Georg Etscheit / 14.08.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 130 / Seite ausdrucken

Schottergärten: Wann kommt der Garten-Blockwart?

Von Georg Etscheit. 

Schon mal von Schottergärten gehört? Nein, es handelt sich bei diesem Phänomen nicht um aufgelassene Grundstücke der Deutschen Bahn, obwohl die Schotterbetten von Bahnstrecken durchaus so etwas wie Gärten sind, ein Refugium für Eidechsen, Schlangen und Wärme liebende Insektenarten, die von der Deutschen Bahn liebevoll umhegt und gepflegt werden. Bei allfälligen Bauarbeiten scheut der im Zuge der Klimadebatte dunkel ergrünte Konzern keine Mühe und Kosten, um die scheuen Tierchen umzusetzen und ihnen ein Überleben zu sichern.

Was Schottergärten sind und wie man mit ihnen umgeht, wird derzeit im grün-schwarz regierten deutschen Südwesten intensiv und strittig diskutiert. Zur Erklärung: Bei Schottergärten handelt es sich um eine besondere Form privater Vorgärten, also kleinerer Flächen, die meist mit einer grauen Schicht geschroteten Granits bedeckt und mit kleinwüchsigen Gehölzen, zuweilen auch Blumen und, je nach Geschmack, diversem Zierrat aus dem Baumarkt, gelegentlich sogar künstlichen Kleingewässern locker durchsetzt sind. 

Schottergärten sind gewissermaßen die horizontale Variante jener mit Kies oder Steinen gefüllten Drahtkörbe, im Fachjargon der Gartengestalter Gabionenwände genannt. Sie stammen eigentlich aus dem öffentlichen Straßenbau, wo sie zur Stabilisierung von Böschungen dienen, kommen aber immer häufiger auch im privaten Bereich – als Ersatz von aus der Mode gekommenen Jägerzäunen und Ligusterhecken zum Einsatz, um unliebsame Blicke von Nachbarn abzuwehren. 

Seit der Botaniker und Biologe Ulf Soltau diese „Gärten des Grauens“ regelmäßig in seinem Internetblog dokumentiert und sogar ein Buch dazu veröffentlicht hat, sind Schottergärten der Aufreger schlechthin. Gartenästheten sehen darin eine beispielslose Geschmacksverirrung, die den bei sich aufgeklärt dünkenden Großstädtern verhassten Gartenzwerg-Idyllen in nichts nachsteht, für Ökologen sind Schottergärten von Menschenhand geschaffene Wüsten, bar jeden Lebens, vor allem, wenn sie zur Abwehr von Unkraut regelmäßig mit Pflanzenvernichtern traktiert werden.

Gemüsebeete und Obstplantagen wichen reinen Schmuckgärten

Ein kurzer Blick in die Geschichte. Bis etwa zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren die meisten privaten Gärten in erster Linie Nutzgärten, aus denen man sich selbst versorgte. Ziergärten waren jenen begüterten und privilegierten Ständen vorbehalten, die nicht auf Selbstversorgung angewiesen waren. Im französischen Barock erlebte die Gartenkunst ihre wohl größte Blüte, wobei auch hier oft ein nach den gleichen rigiden Regeln wie Blumenparterre und Kunsthecken-Boskette gestalteter Gemüsegarten, der potager, an die ursprüngliche Bedeutung eines Gartens erinnerte. 

Der Selbstversorgungsaspekt verlor in der aufblühenden Überflussgesellschaft rapide an Bedeutung. Die sorgsam gehegten und gegen Ungeziefer aller Art robust verteidigten Gemüsebeete und Obstplantagen wichen reinen Schmuckgärten und wurden damit zum ästhetischen Schlachtfeld wechselnder Modererscheinungen. Galt in den Aufbauzeiten der englische Rasen samt pflegeleichter Blaufichte und anderen, vorzugsweise laubfreien Gehölzen als Ideal zeitgemäßer Gartengestaltung, ist es heute die bienenfreundliche Blühwiese plus Insektenhotel, wahlweise in der Behindertenwerkstatt fertig montiert oder selbst gebaut. 

Die Saatgutindustrie bietet dafür längst auf Nektarertrag und Insektenvielfalt optimierte Saatgutmischungen an wie die bei Rasendoktor.de angepriesene „Blumenwiese für Bienen und Schmetterlinge“, laut Werbung „in Zusammenarbeit mit Entomologen und Imkern ausgearbeitet“. Die „ca. 30 mehrjährigen Arten wie Duftsteinrich, Boretsch, Gartenkornblume, Goldlack, Lavendel und Ziertabak bringen in jeden Garten eine Vielzahl von Naturerlebnissen“. Oft bekommt man sogar ein Beutelchen politisch korrekter Samenstreusel mit der Post frei Haus zugesandt, als Werbegeschenk ökologisch orientierter Unternehmen wie der GLS-Bank. Damit auch auf dem heimischen Balkon die Bienen nicht darben müssen.

In Zeiten eines angeblich beispiellosen Insektensterbens, das Grüne und Umweltschützer im Zuge ihrer Kampagne für das extrem erfolgreiche bayerische Volksbegehren „Rettet die Bienen“ im Jahre 2019 auf eine Stufe mit dem Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren mutmaßlich infolge Meteoriteneinschlags stellten, soll nun eine vorderhand „natürliche“ Gartenvariante zur verbindlichen Norm erhoben werden.

Antiautoritäre Erziehung auf dem unschuldigen Felde der Gärtnerei

Im Grunde soll die ordnende und pflegende Hand des Gärtners einem als ökologisches Nonplusultra gepriesenen Wildwuchs weichen. Gemäht werden darf nur noch, wenn überhaupt, einmal im Jahr, jegliche Spritz- und Düngemittel sind ebenso tabu wie willkürliche Pflanzungen, und Betreten ist nur erlaubt, wenn nicht gerade irgendeine Tierart mit Reproduktionstätigkeiten beschäftigt ist. Leider sehen die schönen Blumenwiesen nach dem Abblühen immer etwas zerrupft aus. Doch das gilt es hinzunehmen, solange sich „die Natur freut“, sogar im öffentlichen Raum, wo das Durcheinander vergilbter Stengel und verrottender Kräuter mittlerweile auf vielen Straßeninseln zu sehen ist, einmal sogar vor der Münchner Residenz. Rousseaus Verklärung des edlen Urzustandes als zivilisatorisches Ideal findet nun nach antiautoritärer Erziehung, No-tie-Bewegung und herrschaftsfreiem Diskurs ihre Fortsetzung auf dem bislang so unschuldigen Felde der Gärtnerei.

Jede ideologisch motivierte Kampagne benötigt ein prägnantes Feindbild. Das meinen die Grünen in Baden-Württemberg offenbar in den Schottergärten, vulgo „Gärten des Grauens“, gefunden zu haben. Das neue baden-württembergische Naturschutzgesetz sieht jedenfalls vor, diese Form der Gartengestaltung zu verbieten beziehungsweise ein bereits bestehendes Verbot gewissermaßen aufzufrischen.  

Das private Grundstück rein aus Gründen des eigenen Schönheitsempfindens oder dem Wunsch nach Pflegeleichtigkeit von Flora freizuhalten, ist laut Landesbauordnung schon seit mehr als zwanzig Jahren untersagt. In § 9 heißt es: „Die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden. Ist eine Begrünung oder Bepflanzung der Grundstücke nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, so sind die baulichen Anlagen zu begrünen, soweit ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung es zulassen und die Maßnahme wirtschaftlich zumutbar ist.“

Jetzt will die Regierung Ernst machen mit dieser Regelung und endlich für angemessenen Vollzug sorgen. Wird es jetzt einen Art Garten-Gestapo geben, die nach Schottergärten fahndet, Besitzer abmahnt und nötigenfalls eine Zwangsbegrünung unter Polizeischutz veranlasst? Oder verlässt man sich auf das in Corona-Zeiten wieder mächtig aufgeblühte deutsche Denunziantentum? Sollten die Wogen in diesem Kulturkampf noch höher schlagen, dürfte es nicht lange dauern, bis Schottergärten als protofaschistisch, jedenfalls als „rechts“  gebrandmarkt werden, und irgendwo wird ein Spiegel-Redakteur sicher auch einen Reichsbürger finden, der seinen Vorgarten verbotswidrig geschottert hat.

Das markige „Verbot“ der Schottergärten als Ablenkungsmanöver?

Die Grünen zerstören mit ihrem Vorstoß wohl endgültig die Illusion, dass es sich bei privaten Gärten um eine Zone handeln könnte, in der sich der von Ver- und Geboten allseits bedrängte Bürger noch nach Herzenslust austoben darf – unter Verwendung aller käuflich zu erwerbender Mittel, die der Bau- und Gartenmarkt zu bieten hat. Das mutet paradox an: Waren sie es nicht, die immer lautstark über die „spießige“ Regelungswut organisierter Schrebergärtner zu Felde zogen?

Begründet wird das endgültige Aus für die Schottergärten mit ökologischen Erfordernissen. Doch was genau Schottergärten sind, bleibt ebenso unklar wie ihre absolute Zahl, ihre Gesamtfläche und der damit verbundene möglicherweise schädliche Effekt für das Ökosystem. Es gebe keine rechtsgültige Definition von Schottergärten und mithin einen „Graubereich“, teilt das baden-württembergische Umweltministerium in entwaffnender Offenheit mit. „In der Praxis ist klar, dass eine Schotterfläche dort unzulässig ist, wo sie eine Grünfläche ersetzt bzw. statt einer Grünfläche angelegt wurde – im Gartenbereich also. Ab wieviel Grünanteilen (vereinzelte Anpflanzungen) aus dem Schottergarten eine Grünfläche wird, ist, wie gesagt, nicht definiert und liegt im Ermessen der Baurechtsbehörden für den Einzelfall.“

Bei dem Medien wirksamen Verbot der vor allem bei städtischen (linksgrünen) Eliten wohl überwiegend aus ästhetischen Gründen verpönten Schottergärten dürfte politische Taktik eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Vergangenes Jahr gelang es Grün-Schwarz in Stuttgart nur mit Mühe, ein „Bienen“-Volksbegehren wie in Bayern abzuwehren, das noch viel rigidere Forderungen nach Naturschutz und Ökologisierung der Landwirtschaft vorsah als im benachbarten Bundesland. Die Bauern waren dagegen Sturm gelaufen und hatten überall im Land mahnende Kreuze aufgestellt. Das neue Naturschutzgesetz soll nun einen Kompromiss darstellen, doch werden die Hardliner aus den eigenen grünen Reihen damit kaum zufriedenzustellen sein. Ist das markige „Verbot“ der Schottergärten nur ein Ablenkungsmanöver?

Wenn man nicht einmal weiß, wie sich die immer noch sehr geringe Zahl reiner Schottergärten auf das Ökosystem auswirkt, könnte man mit gleichem Recht oder Unrecht auch Gartenzwergen (Plastik!) zu Leibe rücken oder der exzessiven Möblierung von Privatgärten mit Mobiliar zur Kinderbelustigung, das in den seltensten Fällen aus nachhaltiger Produktion stammen dürfte. Dabei verlieren die Schottergärten bei näherem Hinsehen sehr viel von ihrem Schrecken. Über Geschmack lässt sich bekanntermaßen trefflich streiten. Doch ähneln sie nicht japanischen Zengärten? Sind sie nicht eine populäre, manchmal zugegebenermaßen auch vulgäre Version dieser kleinen Refugien der Kontemplation mit ihren sorgsam geharkten, das fließende Wasser symbolisierenden Kiesflächen, ihren Bonsai-Bäumchen, Steinsolitären und miniaturisierten Tempelchen?

Manchmal wünschte man vor allem den Grünen etwas mehr fernöstliche Gelassenheit mit den Ausdrucksweisen menschlicher Vielfalt, deren Schutz und Förderung man sich doch auf die Fahnen geschrieben hat. 

Die Homepage von Georg Etscheit finden Sie hier.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Mike Loewe / 14.08.2020

Es gibt Verordnungen zum Schutz des Grundwassers, die zu viel Bodenversiegelung verhindern sollen. Genügend Regenwasser muss im Boden versickern, sonst sinkt der Grundwasserspiegel zu sehr. Überall wo der Boden asphaltiert oder mit Gebäuden zugebaut ist, läuft Regenwasser in die Kanalisation statt in den Boden. Falls das der Hintergrund der Schottergarten-Verbote ist, müsste es irgendwo kommuniziert sein.

Regina Lange / 14.08.2020

Sollte man die private Vorgartengestaltung nicht jedem selbst überlassen?  Muss denn alles von der grünen Khmer reguliert werden! Mir gefallen diese Schottergärten auch nicht, aber das muss doch jeder selber wissen. Demnächst kommt noch eine Verordnung darüber wieviel Blätter Klopapier pro Sitzung benutzt werden dürfen oder besser noch, wieviel Sitzungen es maximal pro Woche sein dürfen! Furchtbar diese immer penetrantere Einmischung ins Private. Politiker stecken ihre Nase immer ungenierter schnüffelnd überall hinein.

Ulla Schneider / 14.08.2020

Meine Güte, ich habe alle Leserbriefe gelesen. Da soll doch noch einer sagen, Achgut ist nicht meinungsvielfältig, wie gestern hier, der Herr mit dem französischen Namen.

A. Kaltenhauser / 14.08.2020

Kürzlich las ich einen Staubsaugervergleichstest vom letzten Jahr. Der Saugleistungs-Sieger wurde mittels Aufsaugen der größten Menge von BIO-Hirse ermittelt. Nun frage ich mich, ist Bio-Hirse für Saugleistungstest besser geeignet als “nomale” Hirse oder verstehe ich die Testverfahren einfach nicht? Ich bin beunruhigt ....

Karl Dreher / 14.08.2020

Was für ein Mist! Ich bin sehr wertkonservativ! Aber meine Gattin fand Gefallen daran, unseren kleinen Garten ohne Gras mit vielen schönen Pflanzen und Bodenbedeckern zu versehen, dazwischen einen schmalen, schönen gepflasterten Weg bis zum Gartentor. Mir gefällt das mittlerweile auch selbst ausnehmend gut. Wenn ich aber jetzt wieder einmal diese “grüne Diktatur” lesen muß, möchte ich am liebsten alles herausreißen und asphaltieren! Keine Sorge:  Ich werde das schon wegen meiner Ehefrau - ich hätte keine passendere finden können - nicht machen. Außerdem hat sie mich überzeugt und ich habe Gefallen daran gefunden. Aber rein als Protest würde es mich schon reizen ...

Rpland Müller / 14.08.2020

Der Schotter im Vorgarten dient vor allem dazu, sich das ständige zupfen von Unkraut zu ersparen. Aber wie kommen diese Schotter-Nazis dazu, auf diese Weise das Unkraut zu diskriminieren?

Dr. Karl Wolf / 14.08.2020

Der Schottergarten ist wie der 300 PS-Bolide eine weitere Perversität einer wohlstandsverwahrlosten Spaßgesellschaft.

Karl-Heinz Faller / 14.08.2020

Ich lege viel Wert auf einen 100% eingefriedeten Garten mit maximalem Sichtschutz. Was der Blockwart nicht weis, macht ihn nicht heiß.

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