Schuss ins Knie des deutschen Qualitätsjournalismus

Das Gute an Twitter ist: Fast jeder darf mitmachen. Das Schlechte: Ganz viele machen tatsächlich mit.

So ist der Kurznachrichtendienst aber auch eine wahre Fundgrube. Nicht zuletzt Personen des öffentlichen Lebens nutzen die Plattform, um sich in Szene zu setzen. Allgemein bekannt ist, was der amerikanische Präsident dort verkündet, Claus Kleber trägt es allabendlich mit Grabesstimme vor. Weniger bekannt ist, wie sich deutsche Politiker präsentieren. Was eigentlich schade ist, denn namentlich einige Sozialdemokraten schreiben sich bei Twitter seit Jahren um Kopf und Kragen, wobei sowohl der Erkenntnis- als auch der Unterhaltungswert beträchtlich sind.

Da ist etwa Ralf Stegner, der als „loose cannon“ unterwegs ist, gern gegen „Pegidioten“ pöbelt und seine Weisheiten mitunter auch in Reimform unters Volk bringt (ein Klassiker: „Merkel schweigt und Horsti grollt / Doch der Schulzzug weiterrollt / Nach Berlin in voller Fahrt / Jetzt ist Schulz, der Mann mit Bart!“). Was für ein Glück, dass man sich seinerzeit auf 140 Zeichen beschränken musste, sonst wäre wohl eine zweite Strophe gefolgt.

Da ist Sawsan Chebli (Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Gedöns), eine Frau, die sich gewohnheitsmäßig gewissermaßen im Pfauenkostüm in die Mitte eines Raumes zu stellen pflegt und heftig mit den Armen zu rudern beginnt, aber dem grünen Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, der sich kritisch über Berlin geäußert hatte, vorwerfen musste, „Aufmerksamkeit“ zu suchen.

Multiresistente Krankenhauskeime

Und da ist Karl Lauterbach, um den man sich spätestens Sorgen machen muss, seit er die „AfD als Fluchtursache“ identifizierte, denn die Migranten dieser Welt setzten sich in Bewegung, weil die AfD den Klimawandel leugne. 

Auch Journalisten machen auf Twitter („Hier privat!“) aus ihrem Herzen keine Mördergrube, feiern die Grünen und lassen ihrer Abneigung gegen die „Rechtspopulisten“ freien Lauf. Dabei offenbaren die meisten ein überraschend geschlossenes Weltbild. Islamkritik etwa „ist nicht so ihres“, wie man neudeutsch zu sagen pflegt. 

Und damit sind wie bei Udo Lielischkies angekommen, ehemals Korrespondent in Washington und zuletzt Leiter des ARD-Studios in Moskau, einem gestandenen Journalisten also, der seit September allerdings im Ruhestand ist. Gestern abend, als ein vorbestrafter islamistischer Gefährder auf dem Weihnachtsmarkt in Straßburg drei Menschen erschoss und elf weitere verwundete, setzte sich Lielischkies die Eselsmütze auf und ließ sich bei Twitter wie folgt vernehmen (Orthographie und Interpunktion im Original):

„Die mediale Erregungsspirale beginnt sich schneller zu drehen. Wieviele starben heute gleich, weil wir z.B. multiresistente Krankenhauskeime nicht ernst nehmen oder Pflegenotstand ignorieren -Ohne Kamerateams?Öffentliche Risikowahrnehmung ist so eine Sache“

Ja, das ist Qualitätsjournalismus pur: Kinder, was soll die Aufregung über so einen popeligen Terroranschlag – irgendwo sterben viel mehr Leute und keiner kriegt’s mit! Vielen Nutzern wollte diese bestechende Logik nicht einleuchten, sie kommentierten eher wenig wohlwollend, und irgendwann löschte Udo Lielischkies seinen Tweet wieder, räumte vielleicht noch die Flaschen weg und ging schlafen. Gut, dass wir zur rechten Zeit einen Screenshot angefertigt hatten; Beweise für die Geistesverfassung und Gesinnung unserer medialen Elite werden für künftige Historiker wertvoll sein, wenn sie sich fragen, was eigentlich in den Jahren 2015 ff so furchtbar schiefgelaufen ist.

Foto: Bundesarchiv/Georg Pahl CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Dr. Gerhard Giesemann / 12.12.2018

Was der Mann Lilischke nicht wissen kann, weil er nicht vom Fach ist: Wer an so einem kleinen Keim stirbt, der hat bestimmt schon vorher was gehabt - und deshalb ist er eben NICHT resistent. Und wäre auch nicht im KH. Was haben die Erschossenen schon gehabt, bevor sie starben? Richtig, die Mainstreammedien. KH nicht mehr nötig, Keime wehrlos.

M. Schneider / 12.12.2018

Zu dieser mehr als dämlichen Bemerkung des Herrn Lielischkies fällt einem nichts mehr ein. Sie reiht sich ein in die Serie von Äußerungen derer, die offensichtlich alle die Tugenden eines guten Journalismus vergessen haben.

Arno Besendonk / 12.12.2018

Schließe ich eine Versicherung ab, dann haben beide Vertragspartner eine Pflicht zur Schadensminderung und Risikominimierung. Gleiches gilt für die Schutzfunktion des Staates, schließlich zahle ich mit meinen Steuern auch so eine Art Versicherung. Nur dass ich keinen Schadensersatz im Nachhinein erhalte sondern Schutz und Hilfe per Strafverfolgungsbehörden. Aber man hat sich für den Bereich der Politik offenbar informell darauf geeinigt, diese Pflicht zu ignorieren. Während man zeitgleich von mir verlangt, privat, z.B. per einbruchshemmender Fenster, per Vermeidung aufreizender Kleidung, via Vermeidung gefährlicher Orte e.t.c., vorzusorgen.

Thomas Taterka / 12.12.2018

Twitter ist ’ was für Leute, die die wichtigste Erkenntnis verdrängen, daß das Leben vor allem eines ist: endlich!

Volker Kleinophorst / 12.12.2018

Seine wir doch ehrlich: Ohne die AfD (ersatzweise Trump oder Putin) würde es den Islam doch gar nicht geben. Nein die Welt wäre ein Friedensreich.

Anders Dairie / 12.12.2018

Hätte L. geschwiegen, wäre er (vielleicht)  Philosoph geblieben.  Er hat jahrelang Nachrichten aus den Machtzentren der Welt an Redaktionen zuhause verkauft.  Die hätten das auch den Agenturen entnehmen können.  Und nun ist L.  in Rente und kein Schwein interessiert das noch.  Herr Stegner ist zu Jugendzeiten schon weit weg gewesen.  Was wäre Kiel ohne Ostsee, geschweige Pöbel-Ralle ?  Also twittern und faze-buchen sie alle um die Wette:  “Hallo, hier bin ich !”  Pres. Trump hat ihnen den Weg zu ewigem Leben gewiesen.  Er ist ihr verleugnetes, heimliches Vorbild.

M. Haumann / 12.12.2018

So eine Frau kenne ich auch. Eiskaltes und empathiefreies Relativieren islamistischer Verbrechen bis zu dem denkwürdigen Tag, als ihre Tochter wenige Stunden vor dem Attentat in Nizza am Ort des Verbrechens gewesen war und sie eine Zeit lang bangen musste, ob sie unter den Opfern war. Was wir da zu hören bekamen, war Hate Speech in wüstester Variante. Sie rechnet seitdem nicht mehr vor, wie viele mehr ja nun auch mal im Strassenverkehr umkommen oder an Krankheiten sterben. Wie verkümmert muss man seelisch sein, wenn man Leid erst am eigenen Leib erfahren muss, um das von anderen nicht mehr aus politischen Motiven geringzureden.  

Rolf Lindner / 12.12.2018

Dank Achse habe ich erfahren, dass es ein Islamist war. Aus den ÖR erfuhr ich, es war ein Franzose. Vor wenigen Tagen habe ich die Gründung eines “Zentrums für journalistische Schönheit” vorgeschlagen und kurz vorher zwei Beispiele aus Tagesspiegel und Tagesschau gepostet. Ein derartiges Zentrum hat dann außer mit der Namensähnlichkeit nichts mit dem Chemnitzer “Zentrum für politische Schönheit” zu gemein, denn im Gegensatz zu den Bloßstellungen durch letzterem stellen sich Journalisten wie Lielischkies freiwillig öffentlich bloß. Ich befürchte jedoch, dass ein journalistisches Schönheitszentrum sehr bald überlastet wäre.

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