Von Clara Hagen.
Fernsehen bildet, das wissen wir ja schon lange, öffentlich-rechtliches insbesondere. Dass die von uns allen alimentierten Sender nun immer plumpere Volkserziehung betreiben würden, ist ein Vorwurf, den man allenthalben hört. Doch wenn man das Programm nur äußerst selten und selektiv nutzt, bleiben einem die diesbezüglichen Abgründe womöglich verborgen.
Auf einen solchen wurde ich jüngst hingewiesen. Im „Hotel Heidelberg“, in der Folge „Vater sein dagegen sehr“ solle sich plumpe Propaganda finden. Ich überlegte eine Weile, ob ich mir diese Folge daraufhin anschauen sollte. Immerhin konnte ich doch schon Kenntnisse über die Produktion vorweisen. Als die Serie begann, merkte ich ob der Schauspielerriege, die angetreten war, auf. Da waren Hannelore Hoger, Christoph Maria Herbst, Annette Frier…. allesamt Schauspieler, die ich in verschiedenen Rollen doch immer wieder gern sah. Also schaute ich mir anfangs zwei Folgen an. Schon nach dem ersten Film war meine Freude eher verhalten, waren doch die Figuren etwas überzeichnet, die Dialoge sehr gewollt witzig, leider aber eher platt. Naja, ich gab dem Ganzen noch eine Chance, empfand die zweite Folge als ähnlich mangelhaft wie die erste und beließ es dabei.
Nun hörte ich, dass in diesem normalerweise eher seichten Handlungsumfeld eine Gruppe Dresdener Nazis entlarvt und vertrieben würde. Die so beschriebene Szene machte mich dann doch neugierig.
Also auf ins schöne Heidelberg und da geht‘s zunächst noch mit einer genreüblichen Geschichte los: Die arme alte Tante muss das geräumige schöne Zimmer räumen und in die benachbarte kleinere Kammer ziehen, weil Ole, der Wunschadoptivsohn von Herbst und Frier aus dem Kinderheim ins Luxushotel zieht. Ich freue mich für Ole und spule etwas vor. Ah, da ziehen nun die verdächtigen Herren ein. Allesamt aus Dresden und Hannover angereist, Anwälte einer renommierten Kanzlei, um Partnerschaftsverträge neu auszuhandeln. Wohl darauf hinweisend, dass allesamt in Heidelberg studiert haben und man sie an der juristischen Fakultät in „sehr guter Erinnerung“ haben dürfte. Nur so viel zur Herkunft. Der jetzt in Dresden agierende Kressin buchstabiert dann gleich mal seinen Namen in schneidigem Ton „mit es-es“. Ja, da wissen wir doch gleich, was los ist.
Die Rechten mit dem roten Adler
Ole spaziert dann mal durch sein neues Zuhause, Vasen bestaunend und natürlich bei der Köchin und quasi-Tante schon adoptiert. Tante bringt ihm Reiten bei und die Köchin hat immer Platz und ein offenes Ohr. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, das Paradies für einen Jungen aus dem Heim, wir freuen uns für ihn, aber der Plot ist so vorhersehbar, Dialoge aus dem Satzbaukasten, eigentlich möchte man vor Langeweile abschalten, aber da stören plötzlich die rechten Rechtsanwälte die Harmonie mit lautem Gesang. Erschreckende Sangesfetzen dringen ans Ohr der Chefin: „Steige hoch, du roter Adler“, „Heil dir, mein Brandenburger Land“ oder „Bürger und Bauern vom märk'schen Geschlecht hielten stets zur Heimat in märk'scher Treue fest.“
Wer sich jetzt nicht ob des plumpen medialen Missbrauchs der inoffiziellen Brandenburghymne, die in dem Bundesland, in dem die SPD ununterbrochen seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt, aber gern auch zu offiziellen Anlässen gesungen wird, ärgerte, musste es doch klar erkennen: „Adler“, „Heil“, „Heimat“, „Treue“ und dann standen die Männer auch wie Burschenschaftler mit dem Bierglas in der Hand am langen Tisch – das müssen Rechte, also Nazis sein.
Klar, dass die Anwälte zur Ruhe gebracht werden müssen, denn sie vertreiben die anderen Gäste mit dem lautem Gesang der Märkischen Hymne. Die Chefin schafft das zwar vorerst, aber alle anderen Gäste haben das Hotelrestaurant natürlich empört verlassen.
Am nächsten Tag machen diese Nazis aus dem Osten – also eigentlich ja Wessis, die ins dunkle Dresden zogen und nun den hellen Westen mit der märkischen Hymne quälen, erneut Ärger. Die sympathische Köchin ist aufgebracht, haben die Herren Anwälte doch tatsächlich Schweinebraten bestellt. Die Wunschliste ist höchst verdächtig, enthält sie doch Gerichte wie Schweinsbraten, Königsberger Klopse, Rheinischer Sauerbraten und Leipziger Allerlei! Man stelle sich das vor. In der heutigen Zeit, diese Liste! Da wünscht sich keiner einen Veggieburger, Kichererbsencurry oder Falafel. In einem Hotel im schönen Heidelberg wünschen sich Gäste deutsches Essen. Ja, wo leben wir denn?
Mit Sachsenfahne am Parteiabzeichenknopfloch
Damit nicht genug. Okay, natürlich wird zwischendurch auch Ole bespaßt, Mutti hat zu viel um die Ohren, deshalb muss Vati das alleine machen: Möbelkauf, Tretboot fahren, Eisessen, Stadtbesichtigung, Federballspielen. Wir freuen uns weiter mit Ole, die böse Tante mit ihrem Bestechungsversuch, das größere Zimmer wieder zu bekommen, oder ihre Nörgelei, dass sich keiner kümmert, vernachlässigen wir, die nervt nur.
Wir kehren zurück zur volkserzieherischen Lehrstunde: Die rechten Anwälte frühstücken und haben eine Deutschlandfahne auf dem Frühstückstisch. Logisch, die Fahne gehört zum Reisegepäck eines Anwalts aus Dresden. Fragen? „Dieses Symbol ist Ausdruck, dass man stolz sein kann auf dieses Land.“ Die Chefin findet, das sei nicht das Thema und die Fahne hier deplaziert. Wohlgemerkt, die Herren haben nicht etwa schwarzweißrot gehisst, sondern mit schwarzrotgold die Farben der Bundesrepublik Deutschland, also des Landes, in dem wir doch gut und gerne leben.
Aber der Zuschauer bekommt mit dem Holzhammer suggeriert, dass hier das gefährliche Schwarzrotgold gezeigt wird, in das sich auch Pegida-Demonstrationen hüllen. Nicht umsonst kommen ja einige der rechten Anwälte – das zu erwähnen, wird nicht vergessen – aus Dresden
Und der schneidige Jurist aus Dunkeldeutschland belehrt die Hotel-Chefin dann auch noch, dass das Entfernen des Wimpels juristisch nicht durchsetzbar sei. Die gute Frau muss für den Moment abziehen. Da ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, das spüren wir, wir riechen es förmlich.
Jawoll, es kommt noch dicker, und mir wird so schlecht, als hätte ich 12 Königsberger Klopse gegessen, am Stück.
Die Fahne weg, die Reihen fest geschlossen
Der Familienrat tagt, natürlich voller Entsetzen und Empörung. Solche Leute müsse man doch sofort vor die Tür setzen, doch das sind leider Juristen, die vor Gericht ziehen würden, und man betreibt ja ein Hotel. Nächste Woche sind sie doch wieder weg. Bis dahin soll der Köchin zugemutet werden, Königsberger Klopse zuzubereiten? Die gute alte Tante weiß es: Sowas hat man schon mal gehabt. Mein Entsetzen und meine Übelkeit nehmen zu, ich warte noch auf den großen Auftritt von Frau Hoger, da muss doch noch was kommen. Eigentlich bräuchte ich jetzt einen Korn und Frischluft. Ich schaffe das, ich gucke weiter.
Na klar, Ole … Nein, den Part vernachlässige ich jetzt. Sie können in die Mediathek schauen.
Denn was Schwiegermutter Maren Kroymann da plötzlich abfährt und auch noch auf Annette Frier draufhaut, ist ebenso schwer auszuhalten, wie die Belehrung, die wir im Gespräch zwischen Ole und dem bösen Anwalt, der am Parteiabzeichenknopfloch eine Sachsenfahne trägt, erfahren. Alles Deutsche finden diese Nazis gut, auch, dass der Junge im Geschichtsunterricht Positives über die Revolution von 1848 erfährt. Aha.
Endlich steuert die Herzschmerzserien-Antifa in der 47. Minute einen dramatischen Höhepunkt an: „Annette! Absoluter Alarm! Mama und die Anwälte!“ Frau Hoger ist die höchste Instanz des Hotels und versichert den Anwälten, dass in ihrem Haus keinerlei Propagandafeldzüge stattfinden. Und da tut sie es, obwohl sie Heinrich Heine, Boris Becker und Plunderstriezel klasse findet, sie wirft die Deutschlandfahne in den Müll. Natürlich unter vereinzelten Bravi umsitzender anderer Hotelgäste. Man erinnert sich merkwürdigerweise unwillkürlich an den Wahlabend der Bundestagswahl 2013, als Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrem damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe die Deutschlandfahne wegnahm und von der Bühne warf.
Gefährliche Rechte sind Rechtsanwälte, die das Recht nicht brechen
In Heidelberg gibt’s nun wieder eine Krisensitzung des Familienrats und ich kann nicht mehr. „Nur über meine Leiche werde ich mich bei einem Nazi entschuldigen.“ Frau Hoger, das ist ganz großes Kino. Ich mochte Sie in vielen Rollen, klug, reflektiert, schlagfertig, sicher auch hin und wieder ein Hauch zu viel schlechte Laune. Aber diese Lehrstunde für Zuseher und Gebührenzahler, die es scheinbar immer noch nicht begriffen haben, woher die Gefahr für und in unserem Lande droht, nein, danke, das brauche ich nicht. Ich kann lesen, schreiben und eins und eins zusammenzählen, ich würde von mir behaupten, mich eines gesunden Menschenverstandes zu bedienen. Was mir hier als „Abendunterhaltung“ geboten wird, ist für mich so schwer verdaulich, als hätte ich die gesamte oben beschriebene deutsche Speisekarte einmal abgegessen. Im einzelnen alles Gerichte, die ich mag, alle auf einmal genossen, wird selbst einem bekennenden Fleischesser übel. Es kommt auf die Dosis an und letztlich auch beim Kochen, Essen, Genießen, selbst inzwischen beim Fernsehen schauen.
Es kommt leider noch dicker: Der Familienrat stellt fest, dass diese rechten deutschen Bürger in einem deutschen Hotel das deutsche Recht nicht verletzen – und das mache sie noch gefährlicher.
Sie denken, das reicht? Überlegen Sie, fehlt nicht noch etwas? Richtig. Ein jüdisches Ehepaar, das eigentlich noch eine Woche bleiben wollte, es aber mit diesen Mitbewohnern nicht länger aushält. Und dann hat Annette die rettende Idee: Die Leisen, die Guten, die ja viel mehr sind, sollen sich äußern. Selbst der Anwalt aus Hannover weiß es dann: Auf die richtige Gesinnung kommt es an – und pfeift den schneidigen Dresdener Kollegen zurück.
Mahlzeit und Entschuldigung, die Königsberger Klopse… Ich bin dann mal weg.