Thilo Schneider / 10.02.2022 / 12:00 / Foto: Timo Raab / 250 / Seite ausdrucken

Ich, der „Systemling“ oder: Der geimpfte Idiot

Ich habe es getan. Wirklich getan. Geimpft und geboostert. Allein das war vielen bereits einen #Aufschrei wert. Wie, bitte, kann sich ein Achse-Autor impfen lassen? Was erlauben, Schneider?!

Ja, ob ich denn nicht den Kollegen Frank lese? Oder zu dumm sei, diesen zu verstehen? Vielleicht ja, vielleicht nein, vielleicht doch. Den endgültigen Olymp des Verhasst-Seins erreichte ich jedoch auf Twitter, als ich schrieb, dass dies nun meine letzte Spritze war. Weil es irgendwann dann auch mal gut ist. Oder schlecht ist. Ich habe wenig Lust, noch ein viertes Mal an einem Gummiband in einen möglicherweise (!) reißenden Fluss zu springen, nur weil ich mir die ersten drei Male nicht die Wirbelsäule aus dem Körper gerissen habe.

Holla, das hätte ich lieber gelassen … Zusammengedampft haben mir meine Follower und die, die es nie werden, erklärt, dass ich ein „Systemling“ sei, kein „Rückgrat“ (umgangssprachlich „Rückrad“) hätte, sowieso wieder „umfallen“ würde, schon sehen würde, was ich davon hätte, kurz: Wer sich zweimal impfen und einmal boostern lässt, der kann nur dumm, uninformiert, „rückradlos“, feige und ängstlich sein und macht auch künftig alles mit …

Dass es zwischen „ich habe mich impfen lassen“ und „ich bin ungeimpft“ eine unglaubliche Spanne an Gründen, guten Argumenten und Gegenargumenten geben könnte, kommt den allermeisten Menschen gar nicht in den Sinn. In ihrer Radikalität nehmen sich Impffanatiker und Impfverweigerer gegenseitig kein bisschen. Ich habe Neuigkeiten: Man kann geimpft sein und trotzdem gegen eine Impfpflicht sein. Man kann die „tagesschau“ sehen und „Servus TV“. Man kann die Achse lesen und den SPIEGEL. Und man kann sich im eigenen Umfeld umsehen, was mit den jeweils Geimpften und Ungeimpften im Krankheitsfall passiert. Ein guter Bekannter starb nach der zweiten Impfung im hohen Alter von 56. Vielleicht Zufall, vielleicht nicht. Ein anderer, ungeimpft, bekam mit 60 Corona und hat es nicht bis zu seinem 61. Geburtstag geschafft. Wer von beiden hatte nun recht? Ein Dritter hat sich weggemacht, weil sie ihm die Kneipe in den Lockdowns dichtgemacht und ihn ruiniert haben. Da war es egal, ob er geimpft oder ungeimpft war.

Wem kann ich als Normalsterblicher vertrauen?

Eine Krankenschwester berichtet von vollen Intensiv- und Isolierstationen, eine andere wurde soeben mangels Arbeit ausgestellt. Welche liegt richtig? Ich habe mich bei drei Ärzten und einer Apothekerin meines Vertrauens erkundigt, wie sie zu meiner Impfung stünden. Das Ergebnis war 3:1 pro Impfung. Alle drei haben mir gegenüber keinerlei finanzielle Interessen, deswegen halte ich deren Urteil für neutral und habe mich für die drei bisherigen Impfungen entschieden, sehe aber für weitere Impfungen keine Notwendigkeit mehr. Über meinen Körper entscheide immer noch ich. Zumal ich mir das als Selbstständiger leisten kann. Weswegen ich auch gegen eine generelle Impfpflicht bin. Denen aber, die auf Seiten der Ungeimpften am lautesten tönen, dass Impfen freiwillig sein muss, sei gesagt, dass sie gefälligst dann auch akzeptieren, dass sich Leute mit der „Plörre“, wie sie abschätzig von dieser Seite des Spektrums genannt wird, eben impfen lassen. Oder, um es mit den Worten meines Onkels zu sagen: „Ich glaube, es hackt!“

Ich verstehe die Ungeimpften, die sich jetzt, während sich die Pandemie möglicherweise dem Ende nähert, im „Nachhinein“ „im Recht“ fühlen. Die wurden schließlich von Politik und Medien in den letzten 24 Monate massiv beschimpft und bedrängt. Da tut es gut, den Spieß einmal herumdrehen zu können. Das können sie deshalb tun, weil sie keine oder nur einen leichten Verlauf hatten. Die, die es ungeimpft erwischt hat, können das nicht, die sind tot. Ebenso wie die, die „zufällig“ nach einer Impfung Besuch vom großen Schnitter bekamen.

Worum aber geht es letztlich denn? Es geht um Vertrauen – und wie dieses verspielt wurde. Wenn mir mein Automechaniker sagt, dass die Bremsbeläge gewechselt werden müssen, obwohl ich selbst keine Minderung der Bremsleistung spüre, dann muss ich ihm vertrauen, dass er mich nicht belügt. Es kann trotzdem sein, dass er lügt. Aber ich hoffe, er tut es nicht. Ich kenne mich mit Autos nicht aus. Ich kann nicht einmal kontrollieren, ob er die Bremsbeläge gewechselt hat, nur weil sie auf der Rechnung erscheinen. Ich wäre nur enttäuscht, wenn ich bei der Bergabfahrt in den Alpen plötzlich ins Leere trete. Mit der Reklamation wird es dann eventuell schwierig. Bin ich also ein Idiot, wenn ich mir auf Empfehlung die Bremsbeläge am Auto wechseln lasse?

Ich kann mich als Normalsterblicher, der tatsächlich wenig Zeit hat, wegen Corona in Panik zu geraten, informieren. Dazu stehen mir diverse Quellen zur Auswahl. Und die erste Frage, die ich mir stellen muss: Welche Quelle ist seriös? Die „tagesschau“? Das RKI? Die Leit(d)-Presse? Servus-TV? Uschi Klöbners YouTube-Kanal? Die Studie 236 der Harvard-Universität mit 463 Seiten auf Englisch? Oder nehme ich lieber die Studie der Stockholmer Filmuniversität, auf Schwedisch mit 200 Seiten? Will ich die überhaupt lesen? Und wenn: Verstehe ich sie? Interpretiere ich die Grafiken und Tabellen richtig?

Impfen wegen Uschi Glas? Oder nicht, wegen Klaus Schwab?

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft sieht für 2020 keine signifikante Übersterblichkeit, die erbrachten Versicherungsleistungen wegen Todes sind in etwa gleichgeblieben. Die Änderung der Rentenfaktoren nach UNTEN sind offiziell der Zinssituation und inoffiziell der weiter gestiegenen Langlebigkeit der Kunden geschuldet. Corona also nur ein Scherz? Oder nach dem klassischen Oberschenkelhalsbruch zweitbeliebteste Todesursache in der Alterskohorte der über 80-Jährigen? Es kommt darauf an, was und wem Sie glauben wollen.

Persönliche Anekdoten ersetzen keine Empirie, und ob die bisherigen Maßnahmen sinnlos und für die Katz waren oder sinnvoll und tausende Tode verhindert haben, werden wir nie mit letzter Sicherheit wissen. „In der Vorsorge liegt kein Ruhm“, sagt ein Sprichwort. Ich weiß es nicht und ich maße mir kein Urteil über Andere an. Ich habe für mich vier Entscheidungen getroffen, die ich für mich – ganz egoistisch – nach einer Risikoabwägung gefällt habe und die ich zu den jeweiligen Zeitpunkten für die richtigen Entscheidungen hielt und nach wie vor halte. Andere haben für sich andere Entscheidungen getroffen. Jeder mit sehr guten, aber auch sehr saublöden Argumenten. Das ist ebenfalls jedermanns und jederfraus gutes Recht. Ob er sich impfen ließ, weil Uschi Glas ja auch den Arm freigemacht hat, oder nicht impfen ließ, weil er Klaus Schwab nicht bei der Verknechtung der Welt helfen will. Beides halte ich für legitim. Für vielleicht oder ganz bestimmt bescheuert – aber für legitim. Weder Geimpfte noch Ungeimpfte sind Idioten. Die Frage ist nur, wie sie miteinander umgehen.    

Fazit bis hierher: Beide Seiten lagen richtig, beide Seiten sind ja noch am Leben. Unrecht hatten die, die es wegen der Impfung oder wegen der Nichtimpfung erwischt hat. Ich würde mir allerdings mehr Verständnis füreinander und weniger Verachtung der Gegenposition wünschen. Und dieses Verständnis können wir Bürger uns nur gegenseitig geben – denn von Politik und Medien wird dieses Verständnis nicht kommen. Die sind noch mit Einprügeln auf alle, die nicht „auf Linie“ sind, beschäftigt. Noch!         

(Weitere Einblicke in die Krankenakte des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Andreas Bitz / 10.02.2022

Jeder ist für sich verantwortlich, ja! Jeder kann sich die Informationen holen, wo er will, oder eben auch nicht. Ich bin nur erbost darüber daß mir Andere das Leben einschränken oder verbieten und Impfzwang ausüben wollen; und über das Umfallen nach der Wahl; und über die Lügen, ja Lügen, die RKI, PEI, Politik und vor allem Medien weiterhin verbreiten; und über die umverteilten Milliarden an die Quacksalber, Scharlatane, Kurpfuscher, Gauner und Ganoven. Und ich bin vor allem schockiert was sie mit den Kindern gemacht haben und machen.

Markus Knust / 10.02.2022

Warum reiten Sie eigentlich dauernd auf Ihrem Genspritzstatus herum? Wollen Sie lediglich provozieren oder müssen Sie sich Ihre Entscheidung doch schönreden, in der Hoffnung, es wird besser? Dabei hat doch eigentlich niemand etwas dagegen, ich jedenfalls nicht. Von mir aus könnt ihr euch Ugurs Zaubertrank täglich reinboostern und euren Kindern, meinetwegen auch Babys im Mutterleib. Aber warum müsst ihr uns dauernd damit belästigen und darüber belehren? Laufen Sie auch durch die Gegend und berichten jedem von Ihren Manövertaktiken aus den Bettgefechten, mit dem Schatz? Ich fühle mich mittlerweile nämlich unangenehm berührt, wenn jemand der Meinung ist, mir seine Impfhelden Story aufzudrängeln oder einen der bunten Buttons vorzeigt, die sie euch für ein paar Wochen verleihen. Aber wenn interessiert das? Oder sind Sie unter die Click Baiter auf Böhmermann Niveau gegangen?

p.bruder / 10.02.2022

kein vergeben, kein vergessen!

Uwe Krahmer / 10.02.2022

Herr Schneider. Ihr Artikel ist für mich völlig überflüssig. Viel Spass bei der vierten, fünften usw. Impfung.

Jana Hensel / 10.02.2022

Ist doch jedem sein eigenes Bier. Hauptsache der Staat ZWINGT nicht seine Bürger dazu sich etwas injizieren zu lassen, von dem sie nicht überzeugt sind (oder das sie gar ablehnen). Bin selbst 2x gespritzt und dabei bleibt es auch.

E. Sommer / 10.02.2022

Interessant. Ich kannte, aus eigener leidvoller Erfahrung, nur die Angriffe der Geimpften, die sich vor mir, als Ungeimpften, fürchteten. Am Anfang fand ich das ja noch irgendwie witzig, weil sich hier die Unlogik und das “Nicht-Nachdenken”, eines großen Teiles meiner Mitmenschen offenbarte, denn zu diesem Zeitpunkt wurde der Bevölkerung eingehämmert: “Bist du geimpft, bist du geschützt und die Pandemie ist für dich vorbei!” Genau so verhielten sich auch viele der Geimpften und verstanden nicht, dass sie weiterhin als Überträger das Pandemie-Geschehen befeuerten: Wer geimpft ist, der braucht keinen Test! Aber mit Fortschreiten der Pandemie wurden die Ausgrenzungen der Ungeimpften immer massiver und die persönlichen Angriffe immer mehr und heftiger. Ich habe genug Bücher über die Zeit von 1930 bis 1939 gelesen, um zu erkennen, dass das Böse immer im ganz Kleinen anfängt und zwar mit Ausgrenzung beginnt und erst ganz, ganz am Schluss: “Wie konnte das passieren?” Das ist auch das, was mich an den inflationären Sendungen im ÖR stört: Es werden nie die Mechanismen offengelegt, wie es dazu kommt, dass eine Mehrheit der Gesellschaft dabei mitmacht. Ob aktiv (das sind die wenigsten), oder passiv, die, mehr oder weniger, schweigende Mehrheit, sondern “die Bösen” immer nur als irgendwie “Gott gegeben” hingestellt, als wären sie vom Himmel gefallen. Wobei ich selbst erlebt habe, das “normale” Menschen es befürwortet haben, das Ungeimpfte weg- und wenn alles nichts hilft, eingesperrt gehören. Ich habe einen kleinen Eindruck davon erhalten, wie es 1933 gewesen sein muss!

Sabine Weber-Graeff / 10.02.2022

Ernsthaft?Wer sich impfen läßt gut,wer nicht auch gut.Das sollte für freiheitlich denkende Menschen doch überhaupt keine Frage sein.In der Familie habe ich Schwererkrankte,die waren schon boostern und Teenies ,die sind überhaupt nicht geimpft.Who cares? Alle sollten sich mal wieder mehr Toleranz und Gelassenheit verordnen,sonst enden sie zum Schluss noch wie Karl bei salzlos und Tofu.

Daniel J. Hahn / 10.02.2022

Lieber Thilo Schneider, ich halte es da mit Wolf Biermann. Ihm war es bekanntlich egal, woran jemand glaubt, und wenn es die Silberlöffe zuhause im Schrank waren, solange man ihm damit nicht auf die Nerven ginge. Deshalb dürfen Sie sich Impfen lassen oder auch nicht, zwie, drei, wie oft auch immer. Mir ist das egal, solange Sie mich nicht bekhren wollen, also mir auf die Nerven damit gehen. Und, offen gesagt, ich lese Ihre Texte immr mit Vergnügen. Sie sind große Unterhaltung und ich will ja nicht von einem Coronaextrem ins andere fallen. Respekt ist das Gebot der Stunde. Wenn ich mich nicht impfen lasse - derzeit wohnt Omi Kron bei mir und es geht mir gut, schon drei Rockkonzerte (Megadeth, Kizz, Deep Purple) geschaut, nebenbei die Achse gelesen - erwarte ich Respekt für meine Einstellung. Aber, ganz klar ich respektiere Jeden und Jede, die sich aus eigener Überzeugung oder welchen Beweggründen auch immer impfen lassen. Nur so können wir uns noch in die Augen schauen und den Mehltau der Coronapolitik abschütteln. Wer hätte gedacht, daß wir im Jahr 2022 so etwas überhaupt müssen, weil es Medien und Politik geschafft haben den Spaltpilz ‘des wir gegen die’ zu sähen. Wir, das sind die Guten, die folgsam sind und alles mitmachen, was der Politik an Zumutungen in Sachen Corona so einfällt. Die, sind die Bösen, die sich weigern, die Leugner, die sich nichtmla pieksen lassen und jetzt noch die Impertinenz besitzen, spazierenzugehen. Doch schon diese Aufreihung zeigt doch, daß es gerade mit Blick auf die Texte Thilo Schneiders, so einfach mit die und wir nicht ist. Es gibt Leute, die lassen sich impfen uns sind dennoch gegen die Freiheitsbeschränkungen, aus ganz grundsätzlich liberalen Überzeigungen heraus. Und genau das führt doch alle zusammen. Freiheit gibt es nur, wenn sie verteidigt wird und wir alle, Geimpfte und Nichtgeimpfte uns nicht auseinanderdividieren lassen. Deshalb lieber Thilo Schneider warte ich gespannt auf Ihren nächsten Text hier auf der Achse.

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