Von Dr. Eva Maria Strobl und Thomas Strobl.
„Im System der Krankenbehandlung sind nicht die Geldmittel knapp, sondern die Kranken.“
Diese Beobachtung des Soziologen Niklas Luhmann, auf den ersten Blick absurd, erweist sich vier Monate nach Beginn der Corona-Pandemie als durchaus zutreffend. Sie erklärt, warum die Debatte über das Pro und Contra staatlicher Pandemiemaßnahmen mit solcher Vehemenz geführt wird.
Kritiker fragen: Wo sind die Kranken?
Hört man sich etwa um im Lager der Skeptiker, dann stellt man fest, dass die anfängliche Angst, in der Krise von allem zu wenig zu haben, vor allem Pasta und Klopapier, einer Stimmung gewichen ist, die ungeduldig fragt: Und – wo bleiben sie jetzt, die Kranken? Nach acht langen Lockdown-Wochen und mehreren hundert Milliarden zusätzlicher Staatsverschuldung reibt sich auch der nüchterne Beobachter verwundert die Augen, wenn er auf die Zwischenbilanz des deutschen Corona-Geschehens blickt: rund 180.000 gemeldete Infektionsfälle und 8.000 Tote – da hatte man doch wesentlich Schlimmeres erwartet. Der Ernstfall, für den all das in Kauf genommen wurde – soll er das schon gewesen sein?
Vorbereitung auf den Ernstfall – Kosten egal
Hatte man nicht einem Gesundheitswesen, das ohnehin „gut auf Corona vorbereitet“ war, wie der zuständige Bundesminister stets betonte, noch einen draufgesetzt, indem man den 28.000 Intensivbetten, die man erst gestern in mehreren Studien als viel zu viele mit dem Rotstift markiert hatte, noch ein paar tausend mehr hinzufügte, Kosten egal? Und hatte man nicht hochoffiziell bei Dräger interveniert für zusätzliches Beatmungsgerät und Sonderschichten in der Produktion angemahnt, während man den Rest der Welt in Kurzarbeit schickte?
Hat man nicht all das getan und mehr, Milliarden und Abermilliarden an Wirtschafts- und Wohlstandsverlusten in Kauf genommen, um für den Ernstfall gerüstet zu sein? Man hat. Aber jetzt? Wo war er – der Ernstfall?
Knappheit im Öffentlichen Gesundheitswesen
Kommen wir damit zurück auf das Eingangszitat von Luhmann. Knappheit, das ist in Luhmanns Welt Sozialer Systeme der Motor der Wirtschaft. Knapp ist alles, womit sich die Wirtschaft beschäftigt. Nur das knappe Gut hat einen Preis. Und knapp ist vor allem eines: das Geld. Weil das Geld so knapp ist, zeichnet es die Preise aller anderen Güter aus. Und mehr: Es stellt alle anderen Güter unter Finanzierungsvorbehalt. Das gilt auch für das Öffentliche Gesundheitswesen. Auch dafür ist ein Preis zu entrichten. Auch das Gesundheitswesen steht unter Finanzierungsvorbehalt. Eine Selbstverständlichkeit, auch wenn das nicht jedem gefällt.
Was darf Gesundheit kosten?
Die „Kosten des Öffentlichen Gesundheitswesens“ – längst ein geflügeltes Wort. Alle ungeliebten Themen, die nur deshalb auf der Tagesordnung stehen, weil sie sich aufzwängen, und nicht etwa, weil man sich gerne mit ihnen beschäftigt, werden nur über ihre Kosten debattiert. Arbeitgeber reden zum Beispiel ständig über „Lohnkosten“ - und das nicht, weil sie gerne mehr davon hätten.
Beim Gesundheitswesen ist es nicht anders. Der Normalbürger weiß so gut wie nichts darüber. Außer, dass die Kosten dafür zu hoch sind. Und mehr: Dass das Gesundheitswesen von der „Kostenexplosion“ bedroht ist. Das weiß er auch. Schließlich hat man es ihm oft genug eingetrichtert.
Kosten mutieren zu Helden
In der Corona-Pandemie bekamen die Gesundheitskosten allerdings die seltene Gelegenheit, sich von ihrer anderen Seite zu zeigen, der sympathischen. Vor laufenden Kameras mutierten die Kosten zu Helden. Unermüdlichen Helden, immer im Einsatz, auch wenn es an Schutzausrüstung fehlt.
In Bundespressekonferenzen und Talkshow-Runden kam die Wahrheit ans Tageslicht: Die Kosten des Gesundheitswesens haben Namen und Gesichter. Die Namen hört man, die Gesichter sieht man. Auch wenn man sie wegen Mundschutz kaum erkennt, man weiß: Es sind Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, Rettungsfahrer, Notfallsanitäter, Hygienefachkräfte, Techniker und unzählige sonstige Beschäftigte, die das System am Laufen halten. Jeden Tag.
Menschen mit Berufen, Menschen mit Kompetenzen, Menschen mit Bedürfnissen. Alle diese Menschen verdienen im öffentlichen Gesundheitswesen ihren Lebensunterhalt. So richtig viel verdient keiner von ihnen und einige verdienen sogar ziemlich schlecht.
Prekariat der Berufenen
Die aufopferungsvollen Menschen, die in Arztpraxen und Kliniken nicht nur ihrem Beruf nachgehen, sondern vielmehr ihrer Berufung, sind es, die hinter den Kosten der Gesundheitsversorgung stehen. Keine hochbezahlten Chefärzte und keine anonyme Pharmamafia. Zumindest nicht in der Hauptsache. Sondern Menschen, die mehr schlecht als recht bezahlt werden, weil so viele von ihnen nötig sind, und eigentlich noch mehr, wie sich jetzt zeigt.
Viele Menschen bedeuten aber hohe Kosten, auch wenn jeder einzelne nicht besonders viel verdient. Und das in einem Gesundheitswesen, das ohnehin schon zu viel kostet und keinesfalls mehr kosten darf. Außer, es ist Krise. Dann spielen die Kosten kurzzeitig keine Rolle. Millionen für zusätzliche Intensivbeatmung sind jetzt vielmehr gut investiertes Geld. Und die Pflegerinnen und Pfleger? Haben sich selbstverständlich eine Sonderprämie verdient, na klar!
Wo die Kranken nicht knapp sind, ist es das Geld auch nicht
Corona gibt Luhmann recht: Die unbekannte Krankheit malt den Ernstfall an die Wand. Der Ernstfall – das sind tausende Kranke. Die Kranken, die tatsächlichen wie auch die nur erwarteten, machen knappe Mittel locker. Kein Politiker, der sich dem widersetzen würde. Wo die Kranken nicht mehr knapp sind, ist es das Geld auch nicht.
Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte. Die Corona-Pandemie macht darüber hinaus zum ersten Mal deutlich, wie wenig knapp das Geld wirklich ist, wenn die Projektion der Kranken nur schlimm genug ist. Und schlimm war sie.
Zunächst wurde das Virus zum Geburtshelfer eines Diktums mit enormer Tragweite, dem von Christian Drosten: 60 Prozent der Bevölkerung würden sich mit dem Virus infizieren, sagte er. Nicht in der Obskurität irgendeiner virologischen Fachzeitschrift. Sondern coram publico, via NDR Podcast. Den Rest konnten sich die Menschen denken. Und wer es nicht konnte, dem rechnete es Claus Kleber im „heute journal“ vor: 83 Millionen mal 60 Prozent mal 20 Prozent … das waren schon ein paar Millionen, die da absehbar ins Krankenhaus mussten. Damit war der Geist aus der Flasche. Millionen Infizierte nur eine Frage der Zeit.
Flatten the Curve statt Finanzierungsvorbehalt
Also „Flatten the Curve!“ Ohne wenn und aber. „Das ist eine Pandemie, und sie ist nicht mehr zu stoppen“, beschied uns Kleber zur Hauptsendezeit. Aufhalten ging demnach nicht. Aber das Tempo der Ausbreitung verlangsamen, das konnten wir. Also alles runterfahren. Wirtschaft, Restaurants – sogar die Bundesliga.
Die Gesellschaft war angesichts der Bedrohung nicht mehr nur bereit, Milliarden an Geldmittel für die Versorgung Kranker und potenziell Kranker auszugeben. Sondern sogar den „Finanzierungsvorbehalt“, der das System in normalen Zeiten eisenhart umklammert, kurzerhand aufzuheben. Die Wirtschaft zum Erliegen zu bringen und mit ihr die Steuereinnahmen. Der Staat würde „all in“ gehen, wie Pokerspieler sagen. Das gab es schon lange nicht mehr. Seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie, wenn man es genau nimmt.
Gute Vorbereitung, Glück oder Übertreibung?
Kommen wir damit zurück zur Eingangsfrage: Wo bleibt er, der Ernstfall? Offenkundig ist er nicht eingetreten. Oder besser: noch nicht. Vielleicht waren wir tatsächlich gut vorbereitet, wie die Regierung meint. Oder wir hatten großes Glück, wie Christian Drosten meint (Anm.: die Autoren schließen sich ihm an).
Oder aber es war alles von vornherein übertrieben, wie Skeptiker behaupten. In diesem Sinne ließ sich etwa Hans-Georg Maaßen vernehmen, der auf Twitter Medienberichte über nicht ausgelastete Intensivstationen mit dem Kommentar retweetete: „Fehlplanung der Politik.“ Seine Kritik findet Zuspruch, selbst in Teilen der Ärzteschaft. Spricht man mit Kolleginnen und Kollegen, dann erhält man ein gemischtes Stimmungsbild, das von „Maßnahmen absolut OK“ bis zu „überhaupt nicht gerechtfertigt“ reicht.
Oft deckt sich dabei die medizinische Einschätzung mit der persönlichen wirtschaftlichen Betroffenheit. Obwohl Ärzte von den Kontaktsperren nicht in vollem Umfang betroffen waren, sahen gleichwohl viele ihre Praxisumsätze ins Bodenlose stürzen und mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.
Ein ähnliches Schicksal ereilte die Beschäftigten in zahlreichen Kliniken, die in Erwartung der Coronapatienten ihre anderweitigen Operationen einstellten. Die Coronakranken blieben aus, das Personal wurde nach Hause geschickt. Jetzt fährt man den Betrieb wieder hoch. Die Betroffenen finden das nur bedingt vernünftig.
Aber auch bei denen, die Corona bislang wirtschaftlich unbeschadet erlebten, sind die Meinungen geteilt. Es wäre auch anders gegangen, hört man oft. Das Beispiel Schweden fällt. Wenngleich zunehmend seltener.
Das perverse Gesundheitssystem, das nur Kranke kennt
Für Luhmann indes war die Sache klar. Das System der Gesundheitsversorgung sei insofern pervers, als es sich über die Krankheit definierte und nicht die Gesundheit. „Das Leben des Menschen ist medizinisch relevant im Hinblick auf die Krankheit“, schrieb er. Schließlich gäbe es für das Gesundheitswesen ja auch nichts zu tun, wenn die Menschen immer gesund blieben. „Gesunde sind, medizinisch gesehen, noch nicht oder nicht mehr krank oder sie leiden an noch unentdeckten Krankheiten“, bemerkt er süffisant.
Die Politik könne sich dem nicht entziehen. Ihre Prioritäten würden dadurch gesetzt. Wenn es nur genügend Kranke für eine Indikation gab, auch nur als vorweggenommene Bedrohung, dann konnten die Geldmittel für ihre Gesundung bzw. den Gesundheitsschutz politisch nicht verweigert werden. Eine merkwürdige Logik, möchte man meinen, die der Politik so gar keine Optionen lässt. Aber alle, die sich ihr zunächst widersetzten, die Corona auf einem „anderen Weg“ begegnen wollten, mussten sich ihr schließlich beugen. Trump in den USA genauso wie Johnson in UK.
Kein Wunder. Der Soziologe Ulrich Beck prophezeite es bereits in seinem Bestseller „Weltrisikogesellschaft“: „Die inszenierte Antizipation von Zerstörungen und Katastrophen verpflichtet zu vorbeugendem Handeln. Dies gilt insbesondere für den Staat, der – weil die Garantie und Sicherheit seiner Bürger zu seinen vorrangigen Aufgaben gehört – damit zu Antizipation und Vorsorge gezwungen ist…“
Ein Anachronismus namens Corona
Eigentlich ist das alles verständlich und nachvollziehbar. Warum dann aber jetzt die ganze Aufregung? Warum die Verbitterung, mit der sich die Lager in der Corona-Frage gegenüberstehen?
Wahrscheinlich liegt die Antwort zum Teil in dem Anachronismus begründet, den Corona mit sich bringt. Eine virale Infektion, die für die Gesellschaft ein echtes Risiko darstellt, von der Experten wie Drosten sagen, man werde noch in Generationen von ihr sprechen – wann gab es denn das zuletzt? Vergleiche mit der Spanischen Grippe werden zwar immer wieder gezogen, und das von allen Seiten. Was dabei aber immer unterbelichtet bleibt: Das war vor 100 Jahren!
Die These lautet, dass die öffentliche Debatte auf etwas wie Corona nicht vorbereitet war. Denn wenn hierzulande routinemäßig über öffentliche Gesundheit gesprochen wird, dann überwiegend über bekannte und gewissermaßen „akzeptierte“ Zivilisationskrankheiten. Und die regen niemand mehr auf. Denn an Krebs, Herzinfarkt und Diabetes haben wir uns gewöhnt. An Verkehrstote ebenso. All das gehört in den Katalog der „gefühlten Risiken“, über die Beck in der „Weltrisikogesellschaft“ schreibt: „Wo sich alles in Gefährdungen verwandelt, ist irgendwie auch nichts mehr gefährlich.“
Vergleiche mit der Grippe nur auf eigene Gefahr!
Aber eine Pandemie wie Corona lässt sich in diesen Katalog nicht einordnen. Das erfuhren zuallererst diejenigen, die es gleichwohl wagten. Die das neue Virus und seine Gefährlichkeit in die Nähe der Grippe rückten. Wer es öffentlich machte, hat seither ein echtes Imageproblem.
Natürlich: Dass Infektionskrankheiten gefährlich sein können, auch richtig gefährlich, das wusste man. Aber vorwiegend aus dem Kino und in der realen Welt nur aus „Dritte-Welt“-Ländern. Virusepidemien haben etwas Archaisches, etwas, das nicht mehr in unsere Welt passt. In Afrika stirbt man an Malaria und in Asien immer wieder mal an exotischen Influenzaviren. Aber warum? Doch nur, weil diese Länder so sind, wie sie sind. „Exotisch“ halt, insbesondere in den Essgewohnheiten. Und fällt nicht immer wieder der Begriff „Hygiene“? Na also. Das sind doch nicht unsere Probleme.
Deutlich wurde das an den herablassenden Kommentaren (und die Fake News), mit denen hierzulande auf das neue Virus und seine ersten menschlichen Wirte in Wuhan reagiert wurde: Die Chinesen und ihre eigenartigen Gebräuche, ihre Fledermaussuppen und ihre Wildtiermärkte… was muss man dazu noch groß sagen? Guckt Euch doch nur mal diese ganzen Youtube-Clips an, in denen sie vor laufender Kamera lebenden Mäusen und anderem Getier den Kopf abbeißen. Klar, dass unter solch primitiven Umständen die Viren florieren....
Von Wuhan nach Heinsberg
Nun ging es aber bald schon nicht mehr um die Chinesen, sondern um uns. Das Sterben verlagerte sich von Wuhan nach Heinsberg. Und die deutsche Debatte versuchte sich an einer Bedrohung, über die es im Grunde nichts wusste. Außer, dass am Ende der einsame Tod im Intensivbett stehen konnte. Eine grausige Vorstellung, von den Medien in düsteren Farben zudem noch prächtig ausgemalt.
So lässt sich das allgemeine Unwohlsein über die neuartige Bedrohungslage auch an der ebenso plötzlichen wie unerwarteten Popularität der Virologen ablesen, die seit Beginn des Jahres in Talkshows und Podcasts ein Massenpublikum mit wohligem Grusel versorgen. Allen voran natürlich Christian Drosten, dessen kometenhafter Aufstieg zum Popstar gänzlich undenkbar schiene, wenn es sich bei Corona nicht um eine ganz besondere Krankheit handeln würde.
Doch selbst er sieht sich, nach nicht einmal einem halben Jahr in der Krise, einem Meinungsumschwung ausgesetzt und einer Öffentlichkeit gegenüber, die sich nicht mehr so sicher scheint, ob sie einen Christian Drosten als umsichtigen Lotsen wertschätzen oder als düster orakelnde Kassandra brandmarken soll.
Und die Moral der Geschichte?
Obwohl es in diesem Text mit keinem Wort um die Klimakrise geht, kommt man an ihr doch nicht vorbei, wenn man Corona zutreffend einordnen möchte. Sie ist die einzige andere Katastrophe von Weltformat, die als Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann.
Zwischen Corona und Klima gibt es bemerkenswerte Unterschiede im öffentlichen Diskurs wie auch im staatlichen Handeln. Eines der ersten Opfer des Virus waren Greta und Fridays For Future. Und das, obwohl die Folgen des Klimawandels, nach allem, was man weiß, für Millionen von Menschen wesentlich dramatischer sein werden, als die Virusinfektion. Aber das Coronavirus hat etwas geschafft, was der Klimakatastrophe bisher nicht gelungen ist: Zur Behauptung der Katastrophe die überzeugenden Fakten zu liefern und dafür die eindeutige Urheberschaft zu beanspruchen.
Bilder von einsam in Notbetten Sterbenden und am Rande des Zusammenbruchs stehenden Ärztinnen verfehlen nicht ihre Wirkung. Die Gefahr erschließt sich sofort, die Unmittelbarkeit ist zwingend. DAS war das Virus! Und alle nicken. Eine nachvollziehbare Kausalität, die 1.000 Bilder vom schmelzenden Polareis und brennende Wälder in Australien bislang nicht zuwege brachten.
Die Unmittelbarkeit von Corona ist zudem global. Sie kommt über den gesamten Planeten im Hier und Heute. Niemand gewinnt, alle verlieren, viele sterben – egal, ob sie in Europa zuhause sind, in Afrika oder in China. Der politische Mut, mit dem staatliche Corona-Maßnahmen beschlossen wurden, lässt sich ein Stück weit auch nur so erklären, dass es schon die Chinesen vormachten, danach die Franzosen, die Italiener, die Österreicher, die Amerikaner, und am Ende sogar die Briten. Unter Erklärungsnot wäre eher geraten, wer es angesichts der weltweiten Entwicklung anders gemacht hätte.
Nüchtern betrachtet, hat die Politik gehandelt, wie sie handeln musste. Wer ihr vorwirft, dabei im Hinblick auf eine ungewisse Bedrohungslage übertrieben gehandelt zu haben, bekommt vielleicht sogar recht. Im Nachhinein. Kein großes Verdienst, wenn man ehrlich ist.
Aber auch wer glaubt, dass sich aus der Coronakrise nennenswerte Änderungen im Gesundheitswesen ergeben, dass jetzt – endlich! – all die Dinge gemacht werden, die man in der Vergangenheit nicht oder nicht richtig gemacht hat, dass womöglich sogar der elende Neoliberalismus aus dem System getrieben wird, der sich überall breit gemacht hat, dass Krankenhäuser aufhören, die Kosten zu optimieren, dass Pflegekräfte im öffentlichen Ansehen steigen und ordentlich bezahlt werden: der wird sich täuschen. Er wird vielmehr ernüchtert feststellen, dass das Geld wieder knapp ist, wenn es die Kranken auch sind.
Über die Autoren:
Dr. med. Eva Maria Strobl ist Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie arbeitet in der Notfallambulanz des Flughafens München und betreibt eine Privatpraxis für ästhetische Medizin in der Münchener Innenstadt. Im Web findet man sie unter lipsandskin.de und auf Twitter unter @lipsandskin. Thomas Strobl ist Ökonom und Publizist.
Quellen:
Niklas Luhmann, Der medizinische Code, in: Soziologische Aufklärung 5, VS Verlag, Wiesbaden
Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt am Main