Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 12.12.2008
Schauen Soziologen eigentlich nachmittags Fernsehen? Da läuft das Pflichtprogramm für alle, die etwas über Veränderungen in den Tiefenschichten der Gesellschaft lernen wollen. Dummerweise können Berufstätige nachmittags nur selten fernsehen. Aber das wird sich durch die neuen technischen Möglichkeiten des zeitversetzten TV-Konsums zum Glück ändern. Sehr beliebt sind am Nachmittag Sendungen über Hundetrainer. Ein ehrbarer Berufsstand, der dafür sorgt, dass Jogger, Kleinkinder und andere Risikogruppen nicht so oft gebissen werden. Miersch hat mit seinem Hund einst eine Welpenschule besucht und konnte dabei die segensreiche Arbeit eines Hundetrainers aus erster Hand erleben.
Hundetrainer heißen nur so, in Wahrheit sind sie natürlich Menschentrainer, Psychologen ohne Couch. In den Sendungen über ungezogene Hunde, kann man deshalb viel über Menschen und ihre Denkweisen erfahren. Es bestätigt sich zumeist, was in den einschlägigen Allensbach-Umfragen seit Jahren zutage kommt: Ganz oben auf der Werteskala liegt im modernen Deutschland die Gleichheit. In den meisten Fällen müssen Hundetrainer ihren Klienten mühevoll beibringen, dass sie ihren Hund als Ungleichen behandeln müssen. Vielen fällt das sichtlich schwer. Sie wollen die Freunde ihres Hundes sein, die netten zweibeinigen Kumpels, die zusammen eine große tierisch menschliche Kuschelgruppe bilden. Junge Frauen sagen Sätze wie: „Als unser Baby kam, wollte ich vermeiden, dass Luna eifersüchtig wird.“ Deshalb darf sie aufs Bett, kriegt Essen vom Tisch und okkupiert den bequemsten Wohnzimmersessel. Leider quittiert Luna die freundlichen Gesten nicht mit Dankbarkeit sondern wird immer unverschämter und fängt an zu beißen, wenn ihr irgendetwas nicht passt. Mit Engelszungen versucht der Hundetrainer dem Frauchen zu erklären, dass Hunde keine egalitären Wesen sind, sondern eine klare Rangordnung und klare Ansagen schätzen. Wenn sie in ihrer Familie kein Alphatier finden, versuchen sie nach einer Weile selbst den Job zu übernehmen.
Der Gedanke, Ungleichheit könne zuweilen sinnvoll sein, ist vielen Menschen so fremd, dass sie ihren Gleichheitswunsch sogar auf Hunde übertragen. Die Familien, die sich mit dem Hundetrainer im Fernsehen zeigen, sind keine Freaks, sondern meistens ganz normale Leute mit Reihenhaus und Einbauküche. Man ahnt, dass sie im Kindergarten nur Spiele lernten, bei denen immer alle gewinnen. Dass ihnen der egalitäre Imperativ in Elternhaus, Schulde und Kirche so oft vorgekaut wurde, bis sie alles andere für ungerecht und quasi faschistisch hielten. Nur der Hund ist der alte geblieben. Er merkt, dass der Mensch ihm überlegen ist, und dass er sich verstellt, wenn er auf gleich macht. Deswegen mag er die Kumpeltour nicht. Es heißt, die Nachfrage nach Hundetrainern nähme rasant zu.