Gastautor / 18.08.2008 / 16:12 / 0 / Seite ausdrucken

Pasta a la PFLP

Im Rahmen der schon an sich nicht gerade überschaubaren italienischen Geschichte nehmen die „bleiernen Jahre“ eine gesonderte Stellung ein: Sich einen halbwegs neutralen und wahrheitsgetreuen Überblick über Akteure und Motive der Zeit von 1969 bis Anfang der 80er, die mit Sprengstoffanschlägen von „rechts“ und Erschießungskommandos von „links“ übersät war, zu verschaffen, ist für den Laien nahezu unmöglich. Die juristische Aufarbeitung verlief häufig im Sande oder brachte völlig widersprüchliche Ergebnisse hervor.

Nun häufen sich aber die Belege einer denkwürdigen Verstrickung der palästinensischen PFLP in italienische Belange ein. Dass linksextreme Terrororganisationen von arabischen „Befreiungsaktivisten“ unterstützt wurden, weiß man nur zu gut von der RAF und den Brigate Rosse. Dass aber der damalige Regierungschef Aldo Moro höchstpersönlich eine Art „Nichtangriffspakt“ mit der PFLP geschlossen haben soll, der den Arabern freie Hand gewährte, Italien als Stationierungs- und Transportstützpunkt zu benutzen, wundert alle Nicht-Verschwörungstheoretiker doch ein wenig. Im Gegenzug sollen die Palästinenser versprochen haben, Italien von Attentaten zu verschonen und keine „Aktionen“ von italienischem Boden aus zu starten.

Diese Informationen kommen aus der Feder von Francesco Cossiga, der zwar als ehemaliger Justizminister und Staatspräsident beste Quellen haben müsste, wegen seiner häufigen Meinungswechsel aber mit Vorsicht genossen werden muss. Allerdings lassen die Bestätigungen von Bassam Abu Sharif, dem damaligen Sprecher der PFLP, und von Giovanni Pellegrino, dem ehemaligen Vorsitzenden des entsprechenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses, vermuten, dass an der Angelegenheit doch etwas Wahres dran sein könnte.

Sie könnte ein neues Licht auf einige der vielen ungelösten Rätsel der siebziger Jahre werfen, vor allem auf das Sprengstoff-Attentat auf dem Hauptbahnhof von Bologna am 02.08.1980, für das drei Neofaschisten hinter Gittern sitzen. Jetzt sollen es entweder die Palästinenser selbst gewesen sein oder palästinensische Sprengstoff-Kuriere, die vom Mossad oder der CIA in die Luft gejagt wurden.

Hier wird zugleich die Gefahr deutlich: Führt die neue Piste näher an die Wahrheit heran? Als erstes wurde die Nachricht von den Neofaschisten freudig aufgenommen, allen voran vom neuen römischen Bürgermeister Gianni Alemanno. Gefordert wird die (mittlerweile fünfte) Revision des Urteils. Ernste Bedenken sind angebracht. Es wäre nicht das erste Mal in Italien, dass Lagerdenken über die Wahrheitsfindung siegt.

Dr. Luca Rebeggiani

Die Links:
(Cossiga)
http://archiviostorico.corriere.it/2008/agosto/15/Non_vidi_carte_sempre_saputo_co_9_080815061.shtml
(Bassam Abu Sharif)
http://www.corriere.it/cronache/08_agosto_14/lodo_moro_sharif_a89227b4-69d2-11dd-af27-00144f02aabc.shtml
(Giovanni Pellegrino)
http://archiviostorico.corriere.it/2008/agosto/15/Cossiga_Pellegrino_lodo_Moro__co_9_080815007.shtml
(Gianni Alemanno)
http://www.repubblica.it/2008/08/sezioni/cronaca/strage-bologna/alemanno-no-verita-comodo/alemanno-no-verita-comodo.html

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