Der Präsident des Leipziger Amtsgerichts scheint Briefe an die Mitarbeiter gern im Ausnahmezustands-Duktus zu schreiben. Mal drohte er mit der Ausgrenzung Ungeimpfter, dann beschwerte er sich über „Querdenker", warnte vor gefährlichen Russen und jetzt gibt er Ratschläge für den Blackout.
Gerichtspräsident Michael Wolting ist bereits im Mai 2021 von Achgut.com gewürdigt worden, weil er seinen Mitarbeitern in einem Schreiben unter dem Stichwort „Impfen ist lebenswichtig" die „Maßnahmen des Amtsgerichtes Leipzig" in Sachen Impfung ausrichten ließ. Erinnern wir uns ruhig kurz an die Worte des Gerichtspräsidenten im Frühjahr letzten Jahres an impfunwillige Mitarbeiter seines Gerichts:
„Ich sage es ganz offen: nicht Geimpfte werden auch bei uns zunächst keine Vorteile und dann vielleicht sogar Nachteile haben. Zwei oder mehr von ihnen werden dauerhaft nicht ohne Schutzmaske in einem Büro sitzen dürfen. Ungeachtet dessen, dass es auch die Masken von uns nicht dauerhaft geben wird: wir werden es organisatorisch möglicherweise nicht einrichten können, sie dann so einzusetzen, dass Dritte durch sie oder sie durch Dritte nicht gefährdet werden. (...)
All das wird gesellschaftlich und gerichtsintern in sicher unterschiedlichen Ausprägungen weniger diejenigen betreffen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, aber es sollte bitte niemand darauf vertrauen, dass ein schlichtes 'lieber nicht, ich warte auf die Langzeituntersuchung der Impffolgen' dauerhaft Akzeptanz finden wird. Denn hinter Plexiglas-Trennscheiben wird wohl kaum jemand sein weiteres Leben verbringen wollen."
Nun muss man ja in der Rückschau sagen, dass die deutsche Politik bald darauf tatsächlich auf die Impfnötigung durch weitgehende Ausgrenzung der Ungeimpften aus dem öffentlichen Leben gesetzt hat. Insofern war der Gerichtspräsident durchaus vorausschauend. Deshalb lohnt es sich vielleicht, einen Blick auch auf einige seiner späteren Mitarbeiter-Rundschreiben zu werfen. Aktuell hat sich Wolting zum Verhalten bei einem Blackout geäußert, doch hier soll sein Hauspost-Werk chronologisch gewürdigt werden.
Ein spezieller Neujahrsgruß
Im Januar 2022 nutzte der Gerichtspräsident ein Rundschreiben zum neuen Jahr offenbar zu Bemerkungen über „Querdenker" und „Corona-Leugner", die gegen Corona-Maßnahmen protestierten. Das Leipziger Stadtmagazin kreuzer-leipzig.de berichtete:
„Seinen Neujahresgruß beginnt Wolting mit einer bösen Vorahnung. 'Für impfskeptische Esoteriker, Querdenker und andere harte Staatsgegner (m/w/d+) scheint das Jahr 2022 gut zu beginnen. Weil die Polizei nicht in der Lage ist, ihrer Herr zu werden, dürfen sie nun bald völlig ungehemmt ihrer Lieblingsbeschäftigung frönen: spazieren gehen', schreibt Wolting und reflektiert zugleich die Erwartungen an die Justiz. 'Parallel dazu wird wie üblich aufgefordert, der Staat solle Chaoten dieser Art mit der vollen Härte des Rechtstaat… - aber das kennen Sie ja alle.'
Neu sei nach Woltings Auffassung, dass sich die Aufforderungen der Politik fast ausschließlich an die Justiz richteten: ,Dass uns diese Menschen auch jemand zuführen muss, bevor wir sie verurteilen können, bleibt natürlich unerwähnt.'"
Im März 2022 beschäftigte sich der Gerichtspräsident in einem vertraulichen Rundschreiben mit dem Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf sein Gericht. Das Anliegen ist grundsätzlich nachvollziehbar, aber der Ton war offenbar für das Schreiben eines Richters eher befremdlich, wie die taz seinerzeit berichtete:
„Das vierseitige Schreiben trägt den offiziellen Briefkopf der Behörde. Es liegt der taz vor. Wolting kündigt einen 'psychologisch begleiteten Austausch' an, Arbeitstitel: 'Angst vor dem Krieg'. (...)
Die Diktion überrascht dann aber doch. (...) Er zieht den Vergleich des russischen Truppeneinsatzes mit 'marodierenden Horden' von Sowjetsoldaten, die am Ende des Zweiten Weltkrieges deutsche Frauen vergewaltigt hätten. Und urteilt über damals wie heute: Diese Sünden seien der Läuterung im Fegefeuer 'nicht zugänglich, sie führen unweigerlich, direkt und für die Ewigkeit in die Hölle'.
Es sind heftige Worte für einen Juristen. Bemerkenswert sind zusätzlich die Konsequenzen, die Wolting für die täglichen Abläufe im Leipziger Gericht ankündigt. Es gebe 'vielfältige Versuche Russlands, die westlichen Demokratien und ihre Institutionen zu destabilisieren', argumentiert er, deshalb seien 'höchste Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten'.
Konkret hat der Gerichtspräsident seinem Rundschreiben zufolge die Wachtmeister mit verschärften Eingangskontrollen beauftragt. 'Alle Entscheiderinnen und Entscheider des Amtsgerichts helfen bitte mit, indem sie Termine, die Russen oder Weißrussen in das Haus führen würden, einer kritischen Prüfung unterziehen.' Sämtliche Termine mit Staatsangehörigen aus Russland, Belarus 'oder dieser Herkunft' seien an die Wachtmeister zu melden, 'wir werden dann prüfen, was davon unter Sicherheitsaspekten möglich ist'."
"Gehen Sie nicht auf die Straße"
Der Leipziger Gerichtspräsident teilt nicht nur seine Meinung zum Corona-Ausnahmezustand oder dem Ukraine-Krieg mit den Mitarbeitern des Amtsgerichts, sondern neuerdings auch zur Energiekrise, konkret zu bevorstehenden Blackouts.
„In einem Schreiben an seine Mitarbeiter malt Gerichtspräsident Michael Wolting ein düsteres Bild von der Stadt, falls es im Zuge der Energie-Krise zu einem Blackout kommt, also der Strom ausfällt", heißt es am heutigen Freitag bei bild.de.
„,In diesem Fall droht unmittelbare Lebensgefahr', schreibt Wolting. 'Sie können voraussichtlich nicht mehr telefonieren und es werden menschliche Verhaltensweisen zu Tage treten, von deren Existenz Sie bislang überhaupt nichts ahnen', mahnt er seine Mitarbeiter.
Sein Rat: ,Gehen Sie in dieser Situation auf keinen Fall allein auf die Straße, statten Sie sich mit einer stabilen Taschenlampe und insbesondere als Frau mit Pfefferspray aus.'"
Das ist natürlich alles nicht falsch, aber als Mitarbeiterrundschreiben des Gerichtspräsidenten befremdet es dennoch. Allerdings hatte er ja mit den anfangs zitierten Ausgrenzungsdrohungen für Ungeimpfte aus dem Mai 2021 am Ende recht behalten. So ähnlich sah dann die Realität ja aus. Auch mit dem letztgenannten Zitat könnte er recht haben. Aber dennoch ist es für einen Gerichtspräsidenten schon auffällig, wenn ihn Not- und Ausnahmezustände zur Hauspost zu beflügeln scheinen.