Herdenanfälligkeit: “Maßnahmen” für immer?

Laut FAZ warnen Christian Drosten und manche seiner Kollegen „vor [dem] Konzept der Herdenimmunität“ im Umgang mit Covid-19. Es wird bei diesen Warnungen aber nicht ganz klar, wie genau dieses „Konzept“ von anderen Konzepten zu unterscheiden sei und was die alternative Strategie sei.

Herdenimmunität ist ja zunächst einmal der Zustand, dass sich eine Infektionskrankheit nicht mehr ausbreitet, obwohl manche Individuen für sie empfänglich sind, weil hinreichend viele Individuen für die Krankheit nicht empfänglich sind, so dass bei einer gegebenen Basisreproduktionszahl des Erregers die Reproduktionszahl unter 1 bleibt, jede Infektion also im Schnitt zu weniger als einer Neuansteckung führt.

Diese Immunität kann durch eine durchgemachte Infektion, genetische Disposition, Kreuzimmunität, eine Impfung, was auch immer erreicht werden. Wenn (mathematisch vereinfacht eine ansonsten homogene Bevölkerung angenommen) ein Erreger ohne diese bestehende Immunität pro Infektion zu zweieinhalb Neuinfektionen führen würde, dann aber zwei Drittel der Bevölkerung – aus welchem Grund auch immer – immun sind, dann wird eine Infektion nur noch im Schnitt zu 0,8 Neuinfektionen führen, und die Ausbreitung des Erregers kommt zum Erliegen (oder wird bei einer nicht homogenen Bevölkerung jedenfalls en- statt epidemisch).

Wenn man einmal unterstellt, dass sich SARS-CoV‑2 nicht durch Infektionsschutzmaßnahmen aber ohne Impfung oder dergleichen vollständig ausrotten lässt, was nach den bisherigen Maßnahmen illusorisch erscheint, dann ist offenbar die Herstellung von Herdenimmunität in irgendeiner Form der einzige Mechanismus, durch den die Ausbreitung von Covid-19 zum Erliegen kommen wird.

Die einzige plausible Alternative zur Erhöhung der Zahl der Immunen ist die dauerhafte Verringerung der Basisreproduktionszahl, also "Maßnahmen", welche soziale Kontakte um zwei Drittel oder so verringern, für immer. Hört man damit auf, geht es weiter. Ob das, und damit verbunden die fortgesetzte Fernsehprominenz der Virologen, vielleicht ein Teil der Stoßrichtung ist?

Infektion so gefährlich für Kinder wie die Anfahrt zur Impfung

Will man keine Maßnahmen für immer, dann muss Immunität her. Die kann natürlich statt durch Durchmachen einer Infektion auch durch eine Impfung erzeugt werden, klar. Die existiert allerdings noch nicht einsatzreif. Wenn sie das einmal tut, dann ist keineswegs klar, dass das Kosten/Nutzen-Verhältnis für die meisten Menschen vorteilhaft sein wird. Besonders augenfällig ist das bei Kindern: In der Altersgruppe unter 14 Jahren hat das CDC für die Vereinigten Staaten bisher ganze 12 Todesfälle mit aber nicht unbedingt durch Covid-19 festgestellt, bei denen eine Lungenentzündung, aber nicht gleichzeitig Influenza vorlag. Das sind 0,00002 Prozent der entsprechenden Bevölkerung oder einer von fünf Millionen – und in diesen Größenordnungen könnten logischerweise schon trotz Vorsicht und Wiederholung falsch positive Tests locker liegen.

Nun kann einem kein Hersteller versprechen, dass ein neuentwickelter Impfstoff bei Kindern nicht eine Häufigkeit tödlicher Komplikationen von weniger als einer auf fünf Millionen hat. Dazu müsste man ihn wohl oder übel an vielen Millionen ausprobieren, und selbst dann wird die Statistik so kleiner Wahrscheinlichkeiten haarig. Schon gar nicht kann man das, wenn jedenfalls ein Teil der Kinder für die Impfung extra zum Arzt geht, wo man auf diese Anzahl von Todesfällen schon durch das Wegerisiko der Anfahrt kommen kann. Auch Infektionen durch verschmutzte Spritzen und dergleichen könnten zu solch niedrigen Zahlen einen Beitrag leisten. Rechnet man mit einem Todesfall pro 100 Millionen Wegekilometer, dann entspricht das Risiko eines Kindes, bisher an oder mit Covid-19 mit Lungenentzündung und ohne Influenza verstorben zu sein, dem Risiko ungefähr einer Fahrt von zehn Kilometern zum Kinderarzt.

Unter diesen Umständen scheint eine Zwangsimpfung – oder auch überhaupt eine Impfung nicht zustimmungsfähiger Kinder – moralisch schwer verantwortbar und auch nicht kosteneffektiv. Für Menschen älter als vierzehn wird das Verhältnis natürlich vorteilhafter, aber auch bei der Altersgruppe 35 bis 44 Jahre war das Risiko, bisher mit Covid-19 mit Lungenentzündung und ohne Influenza verstorben zu sein, 0.004 Prozent, oder ungefähr so viel wie ein Jahr lang zehn Kilometer zur Arbeit pendeln. Auch hier könnte man selbst bei einem perfekt sicheren und sehr wirksamen Impfstoff an der Notwendigkeit zweifeln, jedenfalls schlecht eine Zwangsimpfung begründen. Tatsächlich teilen sich solche Altersgruppen natürlich nach Vorerkrankungen auf, so dass für manche eine Impfung sicher sinnvoll wäre, für die meisten dagegen eher nicht.

Was wollt ihr sonst?

Selbstverständlich könnte eine Impfung, die sich für Kinder nicht lohnt, für andere Bevölkerungsgruppen sinnvoll sein, vielleicht für Ältere und Geschwächte, vielleicht auch nur für medizinisches Personal und Soldaten. Damit wäre man aber wieder bei dem, was die Virologen gerade ablehnen, nämlich ein Schutz für Risikogruppen und ansonsten, vielleicht mit Bremsmechanismen, laufen lassen.

Wer sagt, dass er Herdenimmunität, jedenfalls als Strategie oder Ziel, ablehne, der muss sagen können, was er sonst will. Herdenimmunität durch Impfungen scheint jedenfalls für manche Bevölkerungsgruppen vom Risiko her vergleichbar mit der Infektion an sich zu sein, die offenbar für viele Infizierte aus gewissen Gruppen ähnlich komplikationslos verläuft wie die Impfung. All die Argumente, dass man nicht wisse, wie lange eine Immunität anhalte, treffen logischerweise noch viel mehr auf eine Impfung zu, mit der man ja weniger lange Erfahrung hat als mit der Infektion. Eine Herdenimmunität, vorwiegend durch natürliches Geschehen mit Schutz, zum Beispiel durch Impfung von Risikogruppen, schließt auch keineswegs aus, dass man später mit mehr Erfahrungen zur Empfehlung einer Routineimpfung kommen wird.

Die einzige logische Konsequenz aus der Ablehnung von Herdenimmunität als Ziel scheint mir zu sein, dass man die "Maßnahmen" für immer haben will. Wer einen dritten Weg vorschlagen will, der möge den bitte artikulieren.

 

Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder. Er betreibt ein Blog mosereien.org.

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Leserpost

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Dr. med. Markus Hahn / 22.10.2020

@ Hans Reinhardt “Die Tiere werden unruhig”. Es würde ein perspektivisch sehr hohes Maß an Repression erfordern, die Maßnahmen auf Dauer zu stellen. Die Realität spiegelt nämlich immer offensichtlicher das Narrativ nicht wider. Der Irrsinn wird immer mehr Menschen transparent. Das Gehorsam basiert auf der Angst. Sinkt der Angstpegel, erkennt man das Fehlen der Klamotten auch beim Kaiser Söder und seinem melancholischen Prinzen Drosten.

Hannes Krautner / 22.10.2020

@uli hofer.  -  Sofern wirklich ein Impfstoff kommt, wird dieser eine lange Zeit sehr knapp sein. Sie glauben doch nicht doch im Ernst, dass man mit einem knappen Impfstoff dann damit zuerst die Hauptrisikogruppe der über 70-jährigen mit Vorerkrankungen impfen wird? So human sind weder unsere Politiker, noch die jüngere Generation. Man wird dann sagen: Lebenserwartung zu kurz für den Einsatz eines knappen Impfstoffes bei den Alten, wichtiger ist es die zu impfen, die noch aktiv im Berufsleben sind.

Frances Johnson / 22.10.2020

@ S: Schönfelder: Kommen Sie doch mal etwas runter und nennen Sie Leute nicht irgendwas. Die sind das gewohnt und verachten Sie nur. Es ist völlig klar geworden, dass die Alltagsmaske nichts bringt, auch an der Person. Sie macht nur China reicher und ist jetzt halt da. Abstand und Hygiene bringen etwas, und bei einer Hochzeit mit 300 Personen wird das Händewaschen natürlich vernachlässigt, weil die Waschräume nicht ausreichen. Abstand ist dann ohnehin nicht gegeben. Was die Impfung betrifft, ist es ähnlich, sie ist dann halt da. Die einzige Möglichkeit, dass sie obsolet wird, ist eine Ermattung der Pandemie. Wenn das nicht der Fall ist, muss man wenigstens dafür sorgen, dass sie lege artis durchgeführt wird. Lesen Sie dafür unten Stehendes von mir unter (2). Man muss sich besinnen auf die Versagerleistungen, als da sind: 1. Nach wie vor keine signifikante Maskenproduktion, sondern China-Import. 2. Wie zuvor keine Schleusen in Pflegeheimen (nicht dass ich wüsste), die auch in Fällen von Norovirus (häufiger) sinnvoll sind. 3. Nach wie vor keine Aufstockung der Gehälter von Pflegepersonal, um personellen Notstand zu beseitigen. 4. Nach wie vor kein ausreichendes Know-How, um jeweils halbe Klassen online zu beschulen. Alle Versagerleistungen verborgen unter einer Glatzenverdeckerfrisur, und die heißt nach Söder: Mehr Maske, weniger Vergnügen oder über Weihnachten bestimmen wir. Ein Land, das täglich für neue kostspielige Sozialimporte sorgt, statt an dieser Stelle ein Moratorium zu bringen und das dann frei werdende Geld statt dessen in die Pflege und Hygiene steckt, ist ein Trauerspiel. Ein besonderes Trauerspiel ist Bankkaufmann Spahn, der Menschen wie Schweine - hier passt es - in Messehallen pferchen will, wo sie von Dilettanten geimpft werden. Über potentielle NW wie spätere maligne Tumoren wird geschwiegen.  Wenn die Impfung so toll ist, warum macht dann nicht das Kabinett wie auch die MP geschlossen Testperson für Astra-Zeneca oder CureVac?

Peter Holschke / 22.10.2020

@Frances Johnson - Schlagen sie die Impftrommel? Natürlich für die “richtige” Impfung, durchgeführt von der “richtigen” Leuten. Haben die mal den Beipackzettel studiert und das Nebenfolgen-Roulett durchgerechnet? Und das amtliche Risiko in dieser Schadenslotterie, mit dem statistischen Risiko der avisierten Krankenheiten abgelichen? Sicherlich nicht. Wer das gemacht hat, läßt sich nicht impfen.

Lutz Herzer / 22.10.2020

“Was wollt ihr sonst?” Ist doch klar: MaoA.M. - ist allerdings ungenießbar und klebt am Sessel wie Pattex.

Günter H. Probst / 22.10.2020

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, daß keiner mehr über den Ursprung des Corona-Grippevirus spricht. Während hier noch über die Todesangst vor dem Coronavirus politische Macht aufgebaut oder erhalten wird, wächst die Spezies Mensch in Asien und Afrika und Südamerika in einem unglaublichen Ausmaß und bohrt sich immer weiter in die noch erhaltenen Naturräume hinein. Dabei werden auch neue Virusvarianten auf die Spezies übertragen. die sich dank der großartigen Globalisierung schnell verbreiten. Auf Covid-19, folgt dann Covid-24, Covid-29 ff. Die Zwischenzeiten werden dann mit der Todesangst vor dem Hitzetod durch Klimaerhitzung ausgefüllt. Bald werden überall nur noch Notstandsregime herrschen. Brave new world.

uli hofer / 22.10.2020

Kein Mensch will Kinder gegen Covid 19 impfen , zumindest gesunde. Denn Kinder werden normalerweise nicht schwer krank. Die Impfung soll erst einmal für die Risikogruppen zur Verfügung stehen. Herdenimmunität “herstellen” ist äusserst schwierig und unberechenbar. Können Sie das Verhalten des Virus voraussagen? (Mutationen, Ansteckung, Reaktion auch Gesunder auf die Erkrankung usw) Dann wissen Sie mehr als alle Wissenschaftler der Welt. Gratuliere! Es tummeln sich die Schlauberger/ Besserwisser im Netz, die aber eigentlich keine Ahnung haben. (Unternehmensberater der Finanzbranche. Aha)!Aber Meinungen ausserhalb der Ichgut-Blase will man hier ja nicht hören.

Volker Voegele / 22.10.2020

Sehr geehrter Herr Haynold, Sie haben sehr gut den relevanten Punkt herausgearbeitet. Es gab zwar die offensichtlich untaugliche Vision eine „Herdenimmunität“ mit dem schnellen Entwickeln eines Impfstoffs zu erreichen, aber man hat sonstige, wahrscheinlich viel besser praktikable „Herdenimmunitäts“-Konzepte nicht weiter verfolgt. (Notiz: In Schweden hat man allgemein recht viel richtig gemacht, leider aber z, B. nicht bei den alten Menschen). Seit Beginn der ersten Covid-19 Fälle im März hätte man dazu 7 Monate Zeit gehabt. Es war nämlich damit zu rechnen, dass Sars-CoV-2 den Sommer „überlebt“ und sich mit Beginn der kalten Jahreszeit wieder stärker verbreitet - ähnlich den jährlichen Grippewellen. Stattdessen hat man aktuell die wenig nutzbringenden Masken- und Abstandsgebote verschärft, diverse Betätigungsverbote erlassen, ruiniert weiter die Volkswirtschaft und agiert unbekümmert gegen das Grundgesetz. Der Ruin der Volkswirtschaft kümmern die Politik und Mainstream-Medien kaum, denn die möchten so oder so die Wirtschaft umgehend „grün“ mit diversen „Maßnahmen” umbauen.

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