Peter Grimm / 25.01.2023 / 15:00 / Foto: Pixabay / 9 / Seite ausdrucken

Ihsan, Özgül, Serkan und Genossen

Neben all den Islamisten und Reichsbürgern, mit denen sich die Bundesanwaltschaft aktuell beschäftigen muss, werden die Linksextremisten in der Berichterstattung oft übersehen. Vor allem die, die ihr marxistisch-leninistisches Regime nicht zuerst hier, sondern in der Türkei errichten wollen.

Wenn von Terroristen die Rede ist, dann denken die meisten hierzulande wohl zuerst an Islamisten und werden dann von Politik und Medien auch auf die Gefahren von Rechtsextremisten hingewiesen. Der Generalbundesanwalt muss sich aktuell aber auch mit Mitmenschen beschäftigen, die für den Marxismus-Leninismus kämpfen wollen. Hier geht es aber nicht um eine wiederauferstandene RAF. Die kämpferischen Genossen im vorliegenden Fall tragen Vornamen wie Ihsan, Özgül und Serkan, und ihre Partei hat das Ziel, ein marxistisch-leninistisches Regime in der Türkei zu errichten.

Ob sie die Bio-Deutschen damit nicht über Gebühr behelligen wollen, obwohl (oder weil?) sie hier leben, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden. Von den dreien ist Serkan, der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft nach, immerhin deutscher Staatsangehöriger und könnte sich vielleicht auch für einen marxistischen Machtwechsel hierzulande interessieren. Aber genug des flapsigen Tons. Es ist anzunehmen, dass einem bei der Partei dieser drei Genossen das Lachen schnell vergehen könnte. Immerhin gibt es offenbar feste, funktionierende Strukturen, wie sich auch aus der nüchternen Pressemitteilungs-Prosa der Bundesanwaltschaft herauslesen lässt:

„Die Angeschuldigten sind hinreichend verdächtig, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C)" beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:

1. Die DHKP-C hat es sich zum Ziel gesetzt, den türkischen Staat mittels eines "bewaffneten Kampfes" zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime unter ihrer Kontrolle zu ersetzen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bis in die jüngste Vergangenheit hat die Gruppierung in der Türkei zahlreiche Tötungsdelikte begangen sowie eine Vielzahl von Brand- und Sprengstoffanschlägen verübt. Dabei hat sie wiederholt auch Selbstmordattentäter eingesetzt. Die DHKP-C verfügt in Europa über eine Auslandsorganisation, die sie als "Rückfront" unter anderem zur Finanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten, zur Rekrutierung und Ausbildung von Kämpfern, zur Beschaffung von Waffen und sonstiger militärischer Ausrüstung sowie als sicheren Rückzugsraum für ihre Mitglieder nutzt.

2. Ihsan C. fungierte spätestens seit September 2015 als "Regionsverantwortlicher" der DHKP-C für die Region "Süd", bestehend aus den Gebieten Frankfurt/Darmstadt, Saarbrücken, Stuttgart, Ulm, München, Augsburg und Nürnberg. Er erteilte den ihm jeweils nachgeordneten Gebietsleitern Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten unterrichten. Dabei setzte der Angeschuldigte Weisungen der übergeordneten Deutschland- und Europaführung der DHKP-C um, denen gegenüber ihm eine Berichtspflicht oblag. Zu seinen Aufgaben gehörten die Beschaffung und Weiterleitung von Finanzmitteln für die Vereinigung, Schulungen für Mitgliedern und Aktivisten sowie die Durchführung von Propagandaaktivitäten zugunsten der DHKP-C und deren Tarnvereinen. Zudem war Ihsan C. in die Beschaffung gefälschter Ausweispapiere für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder und die Suche nach konspirativen ("sauberen") Wohnungen in seiner Region involviert. Auch nachdem er im Mai 2017 seine Kaderfunktion in der Region "Süd" aufgegeben hatte, beteiligte sich Ihsan C. bis Februar 2022 an diversen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet.

3. Özgül E. war spätestens seit Januar 2003 in der DHKP-C aktiv. Bis April 2004 hatte sie eine leitende Position im zentralen Pressebüro der Vereinigung im Amsterdam inne. Dort sorgte sie für die Weiterleitung organisationsinterner Mitteilungen, nahm Gelder entgegen, die für das Pressebüro oder andere Bereiche der Vereinigung bestimmt waren, und war in die Übermittlung von gefälschten Ausweisdokumenten eingebunden. Im Juni 2014 organisierte Özgül E. federführend ein Konzert in Deutschland, dessen Erlöse ebenfalls der Organisation zuflossen. Zwischen Dezember 2015 bis mindestens Februar 2016 erledigte die Özgül E. verschiedene organisatorische Aufgaben für das Gebiet Istanbul der DHKP-C. Hierzu gehörten Schulungsmaßnahmen für Vereinigungsmitglieder, einschließlich hoher Kader, Propagandaaktionen sowie die Erstellung von Pressekolumnen und Programmen zur Ausbildung von Guerillakriegern.

Spätestens ab Januar 2017 war Özgül E. als "Deutschlandverantwortliche" in der Bundesrepublik eingesetzt. In dieser Funktion oblag es ihr, sämtliche Funktionäre der DHKP-C und Organisationen im Bundesgebiet gemäß den Anweisungen der obersten Funktionsebene zu führen. Sie koordinierte und überwachte insbesondere die Beschaffung von Finanzmitteln (etwa über Spendensammlungen oder den Verkauf des wöchentlich erscheinenden Parteiblatts) und die Organisation von Veranstaltungen für die Vereinigung. Auch von Deutschland aus half Özgül E. bei der Beschaffung gefälschter Ausweispapiere. Zudem beteiligte sie sich an der Erschließung von Schleusungsmöglichkeiten für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder. Noch bis Februar 2022 nahm sie an verschiedenen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet teil.

4. Serkan K. betätigte sich jedenfalls zwischen Sommer 2014 und Dezember 2018 in Deutschland für die DHKP-C. Zunächst war er Mitglied eines Jugendkomitees der Vereinigung. Ab Sommer 2015 agierte er als "Gebietsverantwortlicher" im Raum Hamburg und zeitweise als "Regionsverantwortlicher" für die DHKP-C-Region "Nord", bestehend aus den Gebieten Hamburg, Bremen und Berlin. In den beiden letztgenannten Funktionen erteilte der Angeschuldigte den ihm jeweils nachgeordneten Kadern und Aktivisten Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten unterrichten. Dabei trug Serkan K. dafür Sorge, dass Weisungen der übergeordneten Deutschland- und Europaführung der DHKP C umgesetzt wurden. Diesen Organen gegenüber war er selbst berichtspflichtig. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit als "Regionsverantwortlicher Nord" bildeten die Beschaffung und Weiterleitung von Finanzmitteln für die Vereinigung, Schulungen von Mitgliedern und Aktivisten sowie die Durchführung von Propagandaaktivitäten zugunsten der DHKP-C und deren Tarnvereinen. Darüber hinaus war der Angeschuldigte mit der Beschaffung gefälschter Ausweispapiere und der Suche nach Schleusungsmöglichkeiten für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder befasst. Auch nachdem er im Februar 2017 seine Kaderfunktion in der Region "Nord" aufgegeben hatte, beteiligte sich Serkan K. bis Ende 2018 an diversen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet.“

Falls Sie sich jetzt fragen, wie groß denn die Partei nun ist, so geht der Verfassungsschutz von bundesweit 650 Mitgliedern aus. Die DHKP-C steht sowohl in der EU als auch in den USA auf der offiziellen Liste der Terrororganisationen.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wilfried Cremer / 25.01.2023

Woher der plötzliche Elan? Braucht Erdogan ein Zückerchen?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com