Henryk M. Broder / 24.08.2023 / 06:00 / Foto: Pixabay / 55 / Seite ausdrucken

Grüne Welle im irren Germanistan

Von Henryk M. Broder und Reinhard Mohr.

Das neue Buch von Henryk M. Broder und Reinhard Mohr resümiert mit viel Humor, was in diesem merkwürdigen Land vorgeht und viele ratlos oder wütend zurücklässt: einen größenwahnsinnigen Moralismus, realitätsferne Illusionen, Angst vor der Freiheit, eine Vollkasko-Mentalität mit einer kräftigen Portion Geschichtsvergessenheit, die sich als „Lehre aus der Geschichte“ tarnt. 

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Man kratzt sich am Kopf. War Deutschland nicht eben noch das beliebteste Land der Welt nach Disney World, Exportweltmeister mit Dauer-Abo und ein begehrter Investitionsstandort mit einer funktionierenden Verwaltung, bestens ausgebildeten Fachkräften und einem effektiven Rechtssystem, das Korruption erst gar nicht wachsen lässt?

Der Dreiklang aus Demokratie, Marktwirtschaft und einer Arbeitsdisziplin, die im Rest der Welt zugleich gefürchtet und belächelt wird, hat den Ruf „Made in Germany“ zum Weltkulturerbe gemacht. Nachdem weite Teile der europäischen Bevölkerung bei dem Wort „Achtung!!!“ lange Zeit intuitiv zusammenzuckten und sich geistig schon in Reih und Glied aufstellten, um alsbald abtransportiert zu werden, hat sich die demokratische Bundesrepublik über Jahrzehnte tatsächlich Respekt und Achtung verschafft. Trotz aller Krisen galten die 16 Merkel-Jahre als goldene Epoche von Wachstum und pragmatischer Staatsführung im Zeichen der Raute. Ruhe war oberste Bürgerpflicht. Das Motto hieß: „Wir schaffen das“: Der Rest wurde mit Geld ruhiggestellt oder, mit medialer Unterstützung, als „rechtspopulistisch“ abgestempelt.

Knapp zwei Jahre danach jedoch zeigt sich das wahre Erbe der Ex-Kanzlerin, die derzeit jede Menge Staatspreise, Bundesverdienstkreuze und sonstige Ehrungen einstreicht. Die Probleme treten geradezu clusterartig auf. Die Realität schlägt mit Macht zurück, ob bei der verteidigungsunfähigen Bundeswehr oder der verfehlten Energiepolitik, ob in Sachen Flüchtlingskrise, Migration und Integration, Digitalisierung, Bildung und Wohnungsbau. Hieß es früher „Über sieben Brücken musst Du gehen“, so kann heute nur davor gewarnt werden: Mehr als 4.000 Brücken in Deutschland sind marode und müssen saniert werden.

Will eigentlich niemand mehr arbeiten?

Im Land fehlt es buchstäblich an allem: Soldaten, Panzer und Pflegekräfte, Lehrerinnen, Straßenbahnfahrer und Bäcker, Polizistinnen, Feuerwehrleute und Richter, Sozialarbeiterinnen, Krankenschwestern und Köche, Kellner, Handwerker und Psychotherapeutinnen, Schwimmlehrer und DLRG-Retter. Die tragende Mitte der Gesellschaft also, neudeutsch „systemrelevant“ – all jene, die sich nicht genug „wertgeschätzt“ fühlen.

Viele fragen sich inzwischen: Will eigentlich niemand mehr arbeiten? Wo sind sie denn alle, was machen sie denn sonst so? Influencer, irgendwas mit Medien, Atemkurs auf Fuerteventura, Dauer-Chillen? Die Work-Life-Balance der Republik scheint jedenfalls in massiver Schieflage, was am Ende dazu führt, dass weder Work noch Life im Gleichgewicht sind. Und wenn die Vier-Tage-Woche tatsächlich eingeführt werden sollte: Wer backt dann sonntagmorgens um vier Uhr die Dinkelbrötchen?

Zugleich strömen Hunderttausende Asylbewerber, Migranten, Schutzsuchende und illegale Einwanderer ins Land, die, anders als offiziell verkündet, leider keinen neuen Wirtschaftsboom ausgelöst haben, sondern in der Mehrheit über viele Jahre arbeitslos sind, von Sozialleistungen leben und überproportional häufig schwere Straftaten begehen. Gerade bei Sexualverbrechen gegen Frauen sind junge männliche Migranten laut aktuellen Statistiken des Bundeskriminalamts weit überrepräsentiert.

In einer merkwürdigen Übersprunghandlung versucht die neue Ampel-Regierung unter dem Merkel-Schüler Scholz mit dem Temperament einer gebrauchten Büroklammer, weitere Hunderttausende Migranten – die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer fordert gar 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr – ins Land zu locken, um den Fachkräftemangel zu beheben. Dazu reist der Arbeitsminister bis nach Brasilien. Dass für diese Zuwanderer gar keine Wohnungen vorhanden sind, spielt keine Rolle. Währenddessen beziehen vier Millionen erwerbsfähige Menschen das „Bürgergeld“, formerly known as „Hartz IV“, und die Rente mit 63 sorgt dafür, dass Hunderttausende Fachkräfte vorzeitig in Pension gehen. Eine dreifach teure Ressourcenverschwendung, ein Irrsinn von Staats wegen, der nur mit Humor zu nehmen ist.

Ein einziges Armenhaus

Apropos: Humor gehört auch zur Mangelware in der Ampel-Republik, denn Ironie und Sarkasmus passen nicht zur woken, politisch korrekten, achtsamen, diversen und nachhaltigen Gesellschaft, die niemanden zurücklassen will und eben deshalb nicht vorwärtskommt. Man kennt das vom Schulwandertag. Zum Ausgleich soll Cannabis legalisiert werden, denn selbst im Land der „feministischen Reflexe“ und verordneten Regenbogenfahnen geht es nicht ganz ohne gute Laune, auch wenn sie aus der Tüte kommt. Die Deutsche Bahn setzt aber wenig Hoffnung darauf, dass deshalb nun die „besten Köpfe“ aus aller Welt in die Bundesrepublik streben. So verspricht sie das endgültige Erreichen des beschleunigten „Deutschlandtakts“ erst für das Jahr 2070, optimistisch gerechnet also in rund 48 Jahren: die vierfache Dauer des „Dritten Reiches“, damals, als die Züge noch pünktlich gen Osten rollten.

Der Einbau von neuen Gasheizungen soll allerdings demnächst verboten sein ebenso wie „antifeministische“ Meinungsäußerungen, die umgehend der neu geschaffenen „Meldestelle“ des Bundesfamilienministeriums angezeigt werden können. Dort gibt es offensichtlich, anders als in Wirtshäusern, Schulen und Strafvollzugsanstalten, keinerlei Mangel an engagierten Fachkräften, darunter auch eine ehemalige informelle Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit. Personalmangel herrscht ebenso wenig in der immer weiter aufgeblähten Ministerialbürokratie, wo Tausende neue Fachkräfte am Deutschlandtakt arbeiten, um viele weitere „Gute-Kita-“ und „Starke-Familien-Gesetze“ aus der Taufe zu heben – ein tolles Vorbild für die ganze gute Welt. Urbi et orbi: „Vier bis fünf Windräder“ müssten pro Tag installiert werden, um das Weltklima zu retten, fordert der Kanzler, der sich mit Wumms stets um die ganz großen Linien kümmert.

Deshalb kann er sich nicht mit Kleingedrucktem abgeben wie den alarmierenden Prognosen von Energieexperten, denen zufolge Deutschland in absehbarer Zeit massive Stromlücken zu befürchten hat, die allenfalls notdürftig durch den Import von Atom- und Kohlestrom aus europäischen Ländern gestopft werden könnten. Schon werden Stromabschaltungen avisiert, auf die sich auch die Industrie vorbereitet – vor allem durch Abwanderung in andere Länder. Etwa nach China, wo Dutzende neue Kohlekraftwerke gebaut werden, während in Deutschland Sonnenkollektoren auf Balkonen boomen. Nur der jährliche Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und seines Chefs mit den markanten Mega-Koteletten ist so verlässlich wie eh und je: Es wird immer schlimmer. Die „Führungsmacht Deutschland“ (Olaf Scholz) – ein einziges Armenhaus.

Endemischer Moralismus

Aber wir wollen keine schlechte Stimmung verbreiten. Im Gegenteil. Wir beobachten, protokollieren und resümieren mit viel Liebe zum Detail das, was in diesem merkwürdigen Land vorgeht und viele Zeitgenossen ratlos bis wütend zurücklässt. Doch wir wissen aus Erfahrung: Veränderung kommt nur durch Einsicht, also auch durch konkrete Ansichten – genaue Beschreibungen dessen, was passiert. Anders als Marx sagte, bestimmt eben auch das Bewusstsein das Sein.

Und da sind wir schon beim ersten Leitmotiv der fortgeschrittenen deutschen Phrasen-Republik: Ständig wird gepredigt, wie wunderbar es sein wird, statt erst einmal darüber zu reden, wie es ist. „Strukturelles“, also betreutes Wegschauen in Tateinheit mit betreutem Denken ist vor allem in den Massenmedien Programm, jedenfalls dort, wo die Realität buchstäblich wehtut: dem eigenen Weltbild, den ideologischen Überzeugungen, den politischen Tabuzonen.

Endemischer Moralismus, realitätsferne Illusionen, Größenwahn und Selbstverleugnung, schlechte Laune und Angst vor der Freiheit, dazu Vollkasko-Mentalität und apokalypseversessene Wohlstandsverwahrlosung mit einer kräftigen Portion Geschichtsvergessenheit, die sich als „Lehre aus der Geschichte“ tarnt – darum geht es in diesem Buch. Ob in Form einer kleinen Miszelle, einer tagebuchähnlichen Eintragung, einer Glosse, eines pointierten Essays oder als szenisch-reportagehafte Darstellung – alles trägt zur Zeichnung eines Sittenbilds der Ampel-Republik bei, deren Maxime Heinrich Heine schon 1844 in seinem Zyklus Deutschland, ein Wintermärchen mit beispielhafter Ironie und Sarkasmus formulierte, ohne Robert Habeck, Ricarda Lang und Annalena Baerbock überhaupt zu kennen:

Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Britten,
Wir aber besitzen im Luftreich’ des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier üben wir die Hegemonie,
Hier sind wir unzerstückelt;
Die andern Völker haben sich
Auf platter Erde entwickelt.

Soweit das Vorwort von „Durchs irre Germanistan“, die Zwischenüberschriften wurden von der Achgut-Redaktion ergänzt.

„Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik“ von Henryk M. Broder und Reinhard Mohr erscheint im Europa VerlagSie können das Buch ab sofort im Achgut Shop bestellen.

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Karl Napp / 24.08.2023

Dekadenz im Stadium der Reife wird erkennbar, wenn die Regierenden von allem den Preis, aber von nichts den Wert mehr kennen.

Mathias Pauls / 24.08.2023

Den Facharbeitermangel (nur) an der Rente mit 63 festzumachen halte ich für falsch, da gibt es ganz andere Gründe: als ich zur Schule ging, blieben der Großteil meiner Mitschüler auf der Volksschule. Mit 14 oder 15 gingen sie in die Lehre, mit 17 oder 18 hatten sie den Gesellenbrief. Wann tritt denn heute die Jugend in das Arbeitsleben ein? Dazu kommt, in welchen Berufen? Früher wurde man Dachdecker, Schlosser oder Kfz Mechaniker. Außer denjenigen, die ein Mint Fach gewählt haben, trägt der Rest wenig zu den Facharbeitern bei.

P. F. Hilker / 24.08.2023

Mir war schon in den 60er Jahren klar, dass es so kommen musste, wie es halt jetzt gekommen ist. Der unbändige Hass auf die Amerikaner, der bis zum Irrsinn getriebene Pazifismus, der schließlich bis zur Selbstaufgabe führte. Der sich daraus entwickelnde Moralismus mit seiner verheerenden und lächerlichen Willkommenskultur führte zum Status Quo. Die 68er haben ganze Arbeit geleistet und ihre saubere Brut fährt den Karren jetzt voll vor die Wand. Grün, links und dämlich. Schönen Tach noch.      

Maria Czerny / 24.08.2023

Nichts ist umsonst, es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen! Seien wir stolz, an so einem Experiment teilnehmen zu dürfen. Damit können wir nach dem erfolgten Zusammenbruch unserer hiesigen Zivilisation der restlichen Welt zeigen, wie es nicht funktioniert, um sie vor ähnlichen Schäden zu bewahren. Und damit haben wir dann wieder allen gezeigt, dass das Gedicht “Am deutschen Wesen soll die Welt genesen” von von Emanuel Geibel auch nach mehr als 160 Jahren seine Berechtigung hat und wir durch unserere Opferbereitschaft die Menschheit friedlich gerettet haben. Den Letzten, die das vor einiger Zeit erfolglos versucht haben, sind da wahrscheinlich ein paar Fehler unterlaufen, die uns dieses Mal keinesfalls wieder passieren werden.

Peter Bernhardt / 24.08.2023

@Ralf Ross ...........  “Mohammed, der Eroberer!”  Man sollte rechtzeitig die Religion wechseln!. Wir stehen am Ende des Christentums.

Bernd Oberegger / 24.08.2023

Die Ampel-Regierung hat sich in den vergangenen Jahren schon den Hintern wund gesessen. Als arbeitsrechtliche Schutzmaßnahme sollten nun baldigst Neuwahlen angeordnet werden. Vielleicht teilt sogar der fesche Herr Lindner meine Ansicht. Mitgefangen…..

Steffen Raschack / 24.08.2023

Heine, wunderbar wie zeitlos! Aber Vorsicht, wenn Sie den nochmals zitieren, z.B. “denk ich an Deutschland in der Nacht…“riskieren Sie Verfolgung und Heine Verbot! ...nur, dass war doch schon alles einmal da!es wird Zeit Fluchtpunkte zu suchen!!!!

Reinhart Max / 24.08.2023

Wäre Lösungen finden und umsetzen, genauso leicht wie Jammern und Meckern, bräuchte man keinen Broder und Co. mehr und sie müssten tatsächlich arbeiten für ihr Geld. z.B. die Rente mit 63 pauschale als Irrsinn zu verunglimpfen bestätigt nur, das er nie wirklich einen körperlich anstrengenden Beruf ausgeübt hat. Ja, ein Maurer, ein Metzger, ein Mechaniker und viele mehr, sind körperlich, Stand heute, oft man Ende. Sollen Sie bis 70 Baustellendreck und Staub einatmen ? bzw. wenn Sie dann in Frührente müssen, weil es gesundheitlich nicht mehr geht, sollen Sie dann von ihren paar Euro Rente noch stärker beschränkt werden ? Leute wie sie Herr Broder, “arbeiten” doch eh länger als 63 und machen keinen Platz für jüngere Kollegen, und im Gegensatz zum Handwerksberuf, gäbe es aber hier keinen Mangel an Nachfolgern. Wir haben keine “Fachkräfte” im Handwerk, weil es schlicht nicht attraktiv ist dort zu arbeiten. Miese Arbeitsbedingungen, miese Bezahlung, kaum Perspektiven. Und daran hat sich bis heute in der Fläche nichts geändert, und im Gegensatz zu Ihnen, weis ich von was ich rede. Solange ein Handwerker nicht besondere Boni erhält, die ihn gegenüber einem Bürojob besser stellen, wird es hier keine Lösung geben. Handwerker sollten, mit 52 in Rente gehen können ohne Abzüge, mit der Option, das wenn sie weitermachen, ihre Rente größer wird und Leute im Büro dafür erst mit 70 oder 75 (und ich arbeite im Büro). Auch das amerikanische Modell, das Mitarbeiter von kleinen Betrieben auch Anteilseigner sind oder werden, kann dank deutscher Bürokratie kaum gelebt werden, da selbst wenn man Anteile geschenkt bekäme, sind sie voll zu versteuern. Aber statt Möglichkeiten zu schaffen, wird nur gejammert und gejammert und gejammert, und selbst dafür ist man in Deutschland schon zu Faul und überlässt das bezahlten Schreiberlingen.

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