SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte ja bereits zuvor frohlockt, dass die SPD als erste Partei noch in diesem Sommer einen Kanzlerkandidaten präsentieren werde. Heute nun war es soweit. Die Parteiführung, einschließlich des Vorsitzenden-Duos habe einstimmig für eine Kanzlerkandidatur von Bundesfinanzminister Olaf Scholz votiert, heißt es. Das ist immerhin insofern überraschend, weil doch gerade die beiden Vorsitzenden eher als innerparteiliche Scholz-Gegner galten. Saskia Esken twitterte deshalb auch an ihre Anhängerschaft: "Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt", doch sie bitte „um Vertrauen in unseren Weg. Wir sind entschieden, diesen Weg gemeinsam zu gehen." Vor allem aber ist die Vorsitzende begeistert: "Olaf hat den Kanzler-Wumms", schrieb sie. "Wir freuen uns auf einen großartigen und erfolgreichen Wahlkampf".
Würde es sich um eine beliebige 15-Prozent-Partei ohne eine solch große Parteigeschichte handeln, würde man wahrscheinlich nur schmunzeln über das Brimborium, was die Partei und die geneigte Öffentlichkeit um diese Entscheidung veranstaltet. Immerhin gab es doch im derzeitigen SPD-Personal ohnehin keine andere Figur, die noch halbwegs Kanzler-Format darstellen könnte. Zum anderen würde man nur launisch kommentieren müssen, dass sich die Partei, wenn sie im Herbst des nächsten Jahres bei der Wahl auf den hinteren Plätzen eingelaufen sein wird, ja mit dem Gedanken trösten kann, immerhin als erste den Kanzlerkandidaten aufgestellt zu haben.
Vielleicht sollte jemand den Genossen erklären, dass nichts damit gewonnen ist, Nominierungs-Erster zu sein. Aber warum eigentlich? Sollen sie sich doch wenigstens eine kurze Zeit am „Kanzler-Wumms“ von Olaf Scholz erfreuen, so wie sich die Genossen vor der letzten Wahl am „Schulz-Zug“ berauschten, mit dem ihr Vorsitzender Martin Schulz als kurzzeitiger Umfrage-König ins Kanzleramt fahren wollte. Kommt nun also der Scholz-Zug?
Ein Ende mit Unterhaltungswert
Zugegeben, der Vergleich hinkt, denn Martin Schulz ist immerhin nach der Wahl zum Parteivorsitzenden ins Kandidaten-Amt gekommen. Scholz hingegen hatte es nicht geschafft, SPD-Vorsitzender zu werden. Dafür kann er ja nun seinen ganzen Wumms in die Kanzlerkandidatur stecken, denn um die schrumpfende Partei kümmern sich ja nun gleich zwei Vorsitzende. Bei einem solchen Trio wird man als älterer Beobachter deutscher Parteipolitik vom Scholz-Zug in einer kleinen Zeitreise ins Jahr eines legendären SPD-Führungstrios gefahren. 1994 hatte die Partei schon einmal versucht, mit einer Troika aus Spitzen-Genossen, in der sich hinter dem Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping die konkurrierenden Mitstreiter Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine versammelten, eine Bundestagswahl zu gewinnen. Sie haben es bekanntermaßen nicht geschafft.
Allerdings galten damals die 36,4 Prozent, die die SPD errang, trotz leichter Zugewinne als Niederlage. Heutzutage wagt schon kein Genosse mehr, von solchen Ergebnissen überhaupt zu träumen. Inzwischen ist die Partei ungefähr halb so stark und es steht zu befürchten, dass der Scholz-Zug, trotz seiner überpünktlichen Abfahrt zur Ankunft noch mehr enttäuschen wird, als 2017 der Schulz-Zug. Da wird auch kein Wumms helfen, denn der Wumms, mit dem Bundesfinanzminister Scholz zuvor antrat, allen Betroffenen der Corona-Maßnahmen wirtschaftlich unter die Arme zu greifen, besteht letztlich nur aus einem gigantischen Schuldenberg, den all jene abzutragen haben werden, die in künftigen Generationen an der hiesigen Wertschöpfung arbeiten müssen. Aber das ist ein eher unerfreuliches Thema. Widmen wir uns heute doch nur dem unterhaltsamen Teil der SPD-Kandidatenkür und stellen uns vor, wie es ausgehen wird, wenn der Scholz-Zug seine Fahrt mit einem Wumms beendet.