an ihm, es zeigt, dass er irgendwo noch ein Mensch ist. Wirklich gruselig sind die asexuellen Politroboter wie Merkel, Steinmeier, Lauterbach, Altmaier und wie sie alle heissen. Oder kann sich hier irgendjemand vorstellen, das bei denen noch was geht? Wirklich gefährlich ist also nicht Spahns Sexualleben sondern seine bodenlose Inkompetenz, seine himmelschreiende Selbstüberschätzung und das völlige Fehlen von Skupeln. Er gehört damit zu den Politikern, die wie ein Soor über Deutschland liegen; das Ergebnis jahrzehntelangen Demokratieversagens, welches uns nun die Nomenklatur dieser Rohrkrepierer namens Spahn, Maas und Konsorten beschert hat.

Hjalmar Kreutzer / 30.12.2020

Liebe/r T. Schneegaß, wer seine Praxis schließt, um für 140€/h zu impfen und hat seine Praxiskosten, Personal, Miete, Pipapo weiter laufen, hat sich eher um der angeblichen Ethik willen ins Knie ... geschossen, macht Miese. Der muss zusehen, durch Mehrarbeit mit Privatleistungen, nicht im ohnehin budgetierten und abgeregelten Kassenbereich, die Impfverluste wieder rein zu holen. Das raffen leider viele untertänigst diensteifrige Kollegoiden nicht - medicus non calculat. Wenn ich das als angestellter Arzt, Arzt in Weiterbildung in meiner Arbeitszeit, freigestellt vom Arbeitgeber von meiner sonstigen Arbeit oder mit Genehmigung des Arbeitgebers in meinem Urlaub mache, da ich nicht verreisen und mich zu Hause nicht beschäftigen kann, bitte gerne, aber nicht als Praxisinhaber.

Hans Styx / 30.12.2020

SPAHN SÖDERt mich sowas von an! Und bringt mich auf den PALMER. Dass die Leute nicht MERKELn, dass das ein ganz LASCHETer Typ ist. Der ist total VON DER LEYEN und nicht mehr ganz bei DROSTEN! Dieser ehemalige Bankkaufmann MAASt sich medizinische Kompetenz an und erzählt den Leuten was VON STORCH. Sein verfassungswidriges Ermächtigungsgesetz würde selbst den GÖHRING-ECKHART machen. Er muss mit allen zur Verfügung stehenden MEUTHEN ausgeMERZt werden. Nicht dass noch irgendein beSCHEUERter und radikaler STEGNER von SPAHN auf die GIFFEY kommt, es würde AKK 4711 benötigen, um den Problem-BAERBOCK zu SCHRÖDERn.

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