Von Reinhard Schlieker
Traditionell gute, ja ausgezeichnete Wirtschaftsbeziehungen zu Teheran, das ist, oder vielmehr war, eine Standardäußerung deutscher Unternehmen, wenn es um die Handelstätigkeit im Iran ging. Die Wirtschaftssanktionen gegen das Land, das zur atomar-islamischen Republik mutieren will, dämpfte den löblichen Warenaustausch, auch wenn ja nur die Lieferung solcher Güter eingestellt werden sollte, die militärisch zu ge- und zu mißbrauchen sind. Dennoch –es reichte 2008 für deutsche Exporte im Wert von 3,9 Milliarden Euro und Importe aus dem Iran von knapp 600 Millionen Euro. Ein Zacken in der Krone des Exportkönigs Bundesrepublik wurde sicher in Teheran gegossen. Maschinen, Chemieprodukte und Ähnliches schippern nach Osten, und, wen wundert’s, Öl schwappt zurück – im wesentlichen. Das alles muss man berücksichtigen, wenn es in Kürze darum gehen wird, den Ayatollahs weitere Sanktionen anzudrohen. Während Teheran nicht entscheidend für den deutschen Wirtschaftskreislauf ist – ganz so ohne ist es auch nicht. Allerdings fragen sich auch Experten, denen das Geldverdienen eher nicht am Herzen liegt, ob weitere Sanktionen einen Sinn ergäben. Das Hauptargument: Gerade im Bereich von Investitionsgütern leidet das sanktionierte Land erst mit erheblicher Verzögerung – wenn überhaupt. In den Jahren, die es bis zur Wirksamkeit dauert, können sich Blockadebrecher gut und bequem positionieren und dann rechtzeitig einspringen. Eine Sanktion, die von allen UNO-Staaten geschlossen getragen wird, ist Illusion. Wen es allerdings direkt trifft, sind die kleinen Händler und die einfache Bevölkerung. Zum einen durch Preissteigerungen, zum anderen durch Knappheiten. Teheran beispielsweise importiert Reis aus Asien – wenn das abbricht, steht es bitter um die Versorgungslage. Ähnliche Schneisen der Verwüstung würde ein Ölembargo schlagen (und die weltweiten Rohstoffpreise antreiben, aber das lassen wir mal außen vor).
Bleibt ein Blick auf die mögliche politische Entwicklung. Das theokratische Regime erscheint in diesen Tagen zwar noch als Herr der Lage. Aber aus Haarrissen in der Führung sind inzwischen handfeste Bruchstellen geworden. Der eine Islamist traut dem anderen nicht, und das ist eine gute Nachricht. Die sogenannten revolutionären Garden und die Prügeltruppe der Bassidsch-Milizen scharren mit den Hufen, als wollten sie ihren eigenen Untergang beschleunigen – nicht wahrnehmend, dass ihre Steinzeit-Militanz in den Zeiten von Internet und SMS keine Chance mehr hat. Die ehemaligen Präsidenten Chatami und Rafsandschani stellen sich fast offen auf die Seite der Opposition, und vom glorreichen Wahlsieger Achmadinedschad hört man – kaum mehr etwas. Es äußern sich vornehmlich die, bei denen ohnehin die Macht liegt: Wächterrat und geistliche Führung. Und die reden sich um Kopf und Kragen. Nein, wer den Machtkampf schon als entschieden ansieht, dürfte sich irren. Mag es auch noch dauern, ein Jahr oder auch zwei Jahre – der erste Stein ist aus der Mauer gebrochen. Und selbst wenn die Opposition nicht mehr auf die Straße gehen sollte, hinter halboffenen Türen wird sie weiterdiskutieren. Ein demokratisches Regime im Iran? Das allerdings klingt eher wie Utopie. Auch die oppositionellen Kräfte sind keine lupenreinen Demokraten, von einer Säkularisierung kann man höchstens träumen und das Atomprogramm ist so eine Art Schrein der nationalen Identität. Dennoch: Wenn einmal kein psychisch herausgeforderter Israel-Hasser mehr am Knopf sitzt, sondern jemand, der einigermaßen legitimiert ist, braucht Teheran vielleicht nicht mehr so viele Selbstbestätigung wie heute. Und: So wie im Iran hat er in vielen Ländern einmal angefangen, der Drang nach mehr Freiheit. Was herausgekommen ist, nun gut… Aber vielerorts ist es besser als zuvor, und mehr darf man erst einmal in einer komplex unvollkommenen Welt vielleicht nicht erwarten.