Volker Seitz / 13.01.2024 / 06:15 / Foto: Raimond Spekking / 34 / Seite ausdrucken

Ruandas Wirtschaftswunder und deutsche Placebos

Gerade sorgt eine Liste mit Entwicklungprojekten der Bundesregierung für Furore. In Ruanda wird außerdem mit deutscher Förderung eine BioNTech-Fabrik gebaut. Doch dies freut nur die Lobbyisten und nicht den afrikanischen Wirtschaftschampion.

Nach der dunklen Periode mit Massakern und Vertreibungen konnte 2000 eine Regierung demokratisch gewählt werden. Präsident Paul Kagame hat seither mit einem hohen Maß an Entwicklungsorientierung ein beachtliches Wirtschaftswachstum erzielt. Unternehmergeist und ein konstantes Wachstum von sieben bis acht Prozent ziehen ausländische Unternehmen und Institutionen an. Dabei konzentriert sich Kagame auf die Förderung der Entwicklung des privaten Sektors.

Für das Jahr 2024 erwartetet die Economist Intelligence Unit, eine Schwesterfirma des britischen Nachrichtenmagazins The Economist, ein reales Wachstum des Bruttoinlands- Produkts (BIP) von 7,1 Prozent. Damit wird Ruanda vermutlich erneut afrikanischer Wirtschaftschampion.

„Kagame hat es geschafft, Ruanda als stabiles Investitionsziel zu positionieren, unter anderem dank einer erfolgreichen Korruptionsbekämpfung. Gravierende Nachteile, wie geringe Marktgröße und die Binnenlage, können damit teilweise wettgemacht werden. Internationale Geber, die in Ruanda sehr aktiv sind, versorgen den Markt (Bau, Energie, Wasser, Landwirtschaft, Gesundheit) mit reichlich Kapital“, schreibt die GTAI (Germany Trade & Invest).

Hinzufügen möchte ich noch Tourismus und Dienstleistungen. Größter Devisenbringer ist derzeit der Tourismus, weil die Regierung früh den Wert von Wildtier-Tourismus erkannt hat und Reisen zu den Berggorillas geschickt vermarktet.

Lobby für BioNTech und eine unbeirrbare Weltrettungsattitüde

Das zieht natürlich auch Glücksritter wie den Theaterwissenschaftler Holm Keller an. Er leitet die ziemlich unbekannte Stiftung kENUP (Malta), eine Lobbyorganisation (seit 2. Januar 2023 im Lobbyregister des Deutschen Bundestages eingetragen), die nach eigenen Aussagen Innovationen im Gesundheitswesen unterstützt. Er hat BioNTech-Chef Ugur Sahin (oben im Foto) den Weg nach Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, geebnet. Im Juni 2022 wurde in Kigali der Grundstein eines Werks gelegt in der mRNA-Vakzine für den afrikanischen Markt ab 2025 produziert werden sollen.

Natürlich wissen alle Beteiligten, dass es so gut wie keinen Markt für Covid-Impfstoffe in Afrika gibt (Achgut berichtete). Dieser Impfstoff wird weder nachgefragt noch gebraucht, aber der Chef von BioNTech kann sich damit als Wohltäter – auch auf Kosten des deutschen Steuerzahlers – in Afrika präsentieren. Wie Außenministerin Baerbock bei der Eröffnungszeremonie der Produktionsstätte am 18. Dezember 2023 in Kigali sagte, wird das Werk mit 1,2 Milliarden je zur Hälfte von der EU (Global Gateway-Initiative) und Deutschland finanziert. Mit dieser Scheckbuch- oder Bella-Figura-Politik soll dem schwindenden politischen Gewicht und Einfluss Deutschlands in Afrika entgegengewirkt werden.

Sehr sinnvoll und nützlich ist dagegen ein anderes Projekt. In Masaka, einem Vorort von Kigali, wurde am 16. Oktober 2023 das erste Kompetenzzentrum für minimalinvasive Chirurgie in Afrika eröffnet. Ziel ist es, Ärzte aus ganz Afrika in dieser Operationstechnik auszubilden. Bei der minimalinvasiven Chirurgie wird – bei geringerer Belastung der Patienten – ein robotergestütztes Laparoskop in den Körper eingeführt. Finanziert wird das Zentrum von der ruandischen Regierung und von IRCAD (Institut de Recherche contra les Lancers de l’Appareil Digestif), Straßburg.

Kagame schuf eine Leistungsgesellschaft, eine bürgernahe Verwaltung und damit eine höhere Lebensqualität als in den meisten afrikanischen Staaten. Zuständigkeiten und vor allem Ressourcen gingen im Rahmen einer Dezentralisierung an die Kommunalverwaltung über. Ganz nebenbei: Kigali gilt als die sauberste Stadt Afrikas. Und das Gesundheitssystem hat sich – anders als in den meisten afrikanischen Staaten, die ich kenne – positiv entwickelt und deckt mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ab.

Westliche notorisch-besserwisserische Journalisten beschreiben Kagame gerne herabsetzend als „umstritten“, weil er sein Land straff regiert. Wir sollten lernen, dass „Demokratie“ keine universelle Lösung ist. Ruanda ist ein autoritäres System, aber das Gemeinwohl steht im Vordergrund. Der Lebensstandard der Massen wurde substanziell verbessert.

Es gibt nur wenige afrikanische Staaten, von denen man dies sagen könnte. Mir fallen nur Botswana, Mauritius und die Seychellen ein. Warum wohl sitzen in den Flüchtlingsbooten, die übers Mittelmeer nach Europa kommen, keine Ruander? Sie fliegen in die entgegengesetzte Richtung und bringen Wissen, Kapital und Innovation mit.

 

Volker Seitz, Botschafter a. D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“ dtv, 2021, 11. Auflage

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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A. Ostrovsky / 13.01.2024

@Bernhard Freiling >>Immerhin wird der Ruandi im Schnitt 11 Jahre älter als der “Durchschnittsafrikaner”. 11 “elende Jahre” länger mit dem Mangel leben?<<  Das kann nur plumpe Propaganda sein. Ein Land, in dem vor wenign Jahren ein völkisch-faschistischer Bürgerkrieg und Völkermord stattgefunden hat, kann mit entsprechender Geburtenrate das Reservoir schnell wieder auffüllen, aber NIEMALS die Lebenswerwartung um 11 Jahre erhöhen. Ich bitte darum, solche unsinnigen Behauptungen zu unterlassen.

Alex Müller / 13.01.2024

1.2 Mrd Steuergeld für etwas, das noch nicht einmal den Leuten Vorort etwas nutzt? Was machen die dann dort mit den hergestellten “Impfstoffen”? Ins Abwasser kippen? Das Zeug will ja selbst im alternden Europa kaum einer mehr haben. Wenn man überlegt, was man mit soviel Geld Gutes anstellen könnte, hier oder da. Nächste Frage ist für mich, warum lassen die Ruander das zu? So doof kann doch eigentlich keiner sein, den Irrsinn dieser Investition nicht zu erkennen, jedenfalls nicht außerhalb des grünen Dunstkreises.

W. Renner / 13.01.2024

Die Spritzbuben suchen wieder mal auf Staatskosten nach neuen Goldgruben.

Hans Michel / 13.01.2024

Ist das deutsche Geld für die BionTech - Anlage in Ruanda nicht auch eine saftige Subvention? Wollte die Regierung nicht alle Subventionen auf den Prüfstand stellen? Da hatte doch BionTech vor kurzem saftige Gewinne eingefahren und dem fehlt jetzt Geld für eine neue Fabrikationsanlage in Ruanda?

Ulla Schneider / 13.01.2024

Wartet mal ab, wenn der Dual Fluid Reaktor dort läuft. Energie ist die Quelle für Wachstum ( Fremdwort für Grüne).

Michael Neis / 13.01.2024

Bion Dreck immer noch aktiv? Ich wäre dafür, Sahin den Prozess zu machen..

Sam Lowry / 13.01.2024

Wieso stand der bis dahin erfolglose “Grottenolm” (Zitat Tim Kellner) bereits 2018 beim World Health Summit mit Merkel, Gates und Ghebreyesus zusammen auf der Bühne??? (wurde dann nachträglich aus dem Bild rausmontiert!)

Bernhard Freiling / 13.01.2024

Danke, Herr Seitz, für Ihre Antwort. # Weder bin ich ein Kagame-Gegner, noch dem Land Ruanda negativ gegenüber eingestellt. Ich bin halt nur ein Erbsenzähler. Und wenn ich lese, daß ein “Herrscher” in 23 Jahren den von ihm regierten Volk zu einem BIP, großzügigerweise setze ich das jetzt Mal mit dem Volkseinkommen gleich, von noch nicht mal 3$ pro Tag verholfen hat, dann kann ich darin wenig Gutes erkennen. Ob der Mann in die eigene Tasche gewirtschaftet hat oder nicht, ob er überproportional Frauen beschäftigt oder nicht. # 2022 erhielt Ruanda weltweite Entwicklungshilfe von rd. 1,1 Mrd. $. Das entspricht rd. 10% des BIP. Was hat er mit dem Geld angefangen? Und mit all dem, was Ruanda während seiner Regierungszeit zugeflossen ist? Ist das alles in der Gesundheitsfürsorge versackt? Immerhin wird der Ruandi im Schnitt 11 Jahre älter als der “Durchschnittsafrikaner”. 11 “elende Jahre” länger mit dem Mangel leben? Vielleicht habe ich ja auch nur eine völlig verkehrte Sicht auf die Dinge und kann mir nicht vorstellen, wie “man”, auch in Afrika, mit 3$ pro Tag ein halbwegs glückliches Leben führen kann. # Keinesfalls möchte ich Ihre persönliche Expertise in Frage stellen. Dazu fehlt mir der Einblick, über den Sie aufgrund Ihrer früheren Tätigkeit zweifellos verfügen.

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