Air Tuerkis / 14.08.2019 / 14:30 / Foto: achgut.com / 116 / Seite ausdrucken

Kampf gegen Rechts als Lehre aus der DDR, Herr Steinmeier?

Am Dienstag lud Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue Zeitzeugen zur Serie „Geteilte Geschichte(n)” anlässlich des Jahrestags des Mauerbaus ein. Viele Bürgerrechtler und Zeitzeugen sowie Größen des deutschen Journalismus, der Politik und des Militärs waren anwesend. 

Dann begann Steinmeier seine Rede. Zunächst einige allgemeine Worte zur deutschen Teilung, dann stellte er die Teilnehmer des auf ihn folgenden Podiumgesprächs vor. Und lange dauerte es nicht: Dann ging es gegen rechts. “Nein, wir heute müssen an den Freiheitskampf von 1989 nicht nur erinnern, sondern wir müssen ihn, in unserer Zeit, aufs Neue führen!” Aber nicht etwa gegen neue Formen der alten Ideologie. Es geht gegen die Trumps und Orbans dieser Zeit (ohne ihre Namen zu nennen).

Hauptlehre aus der DDR schien für Steinmeier der Kampf gegen die AfD zu sein. Wer „das Gift des Hasses“ in die Sprache und die Gesellschaft trage, stehe heute auf der falschen Seite (der Geschichte) so der Bundespräsident. “Wenn politische Gruppierungen im Wahlkampf versuchen, das Erbe von ’89 für ihre Angstparolen zu stehlen, dann ist das eine perfide Verdrehung der Geschichte.” Kein Wort verlor er hingegen zur Linkspartei. Das Wort Sozialismus fiel in seiner Rede kein einziges Mal. Auch in der darauf folgenden Diskussion ging es um die AfD und ihren Wahlkampf in Ostdeutschland. 

Dann fordert er noch, “die Leistung derjenigen anerkennen, die aus Südeuropa, der Türkei, Polen und anderen Ländern eingewandert sind.” Denn die haben wohl auch einen Beitrag zur Einheit geleistet. Kein Wort verliert Steinmeier hingegen über den Einsatz der Westalliierten oder Gorbatschow. 

Es ist schon zynisch, am Jahrestag des Baus des “antifaschistischen Schutzwalls” nur über eine Gefahr von rechts, nicht aber über linke Gewalt, linken Extremismus und linke Diktatur zu sprechen. Das trifft doch genau den Legitimierungsversuch des SED-Regimes: “Diese imperialistische Politik, die unter der Maske des Antikommunismus geführt wird, ist die Fortsetzung der aggressiven Ziele des faschistischen deutschen Imperialismus zur Zeit des Dritten Reiches.” heißt es im Beschluss des Ministerrates der DDR vom 13. August 1961.  

Der Mauerbau als Akt des Antifaschismus – hatte denn Ullbricht damals recht? 58 Jahre später ist die Conclusio unseres Bundespräsidenten: Wir brauchen noch mehr Antifaschismus. Der Bau der Mauer war ein menschenfeidlicher Akt eines totalitären sozialistischen Regimes, das sich anders nicht mehr zu retten wusste. Und die Lehre daraus kann nur sein: Nie wieder Sozialismus!

Ich habe im Verlauf der Diskussion zu diesem Thema deshalb eine ausführliche Frage gestellt (hier zur Dokumentation ein Video).

"...wir haben hier heute viel gehört über die Lehren aus der DDR im Bezug auf die AfD und Pegida...wir müssen aber bedenken, was die DDR war. Denn die DDR war in erster Linie eine sozialistische Diktatur. Dann muss die Lehre doch in erster Linie heißen: Nie wieder Sozialismus. Ich weiß nicht, ob Sie das in Erinnerung haben, aber im Bundestag sitzt eine Partei, die sich immer noch zum Sozialismus bekennt und der Rechtsnachfolger der SED ist... Das habe ich in der Rede des Bundespräsidenten vermisst, die ich trotzdemn sehr gut fand. Was war denn die DDR? Eine sozialistische, eine linke Diktatur. Die Linke ist an vielen Regierungen in Deutschland beteiligt unter anderem auch in Koalition mit der SPD. Und jetzt meine Frage an Sie (Anm. der Red: den Bundespräsidenten) oder auch alle die, die sehr heldenhaft erstritten haben, dass wir in Demokratie und Freiheit leben können. Ist es nicht entscheidend, auch gegen diesen neuen Sozialismus anzukämpfen? Müssen wir uns nicht vielmehr auch damit beschäftigen? Und diese Lehre aus der DDR ziehen: Nie wieder Sozialismus. Dankeschön."

Beantwortet wurde meine Frage nicht.

 

Air Tuerkis (16) ist Chefredakteuer des Schüler- und Jugendblogs "Apollo-News".

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Stirken Hermann / 14.08.2019

Sehr wohl Herr Tuerkis das ist ein wenig thematisierte Frage. Da sitzt eine Partei, die nach wie vor einen Systemwechsel will und die anderen Parteien lassen das unerwähnt und erwägen stattdessen sogar eine Koalition. Diese Linke stellt sich in dem sogenannten Kampf gegen Rechts an die Seite der etablierten Parteien und tut so, als sei sie der Verteidiger unserer Gesellschaft. Kein Widerspruch von SPD, CDU, FDP oder Grünen Da sieht man, wo das Herz dieser Politiker schlägt : Links

Susan Brenning / 14.08.2019

Habe mir das Video angesehen und bin begeistert. Danke für Deinen Mut!

Fanny Brömmer / 14.08.2019

Den Ignazio Silone zugeschriebenen Spruch kennen Sie sicherlich: Wenn der Faschismus zurückkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Nein. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. Den Ostdeutschen und der AfD Braunfaschismus zu unterstellen, weil sie keinen Bock auf Rot-, Grün- und Islamofaschismus haben, die dieses unser Deutschland gerade unter dem Beifall des Regimes, der gleichgeschalteten Medien und der Soros - UNO - Brüssel - Bruderschaft erobern und die Beute unter sich aufteilen, ist an Perfidie nicht zu überbieten. Aber, wie heißt es auf den Wahlplakaten der AfD in Brandenburg?  “Wir sind immer noch das Volk!”  “Wende 2.0 vollenden!”

Fritz kolb / 14.08.2019

Klasse, weiter so. Irgendwann fällt die Maske des B-Präsidenten und seiner roten Glaubensgenossen.

Andreas Rühl / 14.08.2019

Ein sehr zurückhaltender Beitrag. Mir fallen zu diesem Eklat, denn anders kann man das nicht nennen, ganz andere Worte ein. Zunächst einmal sollte man den Herrn daran erinnern, dass es guter Gepflogenheit entsprach und meines Wissens immer noch entspricht, dass ein Bundespräsident, obwohl er es nicht muss, Art. 55 GG, eine etwaige Parteimitgliedschaft während der Amtsdauer ruhen lässt. Weiter war es guter Brauch und wohlbegründet, dass ein Bundespräsident wohl in die Gesellschaft hineinwirkt, etwa mit seinen Reden, er sich aber dessen enthält, was parteipolitischer Diskurs genannt werden kann, mithin: die politische Debatte im engeren Sinn. Der Grund dafür leuchtet ein: Der Bundespräsident hat nur sehr eingeschränkte Kompetenzen, er vertritt den Staat und damit die ganze Nation (“alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”) nach außen und innen. Der BuPrä ist das, was man einen besseren Gruß-August nennt. Manche kümmern sich mehr um die Gesellschaft und den Zustand des Staatswesens (Weizäckers Rede zum 8.5.1945, Herzogs “Ruck”-Rede), manche weniger (Scheel sang Volkslieder, Carstens ging wandern). Aber: Bislang hat jeder BuPrä es vermieden, sich unmittelbar in das parteipolitische Geschehen einzumischen, geschweige denn, wie Steinmeier, allen Ernstes Wahlkampf zu machen - nicht für, aber gegen eine Partei. Das ist ein Dammbruch, die Überschreitung einer NO GO Linie. Weizäcker hat hin und wieder gegen Kohl gestichelt, klar. Aber sich vorzustellen, dass Weizäcker oder Herzog sagen: Diese Partei dürft ihr nicht wählen, die macht die Demokratie kaputt - eine Partei die im Bundestag sitzt und in vielen Länderparlamenten - nein, das war nicht möglich, das war völlig unvorstellbar. Hinzu kommt dann noch, was Sie gesagt haben. Ein Skandal größten Ausmaßes. Steinmeier muss zurücktreten, er ist mit dem Amt überfordert und der Aufgabe nicht gewachsen. Er ist eine Schande für das Amt und für die ganze Nation.

Thomas Hechinger / 14.08.2019

„Daß die Nationalsozialisten 6 Millionen Juden ermordet haben, war eine schwere Verirrung. Im Kern ist der Nationalsozialismus aber eine gute Sache.“ Man stelle sich für den Moment einmal vor, jemand würde so reden. Empörte Reaktionen wären die Folge. Und das völlig zu Recht. Niemand empört sich aber, wenn bekennende Linke eine entsprechende Aussage über den Sozialismus machen. Und erinnert man Linke an die Millionen Toten, die der Sozialismus im Laufe des 20. Jahrhunderts gekostet hat, so wird man sofort verdächtigt, durch den Vergleich mit dem Nationalsozialismus diesen relativieren zu wollen. Irgendwie gelingt es den Linken immer wieder, das Scheitern aller sozialistischen Experimente damit zu erklären, daß das alles ja gar kein richtiger Sozialismus gewesen sei. Der richtige Sozialismus, der würde dann beim nächsten Anlauf verwirklicht. Auf ein Neues also! Linke Utopien tragen grundsätzlich totalitäre Züge. Im besten Fall führen sie zu einem paternalistischen System, im schlimmsten Fall zur Ausrottung aller Individuen, die der Verwirklichung des neuen Menschen entgegenstehen, eben zu Millionen Toten. Vor allem junge Menschen sind für linke Ideen empfänglich. Ihr Idealismus treibt sie schnell in die Arme derer, die ihnen eine bessere Welt versprechen, in der es weder Hunger noch Armut noch Krieg geben wird. Um diese bessere Welt zu schaffen, muß der Mensch verändert werden. Und wenn er nicht freiwillig mitmacht, dann eben unter Zwang. Und wenn er sich entgegenstellt oder gar nur verdächtigt wird, sich entgegenstellen zu können, wird er liquidiert. Liberal-konservative Ideen haben es da viel schwerer. In der Analyse der Unzulänglichkeiten der menschlichen Seele sind Linke und Konservative vielleicht gar nicht so weit weg voneinander. Aber Konservative können niemals eine vollkommene Welt versprechen, sie können nur versprechen, die Welt Stück für Stück ein klein bißchen besser zu machen. Für Idealisten ist das natürlich nicht besonders attraktiv.

Dr. Gerhard Giesemann / 14.08.2019

Wie sagten die Amis gerne? Klar sind sie Halunken, aber es sind UNSERE Halunken. Bei Diktaturen dito: Klar sind sie Diktatur, aber eben unsere. Rette sich, wer kann. Gruß an BP Steinmeier - Air Türkis sieht mehr als der.

Martin Stumpp / 14.08.2019

Die Frage war gut nur welche Antwort hat Herr Tuerkis erwartet? Steinmeier ist ein Sozialist durch und durch. Hätte er zugeben sollen, dass der Sozialismus gescheitert ist? Hätte er zugeben können, dass das Versprechen des Sozialismus Gerechtigkeit zu schaffen eine Lüge ist? Hätte er es getan, er hätte die Politik der SPD und der Regierungen Merkel konterkariert.

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