Josef Hueber, Gastautor / 13.03.2020 / 12:00 / Foto: Pixabay / 40 / Seite ausdrucken

Generation M wie Mainstreamer

Das Profil des Mainstreamers

Sein intellektuelles Gesicht ist das einer Schaufensterpuppe: glatt, ohne Individualität, identisch wie alle anderen gegossen. Er ist, nach den Generationen X, Y und Z, Teil der neuen Generation M, der Generation Mainstreamer. Er ist der In-Typ, der dir täglich begegnet. Wenn es um zweifelndes Nachfragen geht, merkst du an seinen uniformen, gestanzten Anworten, dass er dazugehört. Ungewöhnlich ist der Gegensatz zu den Vorläufer-Generationen. Die Generation M ist altersübergreifend. Jung und Alt kommen sich näher wie nie zuvor. Alte Narren und Grünschnäbel mit Eierschalen hinter den Ohren sind einer Meinung. Ignoranz hat eben keine Altersbeschränkung.

Das unerschütterliche Bewusstsein

Grundsätzlich geht er im sozialen Kontakt davon aus, dass sein Gegenüber dasselbe Denkprofil zeigt wie er. Sein zweifel- und erschütterungsresistentes Ego nährt sich von der Erfahrung, dass Meinungen über Fakten die Oberhand behalten, wenn sie nur von der Mehrheit vertreten und notfalls auch mit Empörung gegen Zweifler verteidigt werden. Seine soziale Freundlichkeit endet, wo die Zustimmung zu seinen Überzeugungen endet. Dann kann er unwillig bis aggressiv werden. Man sollte ihm nicht mit dem offenen Visier einer abweichenden Meinung begegnen, andernfalls ist man bald ohne Freunde. 

Den Blick in die Gegenrichtung gibt es nicht

Outet sich der Mainstream-„Denker“ mit seinen „richtigen“ Ansichten, gibt es kein Nachfragen. Jeder Nachplapperer in dieser Truppe labt sich an seiner Überzeugung, ohne von der Sache, über die er gerade schwadroniert, etwas zu verstehen. Widersprichst du, fragt der Mainstreamer sofort: „Woher weißt du das?“ Dass er selbst eine Untermauerung für sein „Wissen“ liefert, darauf sollte man nicht hoffen. Ist auch nicht nötig. Er weiß nichts und alles, und alle, die er kennt, wissen es mit ihm. 

Beim Thema Umwelt, Energiewende, Individualverkehr, Fleischverzehr, Gentechnik, Müll, Massentierhaltung und nahezu allem, was grün leuchtet, ist klar: Es ist High Noon, 5 vor 12, wenn nicht 5 Minuten danach. Alles geht seinem Ende zu, aus einem einzigen Grund: Die CO2-Bedrohung nuklearen Ausmaßes, das Verenden der Natur und unser Verenden mit ihr – all das ist radikal und total. „Gigantische Transformationen“ (Merkel) müssen umgesetzt werden. Wir müssen loskommen von CO2, vom Massen-Ei, von der Kohle, von Atomkraft, von Individualverkehr (allenfalls ausnahmsweise noch als E-Mobilität zu denken), vom Fleischverzehr, vom Flugverkehr.

Kompetenz im Liliput-Format

Das Faktenwissen des Mainstreamers hat Platz im Liliput-Format von Wörterbüchern, wie sie Schüler zum „Spicken“ bei Prüfungen benutzen. Das genügt, weil der Mainstreamer im Kopf keinen Raum für Contra-Argumente benötigt. 

Kompetenz schreibt er sich selbst zu. Sie outet sich aber als evident abwesend, wenn man sie mit Nachfragen anzweifelt, weil der Mainstreamer nur repetieren kann, was er von Gleichgesinnten in Zeitung und Radio und Fernsehen gelesen und gehört hat. Zeigt er die Gelbe Karte in Diskussionen gegen falsche Meinungen, weiß er, dass er als Experte seine Wahrheit von der Unkenntnis anderer zu unterscheiden weiß. 

Wie jungfräulich und von Wissen unberührt sein Protest gegen die Errungenschaften der ihm Freiheit und Wohlstand gewährenden Zivilisation ist, zeigen auf Youtube dokumentierte, spontane Kurzinterviews während einer Fridays-For-Future-Demonstration gegen den Klimawandel. Sie haben Modellcharakter für Diskussionen mit Mainstreamern. Einfachste, grundlegende Fragen zu CO2 können von den aufrechten Weltrettern nicht beantwortet werden. 

Eine Kostprobe hier. 

F: Auf welche Menge von CO2 müssten wir kommen, um das Klima noch zu retten?

A: Da hab' ich jetzt keine konkrete Zahl im Kopf.

F: Bei welcher Durchschnittstemperatur würden wir landen, um eine Zielgröße anzugeben?

A: Dazu kann ich jetzt nichts Konkretes sagen. So genau kenn' ich mich da nicht aus.

Meinung siegt qua Masse, ohne Fakten, ohne Wissen. Die Reihen sind dicht geschlossen, die intellektuelle Freitagsfront marschiert.

Selbst- und Fremdwahrnehmung im Faktencheck 

In John Boynes Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ sagt ein jüdischer Arzt, der in Auschwitz zum Dienstboten des Lagerkommandanten degradiert wurde, in einem vertraulichen Gespräch mit dessen Sohn, dem kindlichen Protagonisten: „Nicht jeder, der nachts in den Himmel schaut, ist deswegen ein Astronom.“

Der Mainstreamer sieht sich selbst ganz anders.

 

Josef Hueber ist Studiendirektor für Deutsch und Englisch und war Leiter der Fachschaft Englisch am Gabrieli-Gymnasium in Eichstätt.

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Leserpost

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Dorothea Paulat / 13.03.2020

Wissenschaftlich erforscht, nennt sich Dunning Kruger Effekt. Man glaubt ein allumfassendes Wissen zu haben, welches aber einem Staubkorn im Weltall gleicht. Aufgeweckte Menschen hinterfragen immer wieder ihre Position und ihr Wissen.

Alexander Schilling / 13.03.2020

Sehr geehrter Herr Hueber, seitdem ein gewisser WindBEUYSel sein Wesen getrieben hat, ist “alles Kunst”—und das tolle Zitat Ihres Textes, „Nicht jeder, der nachts in den Himmel schaut, ist deswegen ein Astronom“, das die Axt (zurecht) an die Wurzel ‘höherer Bildung’ anlegt, ist eben “deswegen” ein Satz, der, zu schön, um wirklich wahr sein zu können, lediglich um ein einziges Wort zu lange ist—das unschuldige Wörtchen “nicht”. Jedenfalls gilt das für die “Generation M”—Menschliche Aufgeblasenheit in Gestalt von beratungsresistenten Helikoptereltern jeglichen Alters mitsamt ihren entwurzelten, orientierungslosen Sprösslingen, die ihre pathologische Unsicherheit und offensichtliche Unwissenheit hinter dem festen Panzer unwandelbarer Ansichten (bei leichter Un(v)erträglichkeit des Seins) durch vorlaute Besserwisserei, genannt “Selbstbewusstsein”, ‘prometheisch’ zu kompensieren gezwungen ist.—“M” ist heutzutage Allzweckwaffe: Allgemeinbildungs- als auch Wissenschaftssurrogat, ein theosophisch angehauchtes, hypermoralinsaures SpareMINT-Drops zum Wiederkäuen in Wohlfühldosen; seine Ikone “MM”, “Mickey Mouse”—erwiesener Maßen eine(r) von 500 Wissenschafts-Koryphäen (achgut berichtete), welche unlängst den klimagemachten Menschenwandel unterzeichnet haben…

Volker Kleinophorst / 13.03.2020

@ D. Kamps Und warum steht dann die Kirche neuerdings so auf Sozialismus? Religion ist Unsinn, Verdummung und Machterhalt. Ein ungedeckter Scheck aufs Jenseits. Wir müssen es schon allein hinkriegen, oder wir gehen den Weg der Saurier. Auf religiöse Führer würde ich nicht setzen. Auf Keinen.

Stephan Bender / 13.03.2020

Na ja, der Proll-Typ kehrt halt zurück! Nur eben ohne Manta, aber dafür mit Abitur…

Jörg Themlitz / 13.03.2020

Das mit den Schafen da oben passt nicht. Wenn Herr und Hund unaufmerksam sind, rennt das Schaf schon mal dahin, wo die Wiese grüner ist. Und nascht von selbiger. Gelangt dabei zur Erkenntnis, schmeckt besser oder nicht und die freie Entscheidung, hier bleibe ich oder nicht. Die nächste Entscheidung, wenn der liebe, bisher noch nie gesehene Wolf kommt, weglaufen oder auf Armlänge dem Naturschutzbund vertrauen. Auf Platz eins meiner persönlichen hohlen Phrasen, Textbautein Hitliste: “Was macht das mit Ihnen?”

Heiko Engel / 13.03.2020

Die Vorstufe des Faschisten und Totalitaristen ist der Konformist. Das ist der, heute reichhaltige Fundus, aus dem das System sich erfolgreich erhält. Unsere Pseudoelite fühlt sich erneut berufen, obwohl es an jeder Form der Qualifikation ermangelt, Deutschland an die Wand zu fahren. Und bis auf weiteres ist dieses deutsche Erfolgsmodell noch formgebend. Fleißig bei der Arbeit und faul im Geiste. Der Deutsche ist ein NAZI.

Christoph Kötter / 13.03.2020

Zur Generation M passt doch perfekt Montesquieu: Tritt eine Idee in einen hohlen Kopf, so füllt sie ihn völlig aus, weil keine andere da ist, die ihr den Rang streitig machen könnte.

Heiko Stadler / 13.03.2020

Der Mainstreamer ist ein kluges Kerlchen, das sogar zählen kann. Er kennt die Zahl eins, sogar die zwei, dann kommt tausend und danach die Million. Gespräche, die ich selbst mit derartigen Grünchen führe, enden immer damit, dass ich präzise Zahlen nenne, mein Gesprächspartner aber meint. “Das stimmt nicht”. Ich lasse ihn dann im Glauben, dass er Recht hat. Schließlich besitzt er ja die Fähigkeit, in drei Sekunden bis Millionen zu zählen.

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