Der Mai-Bericht zur Lage an der Klimafront

Die Abweichung der globalen Mitteltemperatur der satellitengestützten Messungen vom Durchschnitt der Jahre 1991–2020 stieg im Mai 2021 nur unwesentlich um +0,08 Grad Celsius an. Wir haben es im Frühjahr global mit Temperaturen zu tun, die wir zuletzt vor acht Jahren hatten. Rechnet man den Durchschnitt der Temperaturen der zurückliegenden Jahre aus, so ist rechnerisch eine Erwärmungspause seit 6 Jahren festzustellen. Der Durchschnitt der Temperaturerhöhung seit 1979 beträgt 0,14 Grad Celsius pro Jahrzehnt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung mehrerer Wissenschaftler, dass in den letzten 20 Jahren die Erwärmung nur zu weniger als der Hälfte von der auf die Erde zurückgestrahlten langwelligen Strahlung stammt – dem klassischen Treibhauseffekt – und zum größeren Teil von einer Zunahme der kurzwelligen Sonnenstrahlung verursacht worden ist. Die Sonnenstrahlung hat sich zwar nicht wesentlich verändert, aber die Durchlässigkeit der Wolken hat sich vergrößert (cloud thinning). Über die Ursachen tappen wir noch im Dunkeln. Für die Vertreter der Auffassung, dass CO2 zu 100 Prozent die Ursache der neuzeitlichen Erwärmung ist, ist für den Rückgang der Wolkendichte der steigende CO2-Gehalt verantwortlich.

Aber es gibt auch die Möglichkeit natürlicher Ursachen, etwa Rückgang der Aerosole, Veränderung des Sonnenmagnetfelds oder zyklischer Meeresoszillationen wie die AMO (atlantische Multidekadenoszillation) oder PDO (pazifische dekadische Oszillation). Es wird spannend, zu beobachten, wie sich die Wolkensituation und die Einstrahlung auf die Erde in den nächsten Jahren entwickelt.

Gerichtsurteil in Den Haag: Der Fall Royal Dutch Shell

Ein niederländisches Gericht hat in Den Haag auf Grund der Klage von sieben Umweltschutzverbänden und zahlreichen Bürgern verfügt, den CO2-Ausstoss nicht nur in der Produktion, sondern auch bei den Öl-, Kraftstoff- und Gaskunden um 45 Prozent bis 2030 zu verringern.

Der Tenor des Urteils erinnert stark an die Argumentation des deutschen Bundesverfassungsgerichts. So heißt es in Ziffer 2.3.1 des Urteils  "CO2 wird in die Atmosphäre emittiert, wo es für hunderte von Jahren oder sogar länger verbleibt", ein Sachverhalt, der hochumstritten ist, wie ich unten ausführen werde.

Die Aufnahme durch Ozeane und Pflanzen stellt das Gericht zwar fest, allerdings "wird die Aufnahme ständig kleiner wegen der Waldzerstörung und der Erwärmungen der Ozeane". Das ist dann genauso falsch wie die Begründung des Bundesverfassungsgerichtes, ich erinnere an diese grandiose Fehlleistung des Gerichtes: "Nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen werden von den Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen".

Die Aufnahme von CO2 in die Ozeane steigt entsprechend den physikalischen Gesetzen mit der CO2-Konzentration in der Luft. Ebenso ist die Aufnahme der Pflanzen angestiegen, da sie, dem erhöhten CO2-Angebot folgend, mehr CO2 aufnehmen und stärker wachsen.

Von den 2019 ausgestoßenen anthropogenen 5 ppm werden 55 Prozent von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen. Da 1 ppm 7,8 Gigatonnen CO2 entspricht, werden also 39 Gigatonnen emittiert und 21,45 Gigatonnen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen.  Das ist selbst im letzten IPCC-Bericht auf Seite 471 nachzulesen.

Ganz wichtig für das Verständnis ist – und ich habe ernsthafte Zweifel, ob die holländischen und deutschen Richter das verstanden haben –, dass die zusätzliche Aufnahme des CO2 durch Ozeane und Pflanzen proportional zur Konzentrationszunahme des CO2 in der Atmosphäre gegenüber 1860 verläuft und nicht proportional zur jährlichen Emission. Denn man kann davon ausgehen, dass vor 1860 das CO2 in der Luft, in den Ozeanen und in den Pflanzen sich in einem Gleichgewicht befand.

Die Aufnahme hängt also ab von dem Unterschied der aktuellen Konzentration in der Atmosphäre (aktuell 419 ppm) gegenüber der vorindustriellen Zeit (280 ppm) und nicht von der Höhe der Emission (aktuell 5 ppm). Das bedeutet aber auch, dass bei einer Emission, die dem heute erreichten Senkenfluss von 21,45 Gigatonnen entspricht, kein CO2-Anstieg mehr erfolgt. Das CO2-Budget wäre also unbegrenzt, wenn die 21,45 Gigatonnen eingehalten werden, und es gäbe keinen weiteren Anstieg der CO2-Konzentration. Anders ausgedrückt: Bei einer Halbierung der Emissionen wäre die Katastrophe abgesagt und die CO2 Konzentration würde sogar leicht sinken.

Wer die Berechnungen nachvollziehen will, kann das in einer Arbeit von Kees Le Clair tun. Le Clair zeigt, dass selbst bei einer jährlichen Reduktion der globalen Emission um nur 1,5 Prozent die vom IPCC als kritisch angesehenen 450 ppm niemals überschritten werden.

Die Halbwertszeit des CO2 in der Luft beträgt 37 Jahre

Die vom IPCC eingeführte Budget-Emission, die die Gerichte übernommen haben, führen völlig in die Irre und sind unwissenschaftlich, weil sie die immer noch wachsenden Senken ignorieren. Dies wäre zutreffend, wenn das IPCC nachweisen könnte, dass die Senken in absehbarer Zeit versiegen. Das kann das IPCC aber nicht, denn die Ozeane haben noch ein gigantisches Speichervermögen. In den arktischen und antarktischen Breiten sinken jährlich eine Million Kubikkilometer sehr salzhaltigen Meerwassers mit mehr als 100 Milliarden Tonnen CO2 in die Tiefe, um dann wieder in niedrige Breiten zurückzuströmem und erst nach mehreren hundert Jahren (400 im Atlantik, 1.000 Jahre im Pazifik) wieder aufzutauchen. Da ist keine Sättigung in Sicht.

Das Gericht in Den Haag macht dann im nächsten Schritt den gleichen Fehler wie das BVG, wonach "es einen direkten Link zwischen menchengemachten CO2-Emissionen... und der globalen Erwärmung gibt." (Ziffer 2.3.2)

Die Abbauzeit des CO2 lässt sich relativ einfach berechnen. Teilt man die gegenüber dem Ausgangszustand (280 ppm) anthropogen erzeugte CO2-Konzentration eines Jahres durch den Abbau (durch Aufnahme in Ozeane und Pflanzen) in dem jeweiligen Jahr, so erhält man die Abbauzeit, in der der Ausgangswert auf einen Wert von 1/e (36,79 Prozent) abgeklungen ist. Sie betrug 1959 insgesamt 55 Jahre (34 ppm : 0,64 ppm) und 2019 etwa 50 Jahre (130 ppm : 2,6 ppm). Um die Abbauzeiten mit den Halbwertszeiten des IPCC vergleichbar zu machen, müssen diese mit dem Faktor ln 2 (0,6931) multipliziert werden. So erhalten wir eine Halbwertszeit von 38 Jahren in 1959 und 35 Jahren in 2019. Es zeigt sich eher eine Verringerung der Halbwertszeiten, was im Einklang steht mit der deutlich angestiegenen Photosyntheseleistung der Pflanzen. (Quelle: Unerwünschte Wahrheiten, Kap. 9, S. 108). Kees Le Clair kommt in seinen Berechnungen auf 37 Jahre.

In 2.3.4 rechnet das holländische Gericht vor: "Globale Emissionen befinden sich bei 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr... Jedes Jahr, in dem die globalen Emissionen sich auf diesem Niveau befinden, verringert das globale Budget um 40 Gigatonnen." Nach Rechnung des Gerichtes haben wir nur noch 12 Jahre, um das 1,5°C Ziel nicht zu brechen. Das hatten wir schon von Greta gehört. Wann stehen endlich die ernstzunehmenden Klimaforscher auf und beenden diese Klippschulen-Rechnerei?

Die Folgen

Das Gericht leitet dann aus dem 1,5°C Report des IPCC (wonach weltweit die Emissionen bis 2030 um 45% sinken werden – sie werden aber dank Chinas, Indiens und der sich entwickelnden Welt eher um 10 Prozent steigen) die Verpflichtung gegenüber Shell ab, die CO2-Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens um 45% bis 2030 (Basis 2019) zu reduzieren.

Das einzig Tröstliche an dem Shell-Fall ist, dass offenbar andere Länder eine ähnlich "bekloppte " (Sigmar Gabriel) Klimapolitik machen wie Deutschland.

Das Appeasement, das Shell schon seit geraumer Zeit in Sachen CO2 an den Tag legt (wir stehen voll hinter den Pariser Abkommen, wir wollen bis 2050 um 45 Prozent CO2 reduzieren) und selbst die großzügige Finanzierung von Klima-NGOs hat Shell nicht genutzt. Insofern hält sich unser Mitleid in Grenzen.

Erst wenn es den Firmen an den Kragen geht, erwachen die Manager vom wohlfühligen Mitschwimmen im Mainstream. Jetzt meldet sich sogar Herr Brudermüller, CEO der BASF, der bislang eher dadurch aufgefallen ist, dass er auf grünen Parteitagen das  grüne Hohelied gesungen hat. Nun kommt auch er zum Ergebnis, dass der Ersatz fossiller Rohstoffe zu einer Vervielfachung des Strombedarfs führen wird. „Für unseren Standort Ludwigshafen wird er sich verdreifachen". Zur Erinnerung: Die BASF in Lugwigshafen verbraucht schon heute eine Strommenge wie Dänemark.

Als die Kernenergie stillgelegt wurde, schwiegen die Manager; als die Stromindustrie auseinandergenommen wurde, kam kein Protest; als die Automobilindustrie ihrer Grundlagen beraubt wurde, ebenso Schweigen. Nun geht es um die Chemie und die Petrochemie, den Kern jeder Industriegesellschaft. Die deutsche chemische Industrie ist die größte in Europa und liegt weltweit hinter China, USA und Japan an der vierten Stelle. 464.000 Arbeitsplätze gibt es hierzulande in 2.000 Unternehmen der Chemieindustrie, mit Zulieferern eine Million hochwertige Arbeitplätze.

Schauen Sie sich um in Ihrem Umfeld, um zu entdecken, worauf man verzichten würde ohne Petrochemie, ohne Pharmaka, ohne Handy-Bildschirm, ohne Kabelummantelung, Dämmstoffe, Kosmetika, Farben. Lacke, Beschichtungen, Kunstfasern, Klebstoffe, Wasch- und Reinigungsmittel. Und stellen Sie sich vor, es müsste aus Wasserstoff aus Windmühlen produziert werden. Ist das realistisch? Nach der Strommangelwirtschaft mit  Abschaltungen droht die Chemiemangelwirtschaft mit dreimal so teuren Produkten oder auf Bezugsschein.

Denn eins ist klar: Nach dem Urteil von Den Haag werden die Deutsche Umwelthillfe, FFF und Greenpeace versuchen, auch der Deutschen Chemieindustrie per Gerichtsbeschluss den Garaus zu machen.

Mehr zum Thema auf kaltesonne.de. Dort können Sie auch Fritz Vahrenholts monatlichen Newsletter bestellen, der zusätzlich anschauliche Grafiken enthält.

Foto: Volker Debus/Deutsche Wildtier Stiftung CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

netiquette:

Burkhard Mundt / 02.06.2021

Das BVerfG geht beim Sachverhalt von “anthropogenen Emissionen” aus, die seiner Meinung nach fast ausschließlich zur ständig ansteigenden CO2-Konzentration führen. Gegenargumente, wie die von Herrn Vahrenholt angeführten, sind anscheinend in die Suche der Richter nach Erkenntnis nicht eingeflossen oder nicht angemessen gewichtet worden. Angesichts der Tragweite ihres Urteils ein fatale Fehlleistung von “Muttis Buben”.

Eberhard Kuske / 02.06.2021

@Karl Wenz: die physikalische Löslichkeit des CO2 in Wasser wird durch das Henry-Gesetz beschrieben: cCO2 = H(T) * pCO2. Die Konzentration von CO2 im Wasser ist demnach dem Partialdruck (Konzentration) des CO2 in der Atmosphäre proportional. Die Henrykonstante H(T) nimmt um (nur) 2.7% ab, wenn die Wassertemperatur um 1°C steigt. Die Erdtemperatur steigt jedoch lediglich um 0.14 °C in 10 Jahren (siehe Text). Das sollte näherungsweise auch für die Wasseroberflächentemperatur gelten. Demnach nimmt die physikalische Löslichkeit aufgrund Temperaturerhöhung um 0.38% in 10 Jahren ab. Die Abnahme der Henry-Konstante kann laut Gleichung durch Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration (über)kompensiert werden.  Die anthropogene CO2 Emission liegt bei 5 ppm/Jahr, d.h. etwa bei 5/400*10 = 12.5% in 10 Jahren (bezogen auf den augenblicklichen CO2-Gehalt der Atmosphäre von ~400ppm). Der Einfluss der Temperaturerhöhung auf die physikalische Löslichkeit ist daher vernachlässigbar gering (12.12% statt 12.5% Zunahme der gelösten Menge). Wermutstropfen: die Berücksichtigung der Reaktionen in der wäßrigen Phase (Hydrogencarbonat- und Carbonat-Gleichgewicht) entzieht sich dieser vereinfachten Betrachtung.

m. neland / 02.06.2021

Es gab schon immer politische Rechtsprechung, mal weniger, mal mehr. Derzeit sehr viel mehr, gerade bei den höchsten Gerichten.

Block Andreas / 02.06.2021

@Klaus Biskaborn ...und nicht zu vergessen…die Gewerkschaften spielen die üble Spiel auch noch mit…

Wolfram Fischer / 02.06.2021

Um das besagte Urteil des dt. Bundesverfassungsgerichtes mit einem Zitat aus der NZZ zu beachreiben: “... von bemerkenswerter Oberflächlichkeit…” Das sitzt,

giesemann gerhard / 02.06.2021

Es ist immer riskant, wenn mensch Juristen drein reden lässt. Deshalb empfehle ich: Fragen wir sie erst gar nicht.

Klaus Schmid Dr. / 02.06.2021

Es ist doch ganz einfach - per Gerichtsbeschluss wird Deutschland bzw. die EU abgeschaltet. Ganz einfach.

Jochen Brühl / 02.06.2021

Die “richtige Haltung” zahlt sich eben nicht nur im Sport nicht aus (siehe Fußballabstinenz ehemaliger Fans), sondern auch nirgendwo in der Industrie. Und wenn man sich dort nunmehr nach dem Klimahype mit seinen terroristischen Auswüchsen (lt. ÖRR “gewiefte Aktion” von Greenpeace) auch noch einem Sprachdiktat unterwirft (siehe Audi) geht das nochmals richtig schief. Ich werde dann bei Jaguar oder Mercedes vorbeischauen, bei letztgenanntem Konzern aber nur, wenn die sich nicht derart anbiedern, wie der Herbert Diess von VW. Wenn der Klimahüpfer und Greenpeace als Kundschaft haben will, wünsche ich ihm viel Spaß dabei. Ich gehe einmal schwer davon aus, dass ausländische Konzernlenker von ausländischen Automobilkonzernen diese Anbiederei nicht machen werden.

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