Peter Grimm / 10.02.2018 / 06:15 / Foto: EPP / 20 / Seite ausdrucken

Retour à Bruxelles, camarade Schulz?

Ein gutes Jahr hat der Ausflug von Martin Schulz in die deutsche Politik nun gedauert. Für einen Jahreszeitraum hat er seiner Partei eine rekordverdächtige Zahl an politischen Desastern hinterlassen. Um es positiv zu formulieren: Die Zerstörung des alten Modells der Volksparteien ist durch ihn ein gewaltiges Stück vorangebracht worden. Ob er mit dem aktuellen Schmierentheater am Personalkarussell für die SPD nicht sogar das Finale eingeläutet hat, wird man erst später wissen.

Seinen letzten Erfolg, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Koalitionsverhandlungen so weit niederzuringen, dass er Außenminister hätte werden und noch das Finanzministerium mit einem Genossen besetzen können, vermag er nun nicht mehr zu genießen. Er ist ausgerechnet der Stimmung in der SPD-Basis zum Opfer gefallen, mit deren möglicher Ablehnung des Koalitionsvertrages er Angela Merkel so nachdrücklich drohen konnte, bis sie in fast allen ihm wichtigen Punkten nachgab. Fällt er nun in die Grube, die er seiner Verhandlungspartnerin grub, selbst mit hinein?

Der realistische Eindruck des reinen Postenschacherns, den die stimmberechtigten Genossen gewonnen haben, lässt sich mit keinem Verweis auf die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wegwischen. Die Zustimmung der Basis ist trotz des Rückzugs des Genossen Noch-Vorsitzenden von seiner angestrebten Regierungsbeteiligung, die er zuvor noch lautstark ausgeschlagen hatte, unsicherer geworden.

Selbst wenn es die Koalition schaffen sollte: Bei den Wählern ist diese desaströse Aufführung des Koalitionstheaters noch weniger mit angeblichen SPD-Inhalten zu zerstreuen. Die sind ohnehin zunehmend sauer, dass die wirklich bedrohlichen Themen, wie Zuwanderung und Euro-Krise, von den Polit-Akteuren weitgehend beschwiegen werden. Egal, wie die Koalitionsabstimmung ausgeht, die SPD wird sich in jedem Fall in den nächsten Wahlen auf katastrophale Ergebnisse einstellen müssen.

Dass auch Angela Merkel nun so weit in Bedrängnis gerät, dass sie sich zu personellen Konsequenzen genötigt sieht, ist eher unwahrscheinlich. Sie wird auch das aussitzen, wohl wissend, dass die meisten Parteifreunde in den Führungsebenen zwar murren, sich aber sicherheitshalber trotzdem nicht so weit aus der Deckung wagen, offen ihren Rücktritt zu fordern.

Was wird nun aus den Akteuren? Sigmar Gabriel, so ist zu vermuten, darf Außenminister bleiben. Seine zuvor abgesagte Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz hat er inzwischen zugesagt. Dessen Rivalin Andrea Nahles wird sicherlich wie geplant Parteivorsitzende und der mutmaßliche Finanzminister Olaf Scholz könnte sich als künftiger Kanzlerkandidat warmlaufen. Nur die Wahlergebnisse könnten einen eigenen Kanzlerkandidaten vielleicht von vornherein lächerlich wirken lassen. Und mit einer solchen Troika an der Spitze hatte die SPD einst auch nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht.

Aber zum Schluss: Welche Rolle ist Martin Schulz zugedacht? Ganz einfach: Er geht zurück nach Brüssel, 2019, als EU-Kommissar. Es ist zu vermuten, dass die Kanzlerin ihm das für den Fall, dass sie dann Dank der SPD noch Kanzlerin ist, in Aussicht gestellt hat. Denn sein Rückzug ist für sie existenziell. Auch Martin Schulz kann nur beim Gelingen des Mitgliedervotums in sein geliebtes Brüssel zurückkehren. Nach einem Ausflug in die Rollen des Hoffnungsträgers mit 100-prozentiger Zustimmung bis hin zu der des peinlichen Postenschacherers, der zuvor jede Wahl vergeigt hat, wäre er dann endlich in dem EU-Gremium angekommen, in denen Basis-Abstimmungen oder direkte Wahlen kaum noch Einfluss auf die eigenen selbstherrlichen Entscheidungen zu nehmen vermögen.

Die SPD-Mitglieder haben nun abzustimmen. Nicht so sehr darüber, ob die Punkte im Koalitionsvertrag umgesetzt werden oder nicht. Ihr Ja oder Nein entscheidet lediglich, ob Angela Merkel Kanzlerin bleiben kann. Und ob es für den Genossen Schulz demnächst zurück nach Brüssel geht. Das wäre allerdings keine Abschiebung, sondern die Beförderung in ein Amt, in dem er noch mehr Schaden anrichten kann, als bisher.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Markus Mertens / 10.02.2018

Bisher hat das Polit-Versagen des Herrn Schulz nur dazu geführt, dass Merkel das letzte Hemd der CDU an die SPD verhökert - Hauptsache ist doch, Kanzlerin zu bleiben. Was aus der CDU wird, ist egal. Sollte die Koalition zustande kommen, hätten Scholz und Gabriel durchaus die Möglichkeit, das Blatt zu wenden zugunsten der SPD. Sofern sie kooperieren und die Zeichen der Zeit erkennen (können).  Aber Schulz und Merkel:  Beiden geht es nur um Posten. Beide sind nicht mehr zu halten. Schulz ist schon draußen, doch die absolute Farce wäre es, sollte Merkel es wagen, bei einer evtl. Neuwahl wieder als Kandidatin anzutreten.  Mit dem Plan , nachher Schwarz-Rot-Grün zu machen. Lindner hatte das rechtzeitig erkannt und “Jamaika” geschmissen. Statt Lindner dafür zu kritisieren, ist jede/jeder aufgerufen, bei künftigen Wahlen mit dem Stimmzettel der Farce ein Ende zu machen und uns weitere Merkel-Jahre zu ersparen. Es ist dabei gleich, ob die SPD 28, 20, 17 oder auch 11 Prozent bekommt - sie ist immer in einer “GroKo” mit dabei, sie wird von Merkel immer hofiert werden. Das Ende der Postenschacherparteien (und Merkels)  ist leider nur mit einem Total-Absturz der CDU zu haben - soviel Mut an der Urne muss schon sein.  Solange die CDU aber über 30% erzielt, wird sich nichts ändern.

Ursula Horvath / 10.02.2018

Tja, geht der “Geheiligte Martin”  zurück nach Brüssel, dann ist er in seiner Wohlfühloase wo er nichts anderes machen muss, als Dummschwätzerei ohne Verantwortung zu übernehmen.  Sollten sich in Brüssel Querdenker befinden, dann schreit er diese hysterisch nieder, denn Schulz ist ein lupenreiner Apparatschik vor dem sich Jeder mit Gehirn eigentlich fürchten sollte, denn diese mutieren auch ab und an zu miesen Diktatoren!  Der SPD sei Dank, dass sie wenigstens im Fall Schulz, noch die Reissleine gezogen hat, wenn auch aus Selbsterhaltungstrieb! Nun müssen nur noch die Zwei Lichtgestalten der grassen Lügereien vom Schirm verschwinden, denn auch deren Zeit ist längst abgelaufen. Die meisten hier zu Lande,  können diese Zwei nicht mehr ohne Brechreiz ertragen!

Johannes S. Herbst / 10.02.2018

Das Ja oder Nein von uns Genossen entscheidet auch, ob Seehofer als Heimat- und Innenminister nach Berlin geht. Und AM kann immer noch nach Berlin - als Kanzlerin einer Minderheitsregierung. Und die kann immer noch ein paar gute Vorhaben der Kroko umsetzen - wenn die Große Opposition mitspielt.

Stefan Bley / 10.02.2018

Mein Tipp an den am Ende seines Berufslebens stehenden Schulz ist; Einen Teil seiner unehrenhaft ergaunerten EU-Sitzungsgelder spenden, sich zur Ruhe setzen, die so gewonnene Freizeit für ein Ehrenamt mit sozialem Engagement nutzen und so die von ihm vehement eingeforderte „soziale Gerechtigkeit“ vorleben.  Unsere Erwartungshaltung an unsere Politiker sollte sein, dass sie ihren Forderungen auch mal mit Taten Nachdruck verleihen.  Ich fürchts aber, an Glaubwürdigkeit liegt dem Herrn Schulz auch zukünftig nichts.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com