David Harnasch / 27.08.2007 / 21:52 / 0 / Seite ausdrucken

Neues vom Bienensterben

Sterbende Bienen beschäftigten hier schon Maxeiner & Miersch, Prof. Stadler, und auch mich. Nun gibt es Neuigkeiten von der Bienenfront:
Die taz sprach mit PD Dr. rer. nat. Elke Genersch, stellv. Direktorin am Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf e. V., Leiterin d. Abt. Diagnostik u. Molekularbiologie. Die hat interessantes über den vom SPIEGEL verdächtigten BT-Mais zu berichten:

“Das sind die Völkerverluste in der Vergangenheit. Sie sehen hier: 1945/1946 außergewöhnliche Winterverluste. Es war ein sehr kalter Winter und just Kriegsende, Zucker war Mangelware. Aber 1962/1963, 1972/73 und 1974/75 gab es die Verluste ebenso, 1995/96 und 2002/03 waren sie teilweise zwar höher, aber die Winterverluste gab es immer, schon vor dem Saatgutbeizmittel, schon vor der Varroamilbe, schon vor gentechnisch veränderten Pflanzen. Das heißt, es muss Gründe geben, die unabhängig davon sind. Was nicht heißt, dass zum Beispiel die Varroamilbe keinen Schaden anrichtet. Sie ist einfach ein zusätzlicher Faktor gewesen. Ebenso verhält es sich mit Saatgutbeizmitteln und gentechnisch veränderten Organismen, GVOs. Bei uns sind nur 0,16 Prozent der Flächen mit GVOs belastet, aber die Bienenverluste waren flächendeckend. Gentechnisch veränderte Organismen können als zusätzlicher Faktor dazukommen. Es muss aber nicht so sein. Ich darf sie nicht als alleinigen Faktor an den Pranger stellen wollen. Die Gefahr, die ich dabei sehe, ist: Wenn ich aus ideologischen Gründen einen bestimmten Schuldigen anprangere, dann kann es mir passieren, dass ich den wahren Schuldigen laufen lasse, dass ich nicht mehr neutral das Ganze angucke.

Natürlich, ich kann nur gute, fundierte Antworten liefern in dem Gebiet, das ich beherrsche. Das sind die Bienenkrankheiten. Das sind nicht Pflanzenschutzmittelvergiftungen und Ähnliches. Aber ich interessiere mich dafür, halte mich auf dem Laufenden. Es gibt grade jetzt zu genmanipulierten Pflanzen extrem gute Studien. Aber grade, weil sie gut sind und zeigen, dass es keine negativen Effekte gibt, die schlimmer sind als die Effekte der Pestizide, werden sie als Auftragsforschung diffamiert. Wenn ich natürlich hergehe und ein Maisfeld, auf dem GVO angebaut wird, mit einem Maisfeld ohne jedes Pestizid vergleiche, dann habe ich einen negativen Effekt. Nun, die Wirklichkeit ist die: Ich habe nicht diese Alternative in der Regel, sondern die Praxis in der Landwirtschaft ist: Pestizide oder GVO. Und da schneiden die GVO-Felder besser ab, was die Effekte auf die sogenannten Nichtzielorganismen betrifft. Vom wissenschaftlichen Standpunkt her ist gegen MON 810 [Mais d. Saatgutkonzerns Monsanto, der mit einem Giftgen gegen den Maiszünsler ausgestattet wurde; Anm. G. G.] nichts zu sagen, weil das, was in MON 810 als Toxin exponiert wird, das wurde vorher tonnenweise auf den Feldern aufgebracht.’ Auf unsere Frage, weshalb die Imker zum Beispiel anderer Meinung sind und ihren Honig untersuchen ließen, sagt Frau Dr. Genersch: ‘Dass man im Honig was findet, ist schon richtig, weil dieses Konstrukt, was da in die Maispflanze eingebaut wurde, das befindet sich ja dann in der DNA der Pflanze. Und die DNA der Pflanze befindet sich im Pollen, und etwas davon befindet sich auch im Honig. Aber das ist kein Problem! Es gibt keinen Nachweis der Schädlichkeit. Und es gibt eine gesetzliche Regelung, die klar sagt, es gibt keine Kennzeichnungspflicht für Honig. Aber wenn die Imker weiter so auftreten und dauernd behaupten, das sei eine Gefahr und der Verbraucher könne das fordern, dann bekommen sie ein Problem. Ja sicher, diese Verbraucher gibt es, das ist die Klientel, wenn ich die frage, ob diese Tomate schon Gene hatte, bevor sie eine Gentomate wurde, dann sagen die: ‘nein’. Also, wenn ich das in den Diskussionen schon höre: Gentomate’ Wir werfen ein, dass es ja nicht um irgendwelche Gene geht, sondern um gentechnisch veränderte Pflanzen.

Sie sagt leidenschaftlich: ‘Okay, aber Zucht ist immer eine genetische Veränderung. Wie findet denn Zucht heute statt? Die auch von den Grünen akzeptierte Zucht?’ - ‘Durch Kreuzung’, vermute ich. ‘Falsch! Die Pflanzen werden mit mutagenen Strahlen bearbeitet, um Mutanten zu erzeugen, völlig ungerichtet. Kein Mensch guckt nach, was durch die Strahlen alles kaputtgegangen ist, was die Nebenwirkung und was die Hauptwirkung ist! Die Auflage gibt es nur bei GVO. Oder ein anderes Beispiel: Die Imker behandeln ihre Waben mit einem Pulver, das Bacillus thuringiensis enthält. Dasselbe Bacillus thuringiensis, das im BT-Mais MON 810 ist. Wenn aber die Imker ihre Waben damit behandeln, dann kräht kein Hahn danach, dass ich dann diese DNA von diesem Bacillus thuringiensis aufnehme, das gilt als biologische Bekämpfung. Nur der MON 810 wird verteufelt. Seehofer hat ja jetzt entschieden, dass das Saatgut nur verkauft werden darf, wenn es ein groß angelegtes Umweltmonitoring parallel dazu gibt. [Das Bundesamt für Verbraucherschutz hat im Mai dieses Jahres keine Bewilligung mehr erteilt für MON-810-Mais, erst sollen die offenen Fragen geklärt werden; Anm. G. G.] Das ist eine politische Entscheidung gewesen. Die wird jetzt aber von den GVO-Gegnern als Beweis dafür genommen, dass hier noch eine Gefahr besteht.’ Auf die Frage, ob sie uneingeschränkt für genmanipulierte Pflanzen sei, sagt sie, ohne zu zögern: ‘Nein, nein.’ Ich frage, wo denn die Einschränkung sei? ‘Bei mir ist die Einschränkung da, wo ich sage, ich verurteile alles, was mit einer bestimmten Methode erreicht wurde. Ich will mir das Ergebnis angucken. Ob dieses Ergebnis, diese Pflanze, durch Züchtung oder durch Gentechnik hergestellt wurde, ist für mich egal.’ Elisabeth sagt, dass in der Natur quasi die Evolution die Auslese trifft. “

Elizabeth Kolbert schrieb im New Yorker über das Bienensterben (und ihre eigenen Bienen, die sie sich aus Recherchegründen zugelegt hat.) Sie sprach mit Dr. Ian Lipkin, der den Erreger gefunden zu haben glaubt, ein Virus:

“At the time that I spoke to him, Lipkin had just sent off a paper on C.C.D. to a scientific journal. He was reluctant to discuss its contents, for fear of jeopardizing its acceptance, but he did indicate that it contained what he considered to be a breakthrough. One patho-gen in particular was, in his words, ‘highly associated’ with C.C.D.
‘My speculation would be that this particular pathogen is a trigger that takes an otherwise borderline population and throws it over the edge,’ he told me. ‘I think that’s what we’re seeing.’ Lipkin explained that the process of finding the pathogen responsible for an outbreak was ‘the same whether we’re talking about encephalitis or diarrheal disease or hemorrhagic fevers or respiratory disease. You put up a candidate and then try to tear it down. And, if you can’t tear it down, it’s probably bona fide. That’s how we do science.’ He wouldn’t tell me what kind of pathogen he was talking about in the case of C.C.D., but soon I learned that it was a virus. I also learned that it was suspected that the virus had entered the U.S. on imported bees.”

Zum New-Yorker-Artikel gibt es hier ein Audiointerview und hier eine kommentierte Diashow.

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