Jesko Matthes / 19.03.2020 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 73 / Seite ausdrucken

Notizen eines Allgemeinmediziners 19.03.2020

Mit heutigem Tag (18.03.2020) knapp 400 Abstriche für das Gesundheitsamt gemacht. Da anlässlich Ausbruch in Schule und paar Rückreisender aus Spanien, Italien und Tirol, nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung – kaum einer über 40. Es kommt also eine Stichprobe der jüngeren Leute zustande.

Weiter keinerlei Lösung für Schutzkleidung in Sicht. Von BMG und Hausärzteverband weiter keine Antwort auf entsprechende Anfragen.

Klinikum Lüneburg steht bereits still. Reserve an Schutzkleidung dort geschätzt vierzehn Tage. Plan, eventuell Funktionsbereiche wie Endoskopie mit Betten zu bestücken. Folge: Keine Endoskopien mehr, gefährliches Spiel. Zu wenig Personal. Urlaube müssen genommen werden, bisher keine Sperre.

Alle hausärztlichen Kollegen vor Ort im Zweifel, wie mit Hausbesuchen bei Hustenden zu verfahren ist. Keine Schutzkleidung = nicht hinfahren, per 116 117 den KV-Dienst überlasten (der auch keine Schutzkleidung hat) und dann logischerweise per 112 den Rettungsdienst. Ab da konvergiert alles auf die Klinik. Oder 112 lehnt ab, dann bleiben die Leute unversorgt, oder Kollegen riskieren ihre Gesundheit, die Dritter und den Betrieb der Praxis.

Alles ungelöst. Noch nicht dramatisch, aber bereits zum Zerreißen angespannt. Bislang kein ausgewiesenes Notfallkrankenhaus.

Sonnabend gehe ich wieder abstreichen, die Sache läuft jetzt auch am Wochenende. Noch sind in der Klinik genügend Abstrichröhrchen da.

Alle Lüneburger Seniorenheime unter Quarantäne. Halte Telefonkontakt für etwa fünfzig Patienten.

In meiner Praxis Notbetrieb, immer nur drei Patienten gleichzeitig, da Tresen 4 Meter, Sicherheitsabstand 2 Meter. Warteschlange draußen. Wartezimmer mangels Distanz außer Betrieb, Datenschutz fast unmöglich. Auch die einfachen OP-Masken gehen aus, da vier Mann Personal. Abends trocknen lassen, wieder verwenden, dabei von außen nicht anfassen. Noch 4 l Desinfektionsmittel, Handschuhe noch zehn Packungen, beides bei sehr hohem Verbrauch.

1 kg Chloramin für Schlussdesinfektion durch Reinigungspersonal bestellt. Lieferung angeblich morgen. Kommt aus der Tierhandlung.

Apotheke nebenan meldet 600 Medikamente nicht lieferbar, Paracetamol bundesweit ausverkauft, nächste Lieferung unklar, da aus Indien, das nicht mehr liefert. Ständige Beschäftigung mit Rezeptänderungen und Notlösungen für Chroniker, auch bereits bei vielen Blutdruckmedikamenten und Antidepressiva.

Abends Angela Merkel: Deutschland stehe "vor der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg." Es habe seither nichts gegeben, "bei dem es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt". – Solidarisches Handeln im Zweiten Weltkrieg? - Die L.T.I.  ist wieder da.

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Chr.Friedemann / 19.03.2020

@ E. Thielsch Danke für Ihre Bestätigung des gesunden Verstandes. Hier meine Erfahrungen: Statt Stroh-Rum geht auch Prima Sprit (hat schon die richtige Konzentration und ist preiswerter, außerdem gehen im Supermarkt alle dran vorbei…). Spiritus muß auch verdünnt werden und ist vergällt, also Vorsicht bei allem was den Weg zum Mund finden soll (gilt für alle Chemikalien) Chlorbleichlauge ist im Pool-Bereich handelsüblich (mußte 25kg kaufen, gab es nicht kleiner). Aber bitte an ALLE Interessenten zur DRINGENDEN Beachtung: Die Alkohole brennen oder verpuffen/explodieren ohne Vorwarnung - Zündquellen fern halten!  Chlorbleichlauge ist in handelsüblichen Konzentrationen stark ätzend. Das bedeutet: chemikalientaugliche Handschuhe (sind nicht ausverkauft weil kosten Geld) + Schutzbrille + hautbedeckende Schutzkleidung beim Verdünnen unerläßlich! Im Internet gibt es Sicherheitsdatenblätter für alle Chemikalien - vor Kaufentscheidung beschaffen, lesen, verstehen und DANACH entscheiden was man sich zutraut. Man übernimmt Verantwortung! Bleibt gesund.

Hans Meier / 19.03.2020

Ja, es hat schon große Solidariät im 2. Weltkrieg gegeben. Meine Großeltern berichteten davon. Nicht immer und überall, aber angesichts der antisemitsichen Verbrechen ist schon erstaunlich, daß die Kanzlerin gerade auf die Solidarität im 2. Weltkrieg verweist. Übrigens hat sie das Jahr 2015 unterschlagen. Ich stand zu Sylvester auf der Rheinbrücke in Bonn und wunderte mich über die unerwartet gereizte Stimmung, als plötzlich eine Rakete direkt an meiner Hutkrempe explodierte. Was gleichzeitig an der Domplatte abging, wußte ich da noch nicht. Damals und seitdem hätte ich mir Solidarität und Zusammenahtl derer, die schon länger hier leben, sehr gewünscht. Stattdessen wird man von seinesgleichen noch beschimpft. Aber schön, daß jetzt endlich die Grenzen geschlossen sind.

Ralf Pöhling / 19.03.2020

Hochinteressante Ausführungen. Unser System ist voll von Abhängigkeiten, die im Krisenfall sofort zum Flaschenhals werden. Die Entscheider sitzen weit weg und haben deshalb keinen Einblick in wichtige Details, gleiches gilt für die Lieferanten von dringend benötigtem Material. Zivil- bzw. Katastrophenschutz funktioniert nur dann, wenn lokal entsprechende Ressourcen vorgehalten werden und entsprechende Kompetenz und Entscheidungsgewalt vorhanden ist. An der lokalen Kompetenz mangelt es nicht. Es mangelt an allem anderen. Zusatz: Bei uns im Jobcenter wird die Kundschaft derweil nur noch über Briefkasten und Gegensprechanlage oder Telefon abgefertigt. Was so manchen dazu bringt, seinen Frust an der Klingel oder der Tür abzulassen. Nur die absolut zwingenden Notfälle werden eingelassen und auf der am weitesten vom Kundenzentrum entfernten Bank im Wartebereich platziert, was dann zu deprimiert dreinblickenden Kunden führt. Ich bin überaus gespannt, wie sich das Ende dieses bzw, der Anfang nächsten Monats entwickelt, wenn sich sämtliche Kurzarbeiter und Pleitegänger bei uns einfinden, um nicht zu verhungern und auf der Straße zu landen. Extreme Situation. Wenn da noch mehr an Struktur und Versorgung wegbricht, wird es schwierig. Viele sind immer noch der Meinung, Deutschland könne nicht zusammenbrechen. Das ist ein Trugschluss, der schlicht da seinen Ursprung hat, dass so etwas bisher in ihrer eigenen Lebenszeit noch nicht passiert ist. Es gibt für alles ein erstes Mal im Leben. Und danach ändert sich üblicherweise das Weltbild komplett.

Thomas Lanzerstorfer / 19.03.2020

Mit der Anzahl der Toten ist das auch so eine Sache . ScienceFiles schreibt heute dazu in “Italien: der Tod wächst exponentiell – Teststatistik und Her Majesty – COVID-19 update” über den Iran und in “ 2019-nCoV Cover-up: (Viel) Mehr Tote als offiziell verlautbart?” über China Zu den Zahlen aus China gibt es ??? zB die Stickoxidmessungen über Wuhan während des lockdowns. Nachdem das publik wurde, hat man die Krematorien wieder auf Normalbetrieb gebracht.Dazu gab es anscheinend auch “tweets” auf Weibo. Die vom Satelliten sichtbaren Massengräber im Iran zeigt ScienceFiles. Iranische Reisende waren so hörte man für Eden Ausbruch im Libanon und in einigen Golfstaaten verantwortlich. Daraufhin haben Wissenschaftler Simulationen gerechnet und festgestellt dass die Iranischen Zahlen zu diesem Zeitpunkt annähernd das Zehnfache der offiziellen Zahlen sein müssen. Es könnte also auch locker die doppelte Anzahl oder mehr Tote geben. Die deutschen Zahlen nimmt laut ScienceFiles ohnehin niemand soo ernst

Frances Johnson / 19.03.2020

@ von der Böse, klar das da Smog rausgepickt wird. Deswegen haben wir ja auch einen Cluster in Ischgl und in Tirol, einen in Seattle, Washington State und einen zweiten wachsenden in Colorado. Ich hatte bei der Letalitätsrate um Mailand, wenn überhaupt, an Dämpfe in der Textilindustrie oder gar Vorschädigung der Lungen durch Seveso gedacht. Für Jüngere: Chemieunfall Seveso.

Gerd Kistner / 19.03.2020

Frau Thielsch sollte die Konzentration von Ethanol bei Ihrer Empfehlung prüfen. Easy ist ganz sichr gar nichts. Verinnerlichen Sie bitte Ihr Stroh.

Frances Johnson / 19.03.2020

@ H.Frank: Der Arzt trägt die Verantwortung, dass der Abstrich sachgerecht gemacht wurde und ist auch dafür versichert. Bitte erklären Sie, warum eine Schwester oder Praxishilfe keine Pockenimpfung durchführen durfte, obwohl die so leicht aussieht. Ich verzichte auf eine Antwort.

Thomas Lanzerstorfer / 19.03.2020

An jene, die “es gibt doch erst 1x.000 Fälle” sagen. 1) Es gibt eine Verzögerung zwischen Infektion und Aufschlagen im Gesundheitssystem. In China waren das ca. 10 Tage. 2) Zahlen von der Morgenpost 16.3 ca   7.300; 19.3 ca 14.500; dh eine Verdopplung ca alle 3 Tage 3) in 9 Tagen wären es in Deutschland dann ca 116.000 Diese 116.000 in 9 Tagen sind aber schon HEUTE infiziert. Selbst wenn die Bundeswehr Fenster und Türen verrammelt, kann man daran aufgrund dieser Verzögerung nichts mehr ändern.

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