Im Zuge des Erstarkens der Linkspartei gewinnt der Mythos des Prager Frühlings in Deutschland jetzt neuen Auftrieb. Die verklärte Erinnerung an ihn wird instrumentalisiert, um an einem neu aufgewärmten, ahistorischen Idealbild von Sozialismus zu stricken. Dass ausgerechnet die Linkspartei, in der Apologeten der DDR-Diktatur nach wie vor eine gewichtige Stimme haben, das Erbe jener tragischen Revolte gegen die kommunistische Unterdrückung für sich vereinnahmt - in ihrem Umkreis gibt es sogar eine Zeitschrift namens “prager frühling” -, entbehrt nicht des Zynismus. Die Gysi-Lafontaine-Partei kann dabei aber an die jüngste Legende der deutschen Linken anknüpfen. Ihr zufolge hätten die Ziele des Prager Frühlings in den Wendejahren 1989/90 doch noch eingelöst werden können, wäre der Prozess nicht wieder durch eine brutale Intervention vor der Zeit abgebrochen worden - diesmal durch die Invasion des westlichen Kapitalismus. Die Lehren der Dissidenten und der schwierige Lernprozess, in dem sie sich von den geistigen Fesseln der sozialistischen Zwangsideologie befreiten, drohen darüber in Vergessenheit zu geraten. http://www.welt.de/welt_print/arti2345614/Das_lange_Nachleben_eines_kurzen_Aufstands.html