Kröten schlucken mit den Grünen

Theoretische Widerspruchsfreiheit ist für den Erfolg grüner Politik zwischen Klima-Apokalypse und technokratischen Versprechen bei ihren Wählern kaum nötig. Entscheidend ist die Akzeptanz einer speziellen grünen Taxonomie.

Dass die Grünen in diesem unserem Lande das Curriculum politischer Bildung bestimmen, ist dem mündigen Bürger (w/m/d) seit langem klar. Seit sie mit fünf Ministerien in der Ampel-Regierung sitzen, sind sie dank Koalitionsvertrag bemächtigt, ihren Lehrplan – in derzeitiger Taxonomie: Klimarettung (=EEG), moderne Einwanderungsgesellschaft, diversity und Sonstiges, darunter Frieden – bundesweit durchzusetzen.

Taxonomie ist ein Terminus der Curricularforschung, die seit den 1960er Jahren aus den USA importiert, das angestaubte – föderale, duale und dreigliedrige – (west-)deutsche Bildungssystem modernisieren sollte. Der Lehrerfolg in Schule und Unterricht sollte fortan an Lernzielen bemessen werden, die wiederum taxonomisch in kognitive, instrumentelle und affektive (oder affektuelle) unterteilt wurden.

Der über Generationen fortwirkende Erfolg der Curricularforschung spiegelt sich in der Popularität der Grünen bei der ökologisch bewegten Jugend, insbesondere in der Fridays-for-Future-Bewegung. In deren Taxonomie stehen die affektiven Lernziele obenan, die durch Demonstrationseifer anstelle von Unterricht freitags zu realisieren sind. Allerdings haben im zweiten Corona-Jahr die affektuellen Demonstrationen der Impfgegner bzw. ›Corona-Leugner‹ die gesamtgesellschaftlichen Lernerfolge der klimarettenden Schuljugend deutlich überlagert. Bei der bildungswilligen Jugend überwiegt derzeit das Interesse an Präsenzunterricht vor dem Verlangen nach Gemeinschaftserlebnissen auf der Demo.

Nichtsdestoweniger steht die Klimarettung in der von den Grünen definierten Agenda der Ampel ganz obenan. Es geht um den Ausbau der EEG, maßgeblich durch saubere, klimarettende Windräder auf zwei Prozent der Gesamtfläche Deutschlands (=7000 km², etwa die halbe Fläche von Schleswig-Holstein). In den grün dominierten Bundesländern ist man mit Eifer dabei, die zeitlich noch ungewissen Klimaziele – das Zieljahr 2030 wurde soeben gecancelt – ›flächendeckend‹ zu erreichen. Ein SPD-Politiker aus der niedersächsischen Küstenregion hat die die grüne Flur ästhetisch beherrschenden, Vögel und Insekten mit Flügelschlag reduzierenden Artefakte der Postmoderne inzwischen als Teil seiner Kulturlandschaft schätzen gelernt.

Mangelnder „ökologischer Patriotismus“ 

Nur Bayerns Ministerpräsident Söder sträubt sich noch ein bisschen dagegen, aus Rücksicht auf konservative Landeskinder und CSU-Wahlvolk, das die Fluren, die Gaue und den weiß-blauen Himmel vor noch mehr Windrädern bewahrt wissen will. Ausgerechnet Söder, der fränkische Hüter des bayerischen Vaterlands, muss sich nun von Robert Habeck den Vorwurf des mangelnden „ökologischen Patriotismus“ anhören. Patriotismus? Das Wort kommt von patria, zu deutsch: Vaterland. In einem seiner Bücher fand Habeck das Wort immer „zum Kotzen". Jetzt ist es, ideologisch gewendet, okay, was auch dem historisch weniger gebildeten Volk einleuchtet. Denn gestorben wurde in Afghanistan nicht mehr fürs Vaterland, sondern taxonomisch für Demokratie, Frauen- und Menschenrechte.

Die Gefahr für das grüne Klimarettungsprogramm kommt indes nicht aus Bayern, sondern aus Brüssel. Die EU-Kommission hat auf Druck Macrons und mit der Mehrheit der Mitgliedsstaaten eine Taxonomie klimaschonender Energiegewinnung etabliert, in der – wie schon kurzzeitig von Greta Thunberg aus dem atomfreundlichen Schweden favorisiert – die Nuklearenergie weit oben rangiert.

Mit dieser „Kröte namens atomfreundliche Taxonomie" setzen sich in einem Artikel (in: FAZ v. 18.01.2022, S. 4) Daniel Cohn-Bendit und Claus Leggewie auseinander. Sie schreiben: „Die Grünen stecken in einem doppelten Dilemma". Das Dilemma besteht zum einen rein materiell im höheren Energiebedarf der ökologisch umgerüsteten Industriegesellschaft sowie den von Habeck bereits angekündigten weiter steigenden Preisen für die grüne Energie. Einkommensschwache Haushalte („Menschen mit geringerem Einkommen") sollen naturgemäß vom Staat entlastet werden. Das andere Dilemma betrifft die ureigene grüne Gründungsideologie, den Kampf gegen AKWs und die Atomrüstung. Mit Blick auf Frankreich umkreisen die Autoren das Dilemma, genauer: den Widerspruch zwischen dem seit Merkels Kehrtwende 2011 beziehungsweise bis Jahresende 2022 AKW-freien Deutschland und dem auf Atomenergie setzenden Frankreich.

Affektive Lernziele

Auf spezifische Weise behandeln die Autoren auch das mit der französischen Nuklearrüstung verknüpfte Dilemma: Man könne ja kritisieren, aber man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die atomare Rüstung „als Eckpfeiler des französischen Souveränitätsstrebens" diene. Die Auflösung des doppelten Widerspruchs – keine Nuklearwaffen ohne Atomindustrie – erfolgt in einem erweiterten Relativsatz: „Im Kern geht es um die atomare Bewaffnung, die übrigens auch zur europäischen Souveränität beitragen kann." Derlei grün-europäische Auflösung durch Überspielung eines Widerspruchs würde kein Deutsch- oder Französischlehrer in einem Besinnungsaufsatz der Oberstufe durchgehen lassen.

Theoretische Widerspruchsfreiheit ist für den Erfolg grüner Politik bei dem zwischen apokalyptischer Klimaerhitzung und technokratischem Optimismus oszillierenden jungen Wahlvolk kaum nötig. Entscheidend ist die Akzeptanz der oben skizzierten grünen Taxonomie. Affektive Lernziele sind überdies leichter erreichbar als kognitive. Für deren Internalisierung ist der Grünen-Anhang durchaus bereit, ein paar Kröten zu schlucken.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf globkult.de

Foto: Bidarchiv Pieterman

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Leserpost

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WF Beck / 28.01.2022

Zur Zeit wird Buntland von der Reinkarnation der reinen orwellschen Schweinen in den Abgrund getrieben!!!!! SED und ZK bestimmen den Takt der Politik. DDR 2.0.

Sirius Bellt / 28.01.2022

Hatte sich nicht erst kürzlich der verarmte Bundesadel der Grünen 1500,- Kröten als Coronazulage genehmigt? Und ermittelte nicht der Staatsanwalt, so dass sie die Kröten wieder ausspucken mussten? Sie waren nicht einmal peinlich berührt als es raus kam. Ekelhaft.

Angelika Meier / 28.01.2022

“Theoretische Widerspruchsfreiheit ist für den Erfolg grüner Politik zwischen Klima-Apokalypse und technokratischen Versprechen bei ihren Wählern kaum nötig.”: Was nötig für grüne Wähler: Dass man sich gut fühlt und es einem nicht persönlich schadet. Es gab damals die “Flüchtlingsbürgen”. Die fühlten sich gut. “Sie tun was. Sie helfen. ...” Und dann sollten sie real mit eigenem Geld zahlen. Da war aber Schluss mit lustig und sie empörten sich. Relotius-Geschichten kamen auch gut an. Weil man sich beim Lesen, so gut fühlen konnte.

S.Buch / 28.01.2022

Kurz gesagt: (Links-) Grün heißt, Hauptsache, die Haltung stimmt. Dass so viele Leute aus dem akademischen Milieu der grünen Idiotie folgen, kann man wohl mit der Erscheinung vergleichen, dass viele Leute, die im Büro Denkarbeit leisten, nach Feierabend gerne “einfache” Fernsehprogramme schauen.

N.Lehmann / 28.01.2022

Gebildete freiheitsliebende Demokraten denken nicht daran, diesen bildungsfernen Versagern und Ökofaschisten Zeit zu schenken, noch einen Cent Steuern zu erwirtschaften!  Wir entscheiden! Kröten schlucken soll der blöde Michel und das dumme Gretchen. No mercy!

Caroline Berthold / 28.01.2022

Mensch, Herr Ammon, es gibt keine Lernziele mehr. Die Kultusministerkonferenz hat vor nahezu 20 Jahren beschlossen, dass die lieben Kleinen ab jetzt kompetenzorientiert unterrichtet werden müssen. Kompetenzen sind beobachtbare Fähigkeiten, die die Menschen fit für ihr Leben machen. SuS lernen nichts mehr über die physikalischen Grundlagen der Energiegewinnung, sie benennen/diskutieren/ordnen zu - sprich sie tun das, wovon sie erwarten eine gute Note vom Lehrer zu bekommen. Wir werden uns noch nach den guten alten Lernziele sehnen, sogar nach den affektiven.

Dr. Joachim Lucas / 28.01.2022

Bei den Grünen ist alles widerspüchlich, unstimmig, unlogisch und gegen jede Ökonomie - mit einem Wort: hirnvebrannt. Aber Ökonomie ist ja Teufelszeug. Liegt auch daran, dass sie davon nichts verstehen. Derzeit beobachte ich, wie alle grünen Lieblingsspielzeuge zersägt werden. Wasserstoffaktien Plug Power, NEL ASA, grüner Autofirlefanz wie die Aktien von Sono-Motors, Rivian (außer Tesla, die gut an Ablasszetteln verdienen). Ebenso die Vegangrünfutter-Aktien (Beyond Meat). Gerade geht in München “Green City” insolvent, ein Geldeinsammler fürs grüne Stadtparadies. So ziemlich alles, was irgendwie grün ist funktioniert nicht oder nur mit Gigantosubventionen und ist letztlich eine Geldverbrennungsmaschine. Am Ende stehen wir alle vor einem grünen Scherbenhaufen und die angeblich erhitzte Welt interessierts nicht. Der Rausch mag lang sein bei den Jüngern des Klimaparadieses, die Reue wird länger sein.

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