Peter Grimm / 05.01.2020 / 16:00 / Foto: Sandro Halank / 104 / Seite ausdrucken

Friede der Sächsischen Staats-Demokratin

In diesen Zeiten wird es einem wirklich manchmal schwer gemacht, einen kleinen launigen Kommentar zu einem netten symbolischen Randaspekt der hiesigen politischen Entwicklungen zu schreiben. Kaum hat man sich etwas ausgesucht, macht es einem eine erregte Mediendebatte schon wieder unmöglich.

Zu Silvester wurde ich in einer schönen jahresendlichen Bierrunde in Leipzig – aber fernab von Connewitz – darauf hingewiesen, dass sich mit der Amtseinführung des neuen Kenia-Kabinetts im Freistaat Sachsen auch mancher Amtstitel der Staatsminister geändert hatte. Insbesondere das Amt von Katja Meier hatte es mir angetan, nicht wegen der Jugendsünden der grünen Ministerin, sondern weil sie jetzt dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung vorsteht.

Was hätte man darüber nicht alles schreiben können? Vielleicht hätte ich mit der Bemerkung eröffnet, dass es grünen Politikern offenbar nicht genügt, einfach nur für einen enorm wichtigen, aber klar abgegrenzten Verantwortungsbereich, wie den der Justiz, zuständig zu sein. Und sich zusätzlich für Gleichstellung und Europa kompetent zu fühlen, passt auch bestens. Aber eine Staatsministerin für Demokratie? Was soll das sein?

Vielleicht bin ich ja übersensibel, aber in Gemeinwesen, die es nötig haben, die „Demokratie“ in Staats- und Amtsnamen besonders zu betonen, ist es um selbige meist nicht besonders gut bestellt. Das ist meine Erfahrung als Bewohner der „Deutschen Demokratischen Republik“, und heutzutage zeichnet sich beispielsweise die „Demokratische Republik Kongo“ auch nicht gerade durch machtvolle Musterdemokraten aus, da muss man gar nicht erst zu schwererem Beispiel-Geschütz wie der „Koreanischen Demokratischen Volksrepublik“ – vulgo Nordkorea – greifen.

Etwas mehr gelenkte Demokratie?

Nun müssen sich die sächsischen Erfinder von Staatsämternamen um solche Empfindlichkeiten wie meine nicht kümmern. Doch die Frage bleibt: Was soll eine Staatsministerin für Demokratie tun? Die Demokratie erhalten? Mehr Demokratie wagen? Oder doch die Demokratie lieber etwas mehr staatlich lenken, damit sie nicht irgendwann von einer demokratisch legitimierten Mehrheit in die falsche Richtung gesteuert wird? Um die ersten beiden Punkte kann und sollte sich jeder politische Verantwortungsträger in seinem Verantwortungsbereich kümmern. Der letzte allerdings passt zu dieser selbst gestellten obrigkeitlichen Regierungsaufgabe, zu deren Erfüllung ein eigener institutioneller Ort in einem Ministerium natürlich gebraucht wird.

Man hätte fragen können, wie es zu dem Demokratie-Ressort kam? Klang es nur einfach zu gut? Musste für die Grünen bei der koalitionären Ämterverteilung noch ein Ressort ersonnen werden? Oder steckt dahinter tatsächlich die Idee, von Seiten der Obrigkeit noch viel stärker in die demokratische Willensbildung einzugreifen, als es die bisherige staatliche finanzielle Förderung genehmer Initiativen über Programme wie „Demokratie leben“ ohnehin schon tut?

Man hätte auch spekulieren können, wie hoch der Anteil der Ministerin selbst an der Amtskreation war, aber all das wurde vor wenigen Tagen leider unmöglich. Denn nachdem die Angriffe von Linksextremisten auf Polizeibeamte in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz bundesweit Schlagzeilen machten, wurde auch eine Jungendsünde der Justiz- und Demokratieministerin plötzlich zum Medienthema. Und da geriet die Ministerin in eine so bizarre Debatte, dass man ihr nicht auch noch zeitgleich ihre Ämterkombination vorwerfen möchte.

Gelassenheit für Jugendsünden

Sie hatte bekanntlich vor ungefähr zwei Jahrzehnten – noch vor dem Abitur – in einer Punkband gespielt, in deren Liedern auch Textzeilen wie „Advent, Advent – ein Bulle brennt, erst eins, dann zwei, dann drei“ vorkamen. Und das sorgte sofort für ein Aufspiel auf der deutschen Skandal-Klaviatur. „Wer es jemals in seinem Leben toll fand, dass Polizisten brennen, kann die Justiz nicht anführen“, habe der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Sebastian Wippel, erklärt und Meiers Rücktritt gefordert. Nun finden Rücktrittsforderungen der AfD gewöhnlich nicht allzu viel Widerhall, aber auch in der CDU, immerhin Meiers Koalitionspartner, suchte so mancher Abstand zur Ministerinnen-Vergangenheit. So forderte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt eine Entschuldigung von Meier. „Das Mitspielen in dieser Band ist ein harter Schlag ins Gesicht aller Polizisten- und Einsatzkräfte, die für unsere Sicherheit alles geben“.

Geht’s noch? Was eine Ministerin im früheren Leben als Schülerin gemacht hat, soll jetzt ein „harter Schlag ins Gesicht aller Polizisten“ sein? Jugendsünden sind Jugendsünden und sollten Politikern, wie auch allen anderen Menschen nicht Jahrzehnte später vorgehalten werden. Gerade die lautesten Meier-Kritiker sollten das doch am besten wissen. Weil sie bzw. ihre Parteifreunde es selbst erfahren haben, ist die Versuchung sicher zuweilen groß, nun mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Besser wäre es jedoch, den Anlass zu nutzen, um den Gouvernanten der politischen Korrektheit am Beispiel einer ihnen politisch Nahestehenden zu erklären, was ein intoleranter Umgang mit diversen früheren weltanschaulichen Ausflügen oder auch nur unbedachter Wortwahl so auslösen kann, um dann ein Beispiel für angemessene Gelassenheit zu geben.

Dass diejenigen, die so reflexartig aufgeregt reagiert haben, vielleicht selbst schon seit Jahrzehnten darunter litten, wenn einer der ihren mit solch gouvernantenhaftem Klageton vor das mediale Tribunal gezerrt wurden, macht die Reaktionen vielleicht menschlich verständlich, aber sonderlich klug und großherzig ist es nicht, es deshalb nun den anderen auf gleiche Weise zeigen zu wollen.

Eine Erinnerung

Mich erinnert diese Geschichte an den Sommer 2001. Damals wurde der seinerzeitige CDU-Spitzenkandidat zur Berliner Abgeordnetenhauswahl, Frank Steffel, vor das mediale Tribunal gezerrt. Sein Vergehen war ebenfalls ein Fehltritt aus der Schulzeit. Bei Steffel ging es nicht um Punk und "brennende Bullen", sondern er hatte in seiner Schulzeit tatsächlich einmal das Wort „Bimbo“ benutzt. In öffentlich-rechtlichen Programmen wurde dieser Skandal auf so manchem prominenten Sendeplatz aufgegriffen. Es war irrwitzig.

Deshalb sollte man vielleicht endlich allen Menschen zubilligen, dass sie sich nach einer mehr oder weniger wilden Jugend auch weiter entwickeln. Alte Schülerworte sollten für Fallstricke tabu sein. Aktuelleres Reden und Handeln ist doch wohl wichtiger.

Daran, dass die erwachsene Katja Meier keine Bullen brennen sehen möchte, scheinen ja wohl keine Zweifel zu bestehen. Also schweigen wir endlich davon, damit sich dann solche wie ich endlich an ihrem jetzigen Wirken – beispielsweise als Staatsministerin für Demokratie – angemessen abarbeiten können.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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K.Richter / 05.01.2020

Innerhalb sehr kurzer Zeit ein Artikel auf der Achse, von dem ich nicht so recht erkennen kann, welches Ziel der Autor damit verfolgt. Ist das der Versuch, nicht mit den Kommentatoren in einen Topf geworfen werden zu wollen, die eben nicht unbedingt in zart beseiteter Manier mit denen umzugehen bereit sind, die ihre politischen “Gegner” in aller Regel übelst niedermachen und dabei selbst Verbalkeulen als MIttel der Wahl bevorzugen? Kein Grüner, und schon gleich gar kein Linker, wird jemals den Versuch unternehmen, sich sachlich über AfDler und deren Wähler zu äußern. Im Gegenteil, je heftiger, desto besser, ist hier die Devise und selbst Verunglimpfungen, bei denen man sich im Vokabular des NS-Reiches bedient, kommen ohne jede Hemmung über die Lippen. Ausserdem frage ich mich, woher Herr Grimm die Gewissheit nimmt, dass Frau Meier tatsächlich ihrer jugendliche Gesinnung abgeschworen hat? Gibt es dafür belastbare Fakten aus soliden Quellen?

Matthias Braun / 05.01.2020

So manch eine Mogelpackung trägt das grösste Etikett.

Detlef Jung / 05.01.2020

Lieber Herr Grimm, die rostrote Katja mag Ihnen gefallen und Sie wären nicht der einzige Gefallenfindende an dieser Personalie. Irgendwie lockert die Frau Meier die säggzsche Regierungskoalierergarde auch sehr schön musikalisch auf. Es bleibt uns allen, speziell aber den Sachsen zu hoffen, daß nicht nur der Nazi-Notstand die neu hinzugekommene Kompetenz “Demokratie” in ihre Amtsklaviatur ähm Saiten geschrieben hat, sondern die Sachsengrünen ernsthafte, nachhaltige Konstruktionen für die bevorstehenden gesellschaftlichen Veränderungen bereit hält. Nur, fest daran glauben ist Randbedingung, denn ausgesprochen wahrscheinlich finde ich es nicht. -//- Die Aufregung um ihre “Jugendsünden” ist natürlich überzogen, denn genau damit wird doch Einfluß, Klicks und damit Geld verdient. So wie´s immer den Wald reinschreit, echoet es in dem Fall mal der “Absendermehrheit” entgegen. Morgen kommt eh wieder die Opfer-Täter-Umkehr, alles wird gut, lieber Herr Grimm. Die arme Katja wurde damals bestimmt in diese Punkband hineingezwungen und für entsprechende Inhalte konditioniert. Das finden viele Mitbürger heute im ÖR völlig koreekt und verstehen die Aufregung um den Einsatz des Dortmunder Kinderchors beim WDR so gar nicht. Ich denke, in ein, zwei Jahren haben sich die Sachsen an ein Verbot von AfD, Pegida, “richtige” Nazis sind ja bereits im Notstand, zwei Wochen Connewitz für nicht regierungskonforme Kritik, Augenzwinkern oder das Tragen nicht genehmigter Kleidung gewöhnt und werden selbstredend bei den kommenden Wahlen ihren Wurschdzettel in gewohnter Weise SED-konform verwenden.

Dr. Joachim Lucas / 05.01.2020

Früher behängte man sich mit Orden, bei den Vergrünten behängt man sich mit nutzlosen Amtsbezeichnungen. Ist das gleiche. Im günstigsten Fall macht die Jugendrevoluzzerin und Politikwitzenschaftlerin ohne Berufserfahrung im Amtssessel gar nichts, dann richtet sie den geringsten Schaden an.

Hans-Peter Dollhopf / 05.01.2020

Herr Grimm, welche Folge habe ich versäumt? Ist Achgut seit Weihnachten 2019 Sektion von Amnesty International für Beratungsresistente? Ihnen, als gelerntem Ossi, mag entgangen sein, dass es eine Bringschuld des Regimes, das Sie unterworfen hat, auch uns im Westen gegenüber gibt. Sie waren unterworfen. Wir sollten unterworfen werden! Mögen Sie Ihren Frieden schließen mit solchem Schoß, der fruchtbar noch, aus dem sie krochen. Wir ehemals Missbrauchte aus dem Westen wollen zuerst Unterlassungserklärungen sehen. Unterschrieben und notariell beglaubigt! Schadensersatz ist der nächste Schritt. Ein für allemal Schluss mit Terror. no more

Frank Danton / 05.01.2020

Das ist einer der Gründe warum echte Menschen mit eigener Geschichte und gelebter Rebellion (die unabdingbar ist für’s Erwachsenwrerden) so gut wie gar nicht in der Politik auftauchen. Die Vita muß schlüssig sein. Kreissaal, Vorlesungssaal, Plenarsaal. Zwischendrin kann dann mal ein Praktikum bei der AWO oder der Gewerkschaft absolviert worden sein, aber ein Poster im Kinderzimmer von Mubarack oder Gaddafi wäre der politische Tod bevor es losgeht. Man sagt nicht umsonst: Es gibt Menschen und Politiker. Jeder der im Leben gekämpft hat weil es ihm wichtig war, hat Dinge gesagt oder getan die ihr\ihm jede Karriere in der Politik verwehren würden. Auch wenn er dadurch reifer, weiser geworden ist und sein Wissen erhöht hat, in der dt. Politik wird man nur etwas wenn man Gehorsam denen folgt die keine Ahnung haben von Charackter und Ehrlichkeit.

Leo Hohensee / 05.01.2020

Hallo Herr Grimm, Sie meinen - “von Saulus zum Paulus” - bei der Dame? Kann sein. Meine Meinung:  in der Jugend und auch noch in der Öffentlichkeit von “brennenden Polizisten, erst einer , dann ..... ” zu singen, disqualifiziert diese Person LEBENSLÄNGLICH für irgendein Amt in Justiz und Politik! - Over und aus!

Rita Wieser / 05.01.2020

Ob die Dame das auch so lustig finden würde, wenn jemand singt: “Advend, Advend, die Stasi brennt?” Obwohl der brennende Polizist vermutlich 99,9% mehr Menschen entsetzen würde, als das Kommunistische Mörderhaus. Ich finde, dass jemand der sein Land so hasst, am Mond besser aufgehoben wäre.

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