Gerd Buurmann / 30.08.2022 / 06:00 / Foto: Pixabay / 115 / Seite ausdrucken

Muss das D-Wort verboten werden?

Darf man noch „Indianer“ sagen? Diese Frage bestimmt gerade das Land des Erfinders von Winnetou. Das Land wird Deutschland genannt. Wie der Begriff „Indianer“ ist das Wort „Deutscher“ jedoch eine Fremdbezeichnung von Einwanderern und Eroberern. Darf man bald noch „Deutscher“ sagen?

„Bitte achten Sie darauf, das I-Wort in der Kommunikation zu vermeiden, da wir rassistisch geprägten Begriffen keine zusätzliche Plattform geben möchten.“

Diese Bitte hat das ZDF unter einem Facebook-Beitrag zur Winnetou-Debatte gepostet. Worum also geht es bei diesem Wort?

Das „I-Wort“ geht auf einen Irrtum von Christoph Kolumbus’ zurück, der meinte, auf seinem Westweg über den Atlantischen Ozean nach „Indien“ gelangt zu sein. So wurden dann die indigenen Völker in Amerika von den europäischen Einwanderern „Indianer“ genannt. Mittlerweile bezeichnen sich sogar manche Angehörige indigener Gruppen als „American Indian“. Ähnlich entstand auch die Bezeichnung „Deutsch“. Was für die Indianer die Europäer sind, sind für die Deutschen die Römer.

Das Wort „Deutsch“ kommt von dem Wort „diutisc“, das so viel wie „zum Volk gehörig“ bedeutet. Mit diesem Begriff bezeichneten die Römer die nicht romanisch sprechende Bevölkerung jenseits der nördlichen Grenze des Römischen Reichs. Der erste wichtige Beleg für den Begriff ist eine Textstelle aus dem 4. Jahrhundert. Es ist eine Passage in der gotischen Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila. In seiner griechischen Vorlage fand er als Gegenbegriff zu „jüdisch“ den Begriff „ἐθνικός“ (zum Heiden-Volk gehörig). Die nichtjüdischen Völker, die noch christlich bekehrt werden sollten, wurden mit diesem Wort zusammengefasst. Wulfila übersetzt den Begriff ins Gotische und verwendete dazu das Wort „þiudisko“.

Deutsche: jene, die kein Latein sprachen 

Mit dem Begriff „Deutsch“ wurden somit alle Stämme jenseits der römischen Nordgrenze zu einem Volk subsumiert. Dabei hatten diese Stämme alles andere als eine gemeinsame Identität. Sie sprachen unterschiedliche Sprachen, glaubten an unterschiedliche Gottheiten und hatten unterschiedliche Führungspersonen. Viele Stämme lagen sogar in blutigen Kriegen miteinander. Niemals wären diese unterschiedlichen Stämme auf die Idee gekommen, sich als Teil eines einheitlichen Volkes zu verstehen. Genauso war es mit den indigenen Stämmen in Amerika. 

Die Römer konnten, wie später die Europäer, die fremden Stämme nicht auseinanderhalten. Für sie sahen diese Exoten alle gleich aus und waren alle gleich unverständlich. Deshalb subsumierten auch sie diese Stämme unter einem Begriff.

Die Griechen erfanden ebenfalls einen heute sehr gängigen Begriff für die sie unverständlichen fremden Völker. Der Begriff heißt: „Barbar“ (βάρβαρος). Das Wort war die Bezeichnung im antiken Griechenland für alle diejenigen, die nicht oder schlecht griechisch und damit unverständlich, also „Bar Bar“ (Bla Bla) sprachen. Barbaren waren für Griechen jene, die nicht griechisch sprachen, und die Römer nannten jene, die kein Latein sprachen, Deutsche.

Was wurde aus den indigenen Völkern Nordeuropas?

Die Kulturen der indigenen Völker Nordeuropas wurden von den Römern unter tätiger Mithilfe des Christentums fast vollständig ausgelöscht. Nur ein paar rudimentäre Traditionen sind erhalten geblieben, oft als Beiwerk zu christlichen Feiertagen. Das Wort „Deutsch“ aber blieb und sollte sogar zu einer Nation werden. 

Schwarz-rot-goldenes Powwow

Die Nation der Deutschen entstand im Jahr 1871. Im Gegensatz zu anderen Nationen ist das sehr spät. Das Geburtsjahr der Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel ist 1776. Die Nation Deutschland ist somit 95 Jahre jünger als die USA. Diese sehr späte Nation ist auch der Grund dafür, warum die Deutschen bei den verschiedenen Völker so unterschiedlich heißen. Es gab die „Deutschen“ schlicht und ergreifend noch nicht, als sie von ihren Nachbarn mit Namen versehen wurden. 

Die Deutschen gab es noch nicht, aber an der Grenze der Franzosen lebten die Alemannen, deshalb sagen die Franzosen „Allemands“. An der Grenze der Finnen leben die Sachsen, deswegen sagen sie „Saks“. Die Schweiz gründete sich fast siebenhundert Jahre vor Deutschland. An ihrer Grenze im Norden leben die Schwaben. Darum sagen die Schweizer zu den Deutschen „Schwaben“. Die Polen nennen die Deutschen „Niemieckis“ und die Engländer „Germanen“.

Deutsch ist eine Fremdbezeichnung, und wirklich angekommen ist dieses Wort bei den indigenen Völkern Nordeuropas nie. Nirgendwo kann man das besser sehen als in der Art, wie die Deutschen Fußball lieben und leben. Nichts beschreibt die deutsche Identitätskrise besser als die deutsche Fußballtradition.

Die einzelnen indigenen Stämme hassen einander. Die Berliner hassen die Münchener. Die Rheinländer hassen die Westfalen. Die Bremer hassen die Hamburger. Sie bekämpfen sich gegenseitig und singen dabei ihre Schlachtgesänge. Aber alle vier Jahre schickt jeder Stamm seinen besten Mann und dann gründen sie eine Gruppe, die sie Deutsche Nationalmannschaft nennen. In dieser Formation kämpfen sie dann gegen die anderen Länder. Das ist der Moment, da alle Deutschen ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen rausholen. Sie bemalen sich die Gesichter und treffen sich zum großen Powwow. 

Wenn die Fußballweltmeisterschaft vorbei ist, dann packen die Deutschen ihre Deutschlandfahnen wieder weg. Dann sind sie wieder Rheinländer, Bayern, Sachsen und andere Lokalpatrioten, und sie bekämpfen sich gegeneinander. Und natürlich hassen sie das Bier der anderen.

Wird das D-Wort bald verboten?

Das D-Wort ist eine Fremdbezeichnung wie das I-Wort, und die Leute, die das I-Wort erfunden haben, haben die Kultur der indigenen Völker Nordamerikas fast so vollständig vernichtet, wie die Leute, die das D-Wort erfunden haben die Kultur der indigenen Völker Nordeuropas.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum es dem ZDF und anderen Dauerempörten leichter fällt, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie semantisch zu dem Wort „Indianer“ stehen, als sich wirklich mit der Geschichte der Indianer auseinanderzusetzen. Würden sie sich nämlich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen, statt darüber nachzudenken, ob man noch Winnetou-Bücher lesen darf oder ob sich Kinder als Indianer verkleiden dürfen, dann müssten sie die Geschichte von Stämmen erzählen, in der viel Leid und das Ende der eigenen Kultur mit den Einwanderern kam.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Uwe Schäfer / 30.08.2022

Der vorauseilende Gehorsam - es ist auch heute der gleiche Typ Mensch, der bei Nazis und Stalinisten in grenzenloser Idiotie mitmachte. Und es ist genauso ein Zeichen von williger Annahme der Diktatur, immer schön kuschen, mitmachen, nur nicht auffallen etc. Die “woken Gutmenschenen” von heute merken es nicht, denn sie sind ja schließlich die Guten. Dabei hätten die meisten auch unter den Nazis mitgemacht oder zumindest Spalier gestanden, als man die Juden durch die Städte zu den Zügen trieb, die gen Auschwitz fuhren. Ekel!

Hjalmar Kreutzer / 30.08.2022

Ich finde es gerade nicht wieder, glaube aber gelesen zu haben, dass in alten slawischen Sprachen das Wort Niemcy - niemiecki ist das Adjektiv - ebenfalls „nicht sprechen (können)“ bedeutete, die welche keine der östlich der Elbe verstandenen Sprachen beherrschten. Das Wort „Slaven“ wiederum hat Anklänge an das niederdeutsche Wort für „Sklaven“. Die zuvor von Carolus Magnus unterworfenen und christianisierten Sachsen unterwarfen und christianisierten nun ihrerseits die Obodriten, Lutizen, Sorben usw. Sprachlich hat man sich gegenseitig nichts geschenkt. Die Worte Alemannen und Germanen, beides für speertragende Männer, sind dagegen geradezu wertschätzend. In den skandinavischen Sprachen hat sich mittlerweile „tysk“ für Deutsch eingebürgert. Dass darüber diskutiert wird, wenn hier auch scherzhaft, das Wort „deutsch“ abzuschaffen, ist typisch deutsch. Nach Karl Kraus heißt es, ein Feuilleton zu schreiben sei wie „auf der Glatze Locken drehen“ - sorry! Insofern habe ich mich heute morgen gut unterhalten, vielen Dank!

Werner Arning / 30.08.2022

Herrlich, Herr Buurmann. Alles sehr anschaulich erklärt. Aber tatsächlich - wie lange darf man Deutschland noch „Deutschland“ nennen? Nicht wegen der Ausmerzung des Indigenen und der kulturellen Aneignung, sondern wegen des Nazi-Verdachtes? Da schwingt doch heutzutage so etwas mit. Und dann diese Deutschland-Fahne. Darf die eigentlich noch aufgehängt werden? Also zum Beispiel im eigenen Garten? Oder steht dann ganz schnell die örtliche Antifa vor der Tür? Das Abspielen der Hymne, ist das noch zeitgemäß? Ist die unseren Öffis nicht bereits ein bisschen peinlich? Wird bei Medaillen-Gewinnen demnächst lieber „Kinder an die Macht“ abgespielt? Wer weiß. Was meinen die Kulturbeauftragten der Grünen wohl dazu?

M. Feldmann / 30.08.2022

Überspitzt aber sehr treffend formuliert. Und es ist die Wahrheit und nichts als die Wahheit. ... Aber hey, was soll’s, Jeder kann im Jahr 2022 irgend eine neue “Wahrheit” aufstellen, das Maß aller Dinge neu aufstellen und in die Welt kotzen, wie z.B. das ZDF, die angeblichen Deutschen, die Russen, die Amis und weiß der Geier noch. Bald gibt es Lexika über Wahrheit, und wir sind die Hälfte des Tages damit beschäftigt die einzige “richtige” Wahrheit zu eruieren. Sonst werden wir Alle zu Rechten und Nazis.

Hartmut Laun / 30.08.2022

Die Deutsche Fußball - NationalMANNschaft kommt ohne deutsch aus und heißt offiziell DIE MANNSCHAFT und harrt in überschaubarer Zeit der weiteren Umbenennung in MAN#+:innen, von Kopf bis Fuß in den gerade angesagten, korrekten Farben. Wenn zu Länderspielen andere Nationalmannschaften spielen, dann erkenne ich im TV, seit Jahren immer gleich, meist schon auf den ersten Blick, welches Land da gerade spielt. Klar, die Niederländer mit ihrem Orange, die Franzosen in Blau, die Belgier e.t.c. und sehe auf deren Trikot die Nationalfarben als Aufsticker. Um diese unausrottbaren Nationalisten aus anderen Ländern eine Lehre zu erteilen, muss Deutschland von der Welt verlangen und in der UNO ab sofort in DAS LAND umbenannt zu werden. Aber ein Land, welches für den Zutritt zum Friseur seine Bürger zwingt eine Maske aufzusetzen und mit einem frischen Virentest um Einlass zu bitten, ein solches Land hat fertig.

Andreas Mertens / 30.08.2022

Schon IM-Erika mochte das D-Wort nicht in den Mund zu nehmen. Naja und was das ZDF betrifft, sollte sich selbiges jemals ernsthaft mit der Kultur der “Indianer” auseinander setzen, kämen Themen wie Sklaverei,  Folter, rituelle Verstümmelungen,  Vergewaltigung und andere unappetitliche “Dauer-Hobbies” ins Programm. Und das ist erst der nordamerikanische Teil. Für die Indigenen Südamerikas kommen dann noch ganz andere Spezialitäten auf den Programmtisch. Z. Bsp Opfer bei lebendigem Leib zu verbrennen ... bzw. zu rösten ... um anschließend das Endomorphin überschwemmte Hirn zu essen. Menschenopfer (im hunderter bis zehntausender Bereich .. pro Großveranstalltung) anschließender Kanibalismus (mit irgendwas muss man seine Sklaven ja füttern), Kriegs-Raubzüge und Genozide komplementieren dann das Programm.  Die Dokus von ARD und ZDF werden ja seit einigen Jahren durch Spielszenen bereichert (weil ja der GEZ-Zuschauer zu dumm ist gesprochenem Text zu rezipieren) Dann zeigen sie halt einen atztekischen Priester, wie er zum Fest der großen gefiederten Schlange ( K’uk’ulkan) einer ca. 16 jährigen Jungfrau (mit dem gendern hatten es die Atzteken noch nicht so)  die Haut abzieht, sich in Diese kleidet und dann mit der langsam um in herum schrumpfenden Haut durch die Straßen von Tenochtitlan tanzt.  Ok .. seien wir fair. Auch die Priester von Texcoco und Tlacopan tanzten so. Es war ja schließlich ein Dreibund. Dazu spielen sie dann auf (aus menschlichen Schienbeinknochen gefertigten) Flöten. Das nennt sich glaube ich “Kontakt zur Jugend aufnehmen”. Aber was tut man nicht alles damit es wieder regnet.

Arthur Sonnenschein / 30.08.2022

Die Entwicklung ist überall im Westen die gleiche und nichts daran ist spezifisch deutsch.

Paul Siemons / 30.08.2022

Minnesota / Hiawota / Manitou, der Himmelvota / Schuf die Liebe und den Suff! / Piffalapuff / Uff, uff, uff! (Hermann Leopoldi, Schnucki ach Schnucki)

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